Die Grenze der 10.000 Arbeitssuchenden ist überschritten: Wie geht es nun weiter auf unserem Arbeitsmarkt? (2)

Marc Spautz, LCGB-Generalsekretär und CSV-Abgeordneter fordert im LCGB-Organ Soziale Fortschrëtt eine entschlossene Politik zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit

Arbeitslosigkeit ist eine Herausforderung, der sich zur Zeit fast jede Regierung in Europa stellen muss – neuerdings auch in Luxemburg -, und so wurde im Rahmen der Tripartitediskussionen und auch schon vorher im Comité permanent de l’emploi über die verschiedenen Möglichkeiten der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gesprochen.

In all diesen Diskussionen sollte man nicht außer Acht lassen, dass die Erwerbsarbeit für die individuelle Lebensgestaltung und Identität des Menschen einen hohen Stellenwert hat. Und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass es Arbeitslosen oft schwer fällt wieder Fuß zu fassen. Wenn also über Arbeitslosigkeit gesprochen wird, sollte man nicht vergessen, dass hier über Menschen gesprochen wird, über Einzelschicksale und nicht über anonyme Zahlen! Die Arbeitslosigkeit ist von den Betroffenen im größten Teil der Fälle nicht gewollt, nicht selbst verschuldet. Und dies sollte man immer wieder vor Augen halten, wenn über Arbeitslosigkeit gesprochen wird.

Da in unserer Gesellschaft die Logik von Kapital und Markt die Erwerbsarbeit bestimmt, wird auch die soziale Anerkennung, die Zugehörigkeit eben über den Arbeitsplatz definiert. Erwerbsarbeit ist und bleibt auch heute noch eine soziologische Schlüsselkategorie. Und dies bedingt, dass unsere Gesellschaft ein vorrangiges Interesse daran haben muss, das Ziel der Vollbeschäftigung wieder zu erreichen. Wir können es uns nicht leisten über Monate, wenn nicht sogar Jahre einen Arbeitslosenprozentsatz von über 4 zu haben. Dies birgt sozialen Sprengstoff, den es gilt schnellst möglichst zu entschärfen.

Ansätze dazu bestehen: Sie müssen nur konsequent weiter entwickelt, respektive umgesetzt werden.

So begrüßenswert es auch ist, dass Handel und Handwerk 1.000 neue Ausbildungsstellen zur Verfügung stellen, so stellt sich aber auch die Frage: Haben wir genügend Bewerber für diese Stellen? Wenn man sich nun die Lehrstellenzahlen der letzten Jahre ansieht, so kommen einem zumindest leichte Zweifel. Es ist eine Tatsache, dass immer mehr Bewerber nur noch jene schulischen Qualifikationen haben, die für die Ausbildungen CITP und CCM nötig sind; dass immer mehr Bewerber nicht zur CATP-Ausbildung zugelassen werden können.

Diese Tatsachen sind seit Jahren bekannt, die Profile unserer Arbeitssuchenden zeigen nicht die vom Arbeitsmarkt benötigten und notwendigen Qualifikationen auf, und trotzdem geschieht nichts oder nur sehr wenig! Irgendwie überkommt einen das Gefühl ein “einsamer Rufer in der Wüste” zu sein, denn vor allem die Gewerkschaften weisen seit Jahren auf diese Entwicklung hin!

So müssen nun vor allem im Bereich der Schul- und Ausbildungspolitik neue Akzente gesetzt werden: Umsetzung der Reform der Berufsausbildung, Schaffung von neuen Ausbildungswegen, die eine höhere Basisqualifikation verlangen, Angebot von Ausbildungen, die der Arbeitsmarkt benötigt, ….

Aber auch im Bereich der Zusammenarbeit zwischen Erziehungs-, Arbeits- und Wirtschaftsministerium müssen neue Impulse her: Luxemburg kann es sich nicht mehr leisten, sei es Jugendliche aus der Schule heraus in die Arbeitslosigkeit zu entlassen, sei es auf Dauer unqualifizierte Arbeitnehmer auf dem Arbeitsamt eingeschrieben zu lassen. Wohl ist es richtig, dass viele Arbeitssuchende nicht gerade erfreut sind Qualifizierungsmaßnahmen mitzumachen, aber wird nicht eben auch hier eine neue Aufgabe des Arbeitsamtes sichtbar: jene Überzeugungsarbeit bei den Arbeitssuchenden zu leisten, damit sie eben den Weg der (Neu)Qualifizierung einschlagen? Hier besteht noch ein großer Handlungsbedarf!

Um dies aber zu gewährleisten, brauchen vor allem die Berufsberatung und die Ausbildungsinstanzen ein Mehr an Personal und Finanzmittel. Und dies kostet: Zu glauben, im Rahmen der Budgetdiskussionen auch über Kürzungen bei den Arbeitlosen nachzudenken, ist der falsche Weg!

Sparen ist in der jetzigen Zeit wichtig, aber nicht auf Kosten des Sozialen, auf Kosten der Schwachen, es gibt genügend andere Bereiche wo im Staatshaushalt eingespart werden kann.

Lesen Sie hier Teil 1

Marc SPAUTZ
LCGB-Generalsekretär

Quelle: “soziale Fortschrëtt” 8/2005