Kooperationsminister Jean-Louis Schiltz hofft im Gespräch mit dem Wort, dass die UN bei ihrem Gipfel kommende Woche ähnliche Fortschritte macht wie die EU unter luxemburgischem Ratsvorsitz.
D’Wort: Herr Minister, mit welchen Erwartungen reisen Sie nächste Woche zum UN-Gipfel nach New York?
Nun, der Millennium-Gipfel muss meiner Meinung ganz klar im Zeichen der Entwicklungszusammenarbeit stehen. Wir sollten es fertig bringen, nach außen zu vermitteln, dass Solidarität kein leeres Wort ist. Dass dies möglich ist, hat die Europäische Union unter luxemburgischem Ratsvorsitz vorgemacht, indem sie sich dazu verpflichtet hat, das Engagement bis 2010 auf 0,56 Prozent anzuheben und 2015 die 0.7-Prozent-Marke zu erreichen. In New York werden wir nun auf Ebene der Vereinten Nationen gefordert sein.
D’Wort: Wie reell sind denn die Chancen, dass die Kooperationshilfe kommende Woche einen qualitativen Sprung nach vom erfährt?
Kooperationshilfe dient der Konfliktbewältigung
Wir werden sehen, wie ernst es einzelne Staaten mit dem Prinzip der internationalen Solidarität und den acht Millennium-Zielen, allen voran die Halbierung der Armut bis Mitte des nächsten Jahrzehnts, meinen. Ich denke aber, dass mittlerweile allenthalben das Bewusstsein besteht, dass Entwicklungszusammenarbeit in vielen Fällen Hand in Hand geht mit der Stärkung der Menschenrechte und der Wahrung der inneren und äußeren Sicherheit. Kooperationshilfe dient dann auch der Konfliktbewältigung.
D’Wort: Welcher Zutaten bedarf es denn, um eine für beide Seiten, den reichen Norden und den armen Süden, Erfolg versprechende Entwicklungshilfe zu betreiben?
Wir brauchen natürlich die finanzielle und materielle Unterstützung, die über folgende drei Kanäle in die Dritt-Welt-Staaten fließt: bilateral von Land zu Land, multilateral via die Sonderagenturen und -programme der Vereinten Nationen und über die Nicht-Regierungsvereinigungen. Dann erscheint es mir wichtig, dass diese Entwicklungshilfe gewissen Qualitätskriterien und Prozeduren entspricht und gehorcht, durch die ein Plus an Effizienz erzielt wird. Daneben kommen wir nicht umhin, weltweit möglichst gerechte Handelsbedingungen zu schaffen und wir müssen darauf bedacht sein, dass in den Entwicklungsländern das Prinzip der good governance berücksichtigt wird. Dort wo die good governance stimmt, kommen wir in der Kooperationshilfe besser weiter. Insofern kann man Entwicklungszusammenarbeit mit Suppe kochen vergleichen. Es bedarf qualitativ und quantitativ einer angemessenen Mischung, um langfristig davon zu zehren.
D’Wort: Traurige Tatsache ist indes, dass diese Suppe nicht ausreicht. Und demzufolge werden die Entwicklungsländer nur dann wahrgenommen, wenn sie von Katastrophen und Konflikten heimgesucht werden. Beispiel Niger.
Die humanitäre Hilfe bei Notsituationen ist ein Teil der Entwicklungshilfe. Nur sollte es nicht so sein, dass wir nur als Feuerwehr in Aktion treten und auf die Konsequenzen einer Katastrophe reagieren.
D’Wort: Und dann auch noch spät reagieren.
Effiziente Rahmenbedingungen
D’Wort: Mit Blick auf das erwähnte Prinzip des guten Regierens (good governance) müssen Sie aber doch anerkennen, dass nicht alle afrikanischen Staatschefs als Vorbilder taugen.
Politische Fragen dürfen deshalb sicher nicht ausgeklammert werden. Sie sind Bestandteil der Kooperationshilfe. Allerdings dürfen wir nicht hingehen und Hilfe unterlassen – und damit ein leidendes Volk bestrafen, weil die politische Klasse ganz und gar nicht das Prinzip des guten Regierens respektiert! Es darf kein Automatismus zwischen Hilfeleistung und good governance bestehen. Wobei gutes Regieren ja zuerst bedeutet, dass die Politik in der Pflicht steht, das eigene Volk zu schützen. Gerade bei Krisen geschüttelten Ländern wird good governance jedoch mit Füßen getreten. Deshalb sollten wir auf UN-Ebene einen Rat für Menschenrechte und einen so genannten friedensbildenden Ausschuss ins Leben rufen, um in diesem Bereich auf adäquate Art zu agieren.
D’Wort: Bleibt die Frage, wie der Weg einer effizienten Entwicklungshilfe gestaltet werden soll.
Das ist in der Theorie eigentlich einfach. Die internationale Gemeinschaft muss die Rahmenbedingungen für eine wirkungsvolle Entwicklungshilfe schaffen, wozu z. B. die Sicherung von Basisdiensten wie Bildung, Gesundheit, Wasserversorgung und heutzutage auch der Zugang zur Informationsgesellschaft gehören. Die Länder der Dritten Welt müssen aber selbst Herr über ihre eigene Entwicklung bleiben und diese eigenständig formen. Anders ausgedrückt: Wir müssen ihnen aufs Rad helfen. In die Pedale treten sollen sie selbst.
Quelle: d’Wort, 7, September, Journalist Marc Schlammes