Wort-Interview mit dem Vorsitzenden der parlamentarischen Finanzkommission und CSV Abgeordneten Laurent Mosar über das OPA-Gesetz
Auch wenn der Staatsrat nicht alle Vorschläge der Kommission hat durchgehen lassen, ist Mosar zufrieden. Die Kritik vor allem aus dem Ausland ist ihm unverständlich. Dass die Ausarbeitung des Gesetzes mit der Übernahmeschlacht zwischen Mittal Steel und Arcelor zusammenfiel, hält der Abgeordnete für unglücklich.
Das vorliegende Gesetzesprojekt ist Ihren eigenen Worten nach nicht perfekt. Welches sind die Schwachstellen?
Laurent Mosar: Es stimmt, dass das Gesetz nicht für jeden Betrachter perfekt ist. Es ist vor allem nicht perfekt für Kleinaktionäre, weil eine ganze Reihe von Maßnahmen zum Schutz ihrer Interessen nicht vom Staatsrat angenommen wurden. Daneben bin ich enttäuscht, dass z.B. die Schonfrist von 12 Monaten, die nach einer gescheiterten OPA verstreichen muss, rausgefallen ist. Im Grunde bin ich aber mit dem Entwurf zufrieden, weil die wesentlichen Ziele erreicht werden.
Was waren die Hauptziele?
Wir wollten einen legalen Rahmen für Übernahmen schaffen, die EU-Direktive in nationales Recht umzusetzen, Arbeitnehmerrechte schützen und die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Luxemburg sichern.
Luxemburg hat nach wie vor keinen gesetzlichen Schutz der Rechte von Kleinaktionären. Wird dafür ein eigenes Gesetz ausgearbeitet?
Der Staatsrat ist grundsätzlich nicht gegen den Schutz von Minderheitsrechten. Für das vorliegende Gesetzesprojekt wurde jedoch argumentiert, dass der Schutz der Rechte von Kleinaktionären nicht in einem OPA-Gesetz verankert werden sollte. Das kann ich durchaus nachvollziehen. Wir geben uns allerdings nicht damit zufrieden. Ich bin nach wie vor überzeugt, dass die Maßnahmen, die jetzt vom Staatsrat abgelehnt wurden, richtig und notwendig sind. Im Namen der Finanzkommission werde ich daher heute den Vorschlag einbringen, das Gesetz von 1915 über Gesellschaften entsprechend zu modifizieren, um eben die Rechte von Kleinaktionären oder die Schonfrist von zwölf Monaten gesetzlich zu verankern.
“Weder ein Anti-Mittal noch ein Pro-Arcelor-Gesetz”
Vor allem in der internationalen Presse war immer wieder davon die Rede, Luxemburg mache ein Pro-Arcelor- oder Anti-Mittal-Gesetz. Wie reagieren Sie auf diese Äußerungen?
Es ist weder ein Anti-Mittal- noch ein Pro-Arcelor-Gesetz, auch kein Gesetz gegen Minderheitsaktionäre. Es ist ein ausgeglichenes Gesetz, das die erwähnten Ziele umsetzt. Niemand scheint jedoch mit dem vorliegenden Entwurf 100 Prozent einverstanden zu sein. Das macht mich als Berichterstatter im Grunde sehr zufrieden. Ich hätte mir im anderen Fall doch Fragen stellen müssen, wenn irgendjemand der direkt Betroffenen das Gesetz über alle Maße hinaus gelobt hätte.
Der Verwaltungsratspräsident von Arcelor, Joseph Kinsch, hat im LW-Interview in Bezug auf den vorliegenden Gesetzentwurf den Eindruck geäußert, Luxemburg bringe ein Pro-Mittal-Gesetz auf den Weg. Warum fällt es Luxemburg schwer, wie Frankreich, ein Gesetz zu machen, das die heimische Wirtschaft schützt?
Das ist eine sehr gute Frage. Es gibt zwei Gründe für unser Vorgehen: Es galt, eine EU-Direktive umzusetzen, die grundsätzlich Übernahmen fördern soll. Wir wollten kein Gesetz auf den Weg bringen, das nicht konform ist mit der Vorlage. Ich zweifele daran, dass die französische Gesetzgebung im Einklang mit der EU-Direktive ist. Zweitens geht es um die Reputation Luxemburgs als investor-freundliches Land. Da sind wir unserer Tradition als offene Wirtschaft verpflichtet.
“Extrem grosse Bedeutung für den Wirtschaftsstandort”
Welchen Einfluss hat das OPA-Gesetz auf die laufende Übernahmeschlacht zwischen Mittal Steel und Arcelor?
Wir haben Druck gemacht, das Gesetz schnellstmöglich auf den Weg zu bringen, damit es eben gerade Einfluss auf den laufenden Übernahmeversuch hat. Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens wollen wir die Aktionäre im Zuge dieser OPA schützen. Bislang gibt es keinerlei Garantien. Zweitens geht es um die Verantwortung des Staates. Hätten wir in der uns gesetzten Frist kein OPA-Gesetz auf den Weg gebracht, hätten wir uns vor der EU-Kommission rechtfertigen müssen. Ohne Gesetz hätte die Gefahr bestanden, dass der Staat vor Gericht hätte verklagt werden können. Das galt es zu verneiden. Selbstverständlich wird das Gesetz also auf die aktuelle Auseinandersetzung angewendet. Allerdings muss keine Etappe, die bislang beschritten wurde, noch einmal wiederholt werden. Mittals Prospekt wird – soweit er von der CSSF genehmigt wird – demnach nicht vom Gesetz betroffen sein. Alle künftigen Schritte unterliegen jedoch dem Gesetz, wenn es in Kraft getreten ist.
Welches sind die nächsten Etappen, wenn das Gesetz heute gestimmt wird?
Stimmt das Parlament dem Gesetzesprojekt zu, geht es nochmals zurück zum Staatsrat zur Zustimmung. Ich erwarte keine Schwierigkeiten, da wir sämtlichen Vorschlägen des Staatsrats Rechnung getragen haben. Dann kann das Gesetz veröffentlicht werden, drei Tage vorher tritt es in Kraft. Wann das sein wird, kann ich nicht sagen. Ich hoffe auf ein Inkrafttreten noch vor Ende dieses Monats.
Welche Bedeutung hat das Gesetz für den Wirtschaftsstandort Luxemburg?
Die Bedeutung des Gesetzes ist extrem groß. Hätten wir falsche Signale gesetzt, hätte das negative Auswirkungen auf den Wirtschafts- und Finanzstandort Luxemburg haben können.
Quelle: Wort, 4. Mai 2006, Journalist Andreas Holpert, Foto Marc Wilwert