Marie-Josée Frank: Sterben ein Teil des Lebens

Im Wort-Gespräch plädiert die CSV-Sozialpolitikerin für eine Enttabuisierung des Lebensendes.

Am 12. März 2003 hatten sich die Abgeordneten mit knapper Mehrheit gegen die Straffreiheit der Sterbehilfe unter gewissen Bedingungen ausgesprochen. Eine entsprechende Resolution, die auf der Initiative der LSAP-Deputierten Lydie Err und Alex Bodry sowie von Jean Huss (Déi Gréng) beruhte, war mit 28 Nein-Stimmen bei 27 Ja-Stimmen und einer Enthaltung abgelehnt worden. Dem Votum vorausgegangen war eine Orientierungsdebatte, wo die Parlamentarier für die Palliativmedizin und gegen das acharnement thérapeutique plädiert hatten. Grundlage der Debatte war dabei ein Bericht der Ethik-Kommission unter dem Vorsitz des damaligen Fraktionsvorsitzenden der Liberalen, Jean-Paul Rippinger.

In der Folge der Debatte vom März 2003 hatte Gesundheitsminister Carlo Wagner am 19. Februar 2004 einen Gesetzentwurf auf den Instanzenweg gebracht, der vier Bereiche abdeckte: das Recht auf Palliativbetreuung einführen, die Finanzierung der Sterbebegleitung ermöglichen, das acharnement thérapeutique vermeiden, ein testament de vie einführen. Das Gesetzprojekt blieb jedoch ohne Folgen. Außer dass die Schwarz-Rote Regierung in ihrem Koalitionsabkommen festhielt, dass die Vorlage von Ex-Minister Wagner überarbeitet werden soll.

Konsequenter Ausbau der Palliativmedizin

Über alle gesetzlichen und juristischen Fragen hinweg kann der Weg für Marie-Josée Frank nur in Richtung eines konsequenten Ausbaus der Palliativmedizin gehen – in den Spitälern, aber auch außerhalb der Strukturen der Krankenhäuser: “Wir müssen auch der Tatsache Rechnung tragen, dass viele Menschen zuhause sterben wollen”.

Die Abgeordnete rückt in ihren Überlegungen das Menschliche in den Mittelpunkt. “Wir müssen uns wieder bewusst werden, dass der Tod zum Leben gehört”, betont Marie-Josée Frank und gibt zu, dass sich die Menschen in der heutigen, von Egoismus und Wohlstand geprägten Gesellschaft nicht mehr mit dem Elementaren auseinander setzen würden. “Der Tod hat keinen Platz mehr in der Gesellschaft”.

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Obwohl sich die Politik hier zu Lande schwer tut, verfügt das Land über ein breit gefächertes Angebot auf dem Gebiet der Palliativbetreuung. Sei es in den Kliniken, wo entweder separate Stationen eingerichtet sind oder aber ambulante Teams die Betreuung wahrnehmen, sei es vor Ort, wo die in der Heimpflege engagierten Vereinigungen eine unentbehrliche und wertvolle Arbeit verrichteten, zeichnet Frank den Betreuungsreigen auf. In absehbarer Zukunft wird diese Kette um ein Glied erweitert. In Hamm soll nämlich ein Hospiz entstehen. Die dafür notwendige Konvention zwischen dem Familienministerium und Omega 90, jener Organisation, die in der Palliativmedizin hier zu Lande Pionierarbeit geleistet hat, ist bereits unter Dach und Fach. “Dieses Hospiz ist ein weiteres Teil im Puzzle der Palliativbetreuung. Dort sollen in der Endphase ihres Lebens jene Menschen untergebracht werden, die einerseits nicht in einem Krankenhaus unter ständiger Beobachtung stehen müssen, die andererseits aber nicht mehr in ihrem Zuhause leben können”, erklärt Marie-Josée Frank.

Patientenverfügung

Ein weiteres wichtiges Puzzle-Teil stellt die so genannte Patientenverfügung oder directive anticipée dar. Darin setzt sich ein Mensch mit der Art und Weise auseinander, wie die letzten Etappen seines Lebens verlaufen sollen. Marie-Josée Frank sieht darin ein wichtiges Dokument, das eine wertvolle Entscheidungshilfe darstelle – für den Patienten, für seine ärztlichen Betreuer und vor allem auch für seine Familienangehörigen, die im Angesicht des Todes überfordert seien.

In ihrer Eigenschaft als Bürgermeisterin von Betzdorf hat die engagierte Sozialpolitikerin bereits Informations- und Sensibilisierungsaktionen für die Patientenverfügung organisiert. “Dabei wollen wir erreichen, dass sich die Bürger mit dem Wunsch nach der Art des eigenen Sterbens beschäftigen”. Wohl wissend, dass der Umgang mit diesem Thema sehr viel Menschlichkeit und Fingerspitzengefühl erfordert, unterstreicht Marie-Josée Frank, dass das Dokument richtungsweisend und entlastend für Patient und Angehörige sei – und “dazu beiträgt, dass der letzte Wille eines Patienten respektiert werde.”

Quelle: Wort, 3. Oktober 2005, Journalist Marc Schlammes