Bildung für das 21. Jahrhundert, eine globale Verantwortung

CSV-Abgeordneter Marcel Oberweis: “Angesichts der Globalisierung wird von uns allen verlangt, insbesondere den Jugendlichen konkrete Zukunftsperspektiven aufzu-zeichnen”

Bildung für das 21. Jahrhundert, eine globale Verantwortung


* Marcel Oberweis

Für die Wissensgesellschaft stellt die Bildung eine der zukünftigen Schlüsselfunktionen dar. Bis vor wenigen Jahrzehnten bestimmte man den Wert einer Werkzeugmaschine größtenteils durch ihren Materialwert und ihre Produktionskosten, diese Faktoren machen heute noch etwa 20 % aus, während der größte Teil in Software, Design sowie Entwicklung steckt.

Indien, China und Mexiko führen uns heute vor, wie sie sich auf die Globalisierung eingestellt haben. Durch den weltweiten Abbau der Handelsbarrieren, die Entstehung transnationaler Freihandelszonen und der grenzüberschreitenden Finanzmärkte stehen heute mehr als 20 % aller Güter und Dienstleistungen im globalen Wettbewerb. Den vorliegenden Schätzungen zufolge wird sich dieser Anteil in den kommenden 25 Jahren auf 80 % erhöhen. Dies wiederum bedeutet, dass Arbeitsplätze in den industrialisierten Ländern einem hohen Druck aus den Schwellen- und Entwicklungsländern ausgesetzt sind.

Wir haben an Schwung verloren und es bedarf der Mühe, wieder Anschluss zu finden, und dazu bedarf es vor allem einer guten Bildungs- und Ausbildungspolitik. Deren Qualität lässt sich daran messen, ob wir die vorhandenen Talente erkennen und optimal unterstützen wollen. Durch die Förderung der Begabungen werden wir in die Lage versetzt, mit der nötigen Kreativität die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu sichern. Dazu zähle ich auch die Kenntnisse in Fremdsprachen, als eine notwendige Voraussetzung zum Bestehen in einer Welt offener Grenzen, schrumpfender Entfernungen und globalisierter Arbeitsmärkte.

Der Beitrag der Bildung zur Vorbereitung auf die Arbeitswelt soll die Lernenden zu Problemlösenden reifen lassen, welche selbständig und verantwortlich handeln können. Nur so werden sie zu Persönlichkeiten, die den moralischen und politischen Ansprüchen unserer Wissensgesellschaft genügen. Vor allem die Geringqualifizierten und die älteren Arbeitnehmer sind überproportional von Arbeitslosigkeit betroffen und ihnen muss unser ganzes Augenmerk gewidmet werden. Die Bildungsgerechtigkeit und die Bildungsqualität sind somit wichtige Voraussetzungen, um die drängenden gesellschaftlichen Aufgaben zu bewältigen. Deshalb darf sich die Bildungspolitik nicht nur mit Bildungsstandards und Fragen der Organisation befassen. Der Staat soll in diesem Aufbruchprozess jedoch nur als Katalysator dienen, die Schule, die Ausbildungsstätten sowie die einzelnen “Chambres” müssen eine gewichtige Rolle übernehmen. Wenn demzufolge kurz- bis mittelfristig ein Sieg davongetragen werden soll, dann bedarf es der Mitarbeit aller Akteure: Professoren, Studenten, Schüler, Eltern und Betriebe.

In der Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts ist Bildung zweifelsohne ein entscheidender Erfolgsfaktor, denn sie definiert die beruflichen Chancen des Einzelnen und ist maßgeblich am Erfolg unserer Unternehmen und der Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft verantwortlich.

Die Schule angesichts des Strukturwandels

Angesichts des mangelnden Interesses unserer Jugend an der Technik und Wissenschaften bereitet es den in der Verantwortung Stehenden reichlich Kopfzerbrechen, wie die geringe Zahl an Nachwuchskräften die Bedarfslücken in den technischen Berufen schließen soll. Tatsächlich hält sich die Begeisterung für technische Berufe und für das Erlernen dieser in Grenzen. Viele Unternehmen weisen für die kommenden Jahre einen erheblichen Mangel an Facharbeitern, Ingenieuren und Wissenschaftlern auf. Das hier beschriebene Problem beginnt schon an den Schulen, wo das Thema Technik ein bescheidenes Dasein fristet.

Von Interesse ist der Diskussion bezüglich der Arbeitsplätze und dem Grenzgängerproblem darf nicht vergessen werden, dass Luxemburg im Verhältnis zu seiner Bevölkerung weit weniger Studenten und Akademiker aufweist als die Großregion, dies stellt eine höchst bedauernswerte Tatsache dar. Nach erfolgreichem Abschluss ihrer Sekundarstudien sollten die Schüler zur Aufnahme von Universitätsstudien eingeladen werden. Wie oft wird über den Mangel an Akademikern geklagt und sich besorgt gezeigt, dass die höheren Dienstgrade mit Grenzgängern besetzt werden, derweil unsere “Primaner” auf subalternen Posten schmollen. Hat nicht kürzlich Wirtschaftsminister Jeannot Krecké gesagt: “Wenn wir nicht selbst über die nötige Anzahl an Ingenieuren verfügen, müssen wir sie anderswo hernehmen. Tun wir das nicht, bleiben wir auch als Staat längerfristig gesehen nicht mehr funktionsfähig”.

Als Industriestandort werden wir nach meinem Kenntnisstand kurzfristig große Probleme bekommen, weil wir nicht mehr wettbewerbsfähig sein werden. Die Unternehmen und die Politik sind sich einig, es muss wieder ein Industrie- und technikfreundlicheres Klima geschaffen werden, sich nur auf das Finanzgeschäft berufen, wird sich mittelfristig als ein zweischneidiges Schwert erweisen. Wir werden der Niederlassung von Unternehmen im Bereich der Biotechnologien und Umwelttechnologien den Weg ebnen müssen, und hier wird sich die Universität Luxemburg mitsamt den Forschungsstätten einbringen müssen.

Es bedarf der Renaissance für Technik und Innovation sowie eines gesellschaftlichen Klimas, um den Fortschritt zu sichern. Wenn uns das industrielle Standbein wegknickt, dann wird es um den Standort Luxemburg schwer bestellt sein. Den Wissenstransfer und eine engere Verzahnung mit allen Bildungseinrichtungen anmahnen, von der Primärschule über die Gymnasien hin zur Universität, dies muss das Primat der Politik werden. Den beiden Typen von Gymnasien muss eine wichtige Rolle in dem Strukturwandel zugewiesen werden; zusätzlich werden die Berufsausbildung und das Universitätsstudium die nötige Impulse liefern müssen. Insbesondere die Attraktivität am Berufsbild sollte verstärkt werden, im Beruf können wir den handwerklich geneigten Jugendlichen die Arbeitsstellen zuweisen, in welchen auch sie ihre Würde als Mensch verwirklichen. Die lebensbegleitende Weiterbildung sollte als eine notwendige Investition des einzelnen Mitbürgers hinsichtlich der Zukunft unseres Landes angesehen werden. Dies erfordert neben Neugier, Zukunftsoffenheit und handwerklichen Beherrschen noch eine ganze Menge u.a. Kommunikationsfähigkeit und Fleiß, Selbstdisziplin und Selbstmotivation.

Bezüglich der Innovationskraft sehe ich in der engen Kooperation zwischen der Wirtschaft und der Universität, dem regen Austausch zwischen Lehre, Forschung und Praxis ein weit gefächertes Arbeitsfeld, wo Früchte geerntet werden können. Wenn wir den Schlüssel zum Erfolg bei unseren Jugendlichen suchen, dann aus der Erkenntnis heraus, dass es eben die Jugendlichen sind, die noch heute die Schulbank drücken, auf denen die Gesellschaft von morgen aufbaut. Und da Innovation und Fortschritt die beiden Elemente deren Fortbestand garantieren, brauchen wir engagierte und kreative Menschen, deren technologische Kompetenz unbestritten, Spitzenniveau erreichen muss.

Weil aber immer mehr junge Menschen aus dem Bildungsprozess ohne Abschluss ausbrechen und sich relativ unglücklich im Leben bewegen, sollten abgestimmte Bildungsprojekte mit entsprechenden Lerninhalten die “Gestrauchelten” in eine Aufbruchstimmung versetzen. Auch sie sollten wissen, dass es ohne Bildung keine Chance in der Wissensgesellschaft gibt. Der Zugang zu Bildung, Qualifikation und Kompetenzerwerb, das Erlernen von Diskurs- und Konfliktfähigkeit entscheiden über die beruflichen und gesellschaftlichen Chancen jedes einzelnen Menschen und damit indirekt auch über seinen Lebensstandard.

Innovationen und Wertemanagement sind gefordert

Konfrontiert mit dem wirtschaftlichen und sozialen Wandel kann der Einzelne nur dann sichere Lebensentwürfe gestalten, wenn ihm durch die Bildung, die nötige Sicherheit und Orientierung gegeben ist. In der Bildung sehe ich die Möglichkeit, dem Menschen zu erlauben, sich aktiv am Aufbau der Gesellschaft einzubringen. Um dies zu schaffen, braucht es der Leuchttürme, sowohl der geistigen als auch der materiellen.

Kluge hochmotivierte Köpfe und international agierende Betriebe stellen die Garanten dar, dass Luxemburg seine angestammte Rolle in der Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts weiterhin spielen kann. Die Bildungspolitik entscheidet darüber, ob es uns gelingt, die gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen u.a. die Armut und die Arbeitslosigkeit in sozial nachhaltige Bahnen zu lenken und Lösungsvorschläge zu erarbeiten.

“Europa muss innovativer werden, sonst droht ein langsamer Niedergang”, so Günther Verheugen, EU-Kommissar für Unternehmen und Betriebe. Wenn es uns demnach nicht gelingen sollte, mehr Innovationsgeist in Bezug auf die Lissabon-Strategie 2010 vorzuzeigen, dann werden wir die Neuausrichtung der europäischen Wissensgesellschaft nicht schaffen. Wir dürfen deshalb keine weitere Zeit verlieren, wenn wir das europäische Gesellschaftsmodell – umweltbewusstes Wirtschaftswachstum und sozialer Zusammenhalt – erhalten wollen.

Wir haben schon manche Herausforderung erfolgreich gemeistert und angesichts der Globalisierung wird von uns allen verlangt, trotz anstehender Schwierigkeiten, insbesondere den Jugendlichen konkrete Zukunftsperspektiven aufzuzeichnen.

Abgeordneter

Prof. Dr.-Ing. i. R.