Der CSV-Abgeordnete Lucien Thiel zeigt sich in einem Beitrag in der Börsen-Zeitung optimistisch, was die erfolgreiche Weiterentwicklung des Finanzzentrums angeht.
Der CSV-Abgeordnete Lucien Thiel zeigt sich in einem Beitrag in der Börsen-Zeitung optimistisch, was die erfolgreiche Weiterentwicklung des Finanzzentrums angeht.
Das Haus, das man Finanzplatz Luxemburg nennt, ist inzwischen kein Neubau mehr und hat auch schon den einen oder andern Fassadenanstrich hinter sich. Vierzig Jahre gehen halt auch an einem Gebäude nicht spurlos vorüber. Zumal wenn in diesen vier Jahrzehnten das Haus wiederholt die Bestimmung und mit ihr auch den einen oder anbdern Bewohner gewechselt hat.
Errichtet wurde es ja damals Mitte der 60er Jahre, als die deutschen Großbanken auf der Suche nach der Internationalität den kleinen Nachbarn Luxemburg als geeigneten Standort für ihre Expansion in den Euromarkt hinein entdeckten. Der hatte trotz seines Namens überhaupt nichts mit der heutigen Gemeinschaftswährung der Europäer zu tun. Er hieß nur so, weil er auf der für die damaligen Verhältnisse ungewöhnlichen Verwendung nationaler Währungen außerhalb ihrer Ursprungsländer beruhte. Die halbe Welt gab sich damals Stelldichein in Luxemburg um Großkredite in der jeweils gewünschten Währung aufzunehmen, die auf der andern Seite über den Weg von Schuldverschreibungen in den verschiedenen Devisen finanziert wurden.
Die ganzen 70er Jahre hindurch war die Paarung Euroobligationen-Eurokredite das große Geschäft des jungen Finanzplatzes, bei dem über 200 Bank aus aller Herren Länder über ihre Luxemburg-Töchter mitmischten. Dann jedoch knickte mit der internationalen Schuldenkrise Anfang der 80er Jahre das Eurogeschäft ein und musste schleunigst durch eine andere Tätigkeit ersetzt werden. So kam es, dass Luxemburg sich ins Privatkundengeschäft stürzte, das sich dank der günstigen Umstände in der westeuropäischen Wirtschaftsumgebung denn auch prächtig entwickelte und zum neuen Träger des Finanzplatzes wurde.
Fonds treffen Geschmack
Auf der Suche nach dem angemessenen Produkt für seine neue Klientel stießen die Luxemburger Banker Mitte der 80er Jahre auf die Investmentfonds, die offensichtlich genau den Publikumsgeschmack trafen und schnell zum Renner des Platzes wurden. Mit ihnen legte Luxemburg den Grundstein zu einer neuen Wachstumsphase, die nicht nur den Finanzplatz zum größten Fondsstandort außerhalb Amerikas hoch drückte, sondern auch wesentlich dazu beitrug, dass die Volkswirtschaft des kleinen Großherzogtums in den 90er Jahren an mitunter zweistellige Zuwachsraten heranrückte.
Keine Zeichen von Schwäche
In den letzten zehn Jahren hat sich das in Luxemburg verwaltete Fondsvolumen auf 1.250 Milliarden Euro verfünffacht, derweil der Anteil der Fondsindustrie mittlerweile ein Drittel des vom Finanzplatz eingefahrenen Gesamtumsatzes ausmacht. Dennoch ist Luxemburg weit davon entfernt, in eine Monokultur der Investmentfonds abzurutschen. Zwar hat die Zahl der Banken deutlich abgenommen und dürfte bis Jahresende auf 150 geschrumpft sein. Aber das ist eher auf die Restrukturierungswelle im Finanzsektor zurückzuführen als auf einen etwaigen Rückgang des Bankgeschäfts vor Ort. Das hat, nach einer leichten Abflachung in 2002 und 2003, inzwischen wieder angezogen und verzeichnete zwischen Mitte 2004 und Mitte 2005 über 7 Prozent Zuwachs. Unterm Strich, d.h. nach Abzug der Betriebskosten ergab sich übers Jahr gar ein Plus von 10,5%. – eine Wachstumsrate, die nicht gerade als Zeichen von Schwäche zu werten ist.
Bankgeheimnis verteidigt
Dabei hatten schon Voreilige den Platz nahe am Exitus gesehen, als es hieß, jetzt würden alle Steuersparer Europas zur Kasse gebeten und damit den Geldhorten wie der Schweiz und Luxemburg die Existenzgrundlage entzogen. Diese Prophezeiung scheint nicht in Erfüllung zu gehen. Denn obwohl die Zinsbesteuerung seit dem 1.Juli dieses Jahres europaweite Wirklichkeit ist, hat sich am Kundenverhalten und damit an den innereuropäischen Kapitalströmen kaum etwas geändert. Die Schweiz, Österreich und Luxemburg haben ihr Bankgeheimnis mit Erfolg verteidigt und dürfen weiterhin auf dieses spezielle Vertrauensband zwischen Kunde und Bank bauen – im Gegensatz zu den übrigen EU-Partnern, die sich für die Kontrollmitteilung und damit für den gläsernen Bankkunden entschieden haben.
Hauch von Aufbruch
Von Untergangsstimmung also keine Spur am Finanzplatz Luxemburg, eher schon von einem Hauch Aufbruchstimmung. Das hat auch damit zu tun, dass sich die Verantwortlichen – ob in der Regierung, der Verwaltung oder in den Banken – beizeiten die Köpfe über die Auswirkungen sowohl der Globalisierung als auch der europäischen Harmonisierung auf die Entwicklung ihres Platzes zerbrochen haben. Damals, in der zweiten Hälfte der 90er Jahre, mündeten die Überlegungen in eine Doppelstrategie nach dem Motto « Erhalt und Erneuerung”: Erhalt der herkömmlichen Standortvorteile wie dem Bankgeheimnis, dem Anpassungsvermögen und der steuerlichen Attraktivität, für die die gesunden Staatsfinanzen des Kleinstaats den nötigen Spielraum liefern; Erneuerung mit dem Ziel, für eventuell versiegende Einkommensquellen beizeiten Ersatz in neuen Produktnischen zu schaffen.
Typischer Nischenspieler
Marktnischen standen seit jeher und stehen unverändert weiter im Mittelpunkt der Entwicklungsstrategie des Platzes. Obschon achtgrößter Finanzplatz auf dem Globus, ist Luxemburg kein global player wie New York, London, Tokio oder auch Frankfurt. Luxemburg ist, allein schon von seiner Dimension und seinen Ressourcen her, ein typischer Nischenspieler, ein zwar hochkarätiger Finanzplatz, der sich jedoch auf Einzelsegmente spezialisieren muss, weil er sich außerstande sieht, die gesamte Finanzwelt zu umarmen.
Ein gutes Beispiel für eine glückliche Nischenpolitik liefert die Börse in Luxemburg. Sie macht keine Schlagzeilen wie ihre vom Fusionsfieber befallenen großen Schwestern im benachbarten Ausland, verzeichnet aber dafür Jahr für Jahr zweistellige Zuwachsraten und gilt heute, dem vorteilhaften Rechtsrahmen im Großherzogtum sei Dank, weltweit als Muss, wenn es um die Börsennotierung von Obligationen geht. 26.000 Bond-Titel (und 9.000 weitere Werte) werden heute hier gehandelt.
Goldenen Mittelweg finden
Bei einer solchen Nischenpolitik besteht die Kunst freilich darin, den goldenen Mittelweg zwischen Spezialisierung und Diversifizierung zu finden. Einerseits darf man sich nicht in zu vielen Geschäftsbereichen auf einmal breit machen, weil sonst die Verzettelung und damit der Abstieg in die Mittelmäßigkeit droht. Andererseits muss man in genügend Sparten präsent sein, um nicht kopflastig zu werden und sich einem einzigen Geschäftssegment auf Gedeih und Verderb auszuliefern. Wohin eine solche Monosegment-Strategie führen kann, wissen die Luxemburger nur allzu gut. Als Mitte der 70er Jahre die alles überragende Stahlindustrie im Kleinstaat in die Krise abrutschte, stand Luxemburg am Rande des Ruins und wäre zweifellos im Aus gelandet, hätte sein aufstrebender Finanzplatz damals nicht kurzerhand die Rolle des Ernährers der Nation übernommen.
Sechs-Pfeiler-Aufstellung
Aus dieser Erfahrung heraus, war man bestrebt, die Neuausrichtung des Finanzplatzes zwar in einer Nischenperspektive anzulegen, aber eine etwas breitere Mischung aus Geschäftsfeldern anzustreben. Das Ergebnis des Strategie-Brainstorming war eine 6-Pfeiler-Aufstellung, die sowohl den verschiedenen Kundenkategorien als auch den künftigen Marktnischen Rechnung trägt:
Aufgrund der Tatsache, dass das wirtschaftliche Rückgrat Westeuropas immer noch aus Klein- und Mittelbetrieben besteht und, von wegen Basel II, eben für diese Unternehmen der Zugang zum Kapital in Zukunft schwieriger und teurer zu werden droht, werden hier die Banken gleichermaßen als Berater, Begleiter und Geldgeber gefragt sein – eine neue Herausforderung für den erfahrenen Platz im Herzen Westeuropas !
Privatkunden sind seit langem in Luxemburg gern gesehen und fühlen sich offensichtlich hier auch gut aufgehoben. Aber der private Bankkunde von morgen wird andere Anforderungen an seinen Banker stellen als der Kunde von gestern. Er wird einen Rundum-Service verlangen mit Vermögensverwaltung, Anlageberatung und allem Drum und Dran – eine neue Herausforderung für die Privatbankiers und die Vermögensverwalter des Platzes !
Luxemburg ist unangefochtener Spitzenreiter in Sachen Fondsverwaltung mit einem beachtlichen Vorsprung auf die Konkurrenz. Doch weshalb sollte sich das angesammelte Wissenskapital auf die reine Backoffice-Tätigkeit beschränken, wo doch der Vertrieb und vor allem das Fondsmanagement womöglich noch einträglicher sind – eine neue Herausforderung für die Fondsspezialisten am Platz !
Luxemburg hat sich international einen Namen gemacht als Pionier der OECD-weiten Vermarktung von Pfandbriefen. Inzwischen verfügt es dazu über eine fortschrittliche Gesetzgebung für den gesamten Verbriefungsbereich, der ein weitläufiges Betätigungsfeld bietet – eine neue Herausforderung für die hochprofessionellen und flexiblen Finananzakteure des Platzes !
Die kontinentaleuropäischen Länder, die noch immer im Wohlfahrtsdenken Bismarckscher Prägung befangen sind, haben mit der Finanzierung der in ihrer jetzigen Ausrichtung unbezahlbar gewordenen Alterversorgung eine Riesenaufgabe vor sich. Luxemburg hat eine einmalig universale Pensionsfondsgesetzgebung, mit der man sich erfolgreich in den europäischen Pensionsmarkt einklinken kann – eine neue Herausforderung für den traditionell international ausgerichteten Platz !
Die Anwesenheit fast sämtlicher Bankmultis vor Ort hat Luxemburg in den Mittelpunkt eines weltumspannenden Netzwerks gerückt und die Luxemburg-Niederlassungen zu einer Art Zubringer für die Mutterhäuser gemacht. Das Outsourcen von spezifischen Dienstleistungen an die Luxemburger Töchter stellt diese vor neue Entwicklungsaufgaben, die in eine regelrechte Labortätigkeit für die Konzernzentrale münden kann – eine neue Herausforderung für die Tochterbanken am Platz !
Umfeldinfrastruktur stimmt
Es fehlt demnach nicht an Perspektiven für eine erfolgreiche Weiterentwicklung des Finanzplatzes. Wesentliche Voraussetzungen dazu sind erfüllt: das auf einer langjährigen Erfahrung im internationalen Finanzgeschäft aufgebaute Knowhow ist vorhanden, die Umfeldinfrastruktur, bis hin zur satellitengestützten Kommunikation, stimmt und die viel gepriesene Lebensqualität trägt das ihre dazu bei, hochkarätige Profis nach Luxemburg zu locken. Was freilich nicht heißen will, dass Infrastruktur und Ambiente nicht unablässig ausgebaut und adjustiert werden müssen.
Einer der entscheidende Standortfaktor ist und bleibt aber das steuerliche Umfeld. Wird man im fiskalischen Bereich von der Konkurrenz abgehängt, reichen alle übrigen Vorteile kaum noch aus, um diesen einen Nachteil wettzumachen. Da mögen sich die Hochsteuerländer noch so sehr über die Billigkonkurrenz ereifern und die Steuerharmonisierung (nach oben) beschwören – am Ende müssen sie sich doch den Gesetzen des Wettbewerb fügen, der – warum auch nicht ? – auch zwischen den Staaten spielen sollte.
Niedrige Steuern locken
Dank seiner chronisch gesunden Staatsfinanzen war das Großherzogtum bisher stets in der glücklichen Lage, die Steuern niedrig halten und seine mäßige Fiskalbelastung als Köder auswerfen zu können. Steuerliche Maßnahmen werden denn auch in diesem Herbst wiederum auf der Menükarte der Haushaltsdebatten in Luxemburg stehen, weil man sich bewusst ist, dass man, nicht zuletzt infolge der aggressiven Fiskalpolitik der neuen EU-Mitglieder, ins Hintertreffen zu geraten droht. Angedacht sind sowohl eine Reduzierung des Körperschaftssteuersatzes als auch die Abschaffung oder die Komprimierung der etwas antiquierten Besteuerung der Kapital- und der Fondseinlagen. Hinzu kommt die angekündigte Einführung einer 10prozentigen Abschlagsteuer auf Zinserträgen für gebietsansässige Privathaushalte bei gleichzeitiger Abschaffung der Vermögenssteuer.
Mit solchen Steuererleichterungen allein wird es allerdings nicht getan sein. Sie sind gedacht, um kurzfristig zu greifen und den fiskalischen Vorstößen der Konkurrenz die Spitze zu brechen. Auf Dauer jedoch verlieren sie ihre Wirkung, sei es, weil die Steuerspirale nach unten irgendwann am Ende ist, sei es, weil die politische Vernunft schon zuvor dem Fiskaldumping Einhalt geboten hat.
Auf Kompetenz-Power setzen
Für eine nachhaltige Entwicklung eignet sich demzufolge das Spiel mit der Steuerschraube kaum. Da bedarf es schon anderer Mittel und Wege, um sich dauerhaft einen Platz im Spitzenfeld zu sichern. Luxemburg hat sich für den wohl beschwerlichsten und langwierigsten, aber dafür auch langfristig ergiebigsten Weg entschieden, indem es auf die Power der Kompetenz setzt.
Ihren Ausdruck hat diese Orientierung in der Schaffung der Finanzhochschule Luxembourg School of Finance gefunden, die inzwischen in ihr drittes Jahr geht und ihre Heimstatt in der ebenfalls neu geschaffenen Universität Luxemburg gefunden hat. Die Luxembourg School of Finance, die vom Finanzsektor mitgetragen und mitgestaltet wird, bietet eine Postgraduate-Ausbildung an, die zu einem Master of Science in Banking and Finance führt. Doch der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit wird künftig bei der Forschung liegen. In erster Linie ihretwegen wurde die Luxembourg School of Finance ins Leben gerufen. Sie soll dem Finanzplatz nicht nur einen akademischen Unterbau mitsamt einer systematischen Verwaltung des angesammelten Fachwissens liefern, sondern ihm auch und vor allem zu jener Innovationskraft verhelfen, ohne die seine ambitiösen Zukunftspläne ins Leere zu laufen drohen.
Zu den fachlich versierten und anerkannten Handwerkern im Haus namens Finanzplatz Luxemburg gesellen sich also jetzt die Intellektuellen und Akademiker. Sie werden hier ihrer Forschungsarbeit nachgehen und im Auftrag der Platzakteure die Marktentwicklung ringsum beobachten und analysieren, um dann, der Nachfrage entsprechend, Finanzprodukte auszutüfteln. Ihr Fachwissen und ihre Innovationsfähigkeit werden das neue Fundament des Hauses bilden, das man Finanzplatz Luxemburg nennt. Dessen Zukunft dürfte damit wohl gesichert sein.
Quelle: Börsen-Zeitung, 10. September 2005