Mit historischen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Argumenten versuchte der Premierminister am Dienstag im Parlament, die Bedeutung der europäischen Integration für Luxemburg hervorzuheben. Seinen Einsatz für den EU-Verfassungsvertrag nannte er eine “Herzenssache”
Nach wie vor ist Europa ein Kontinent mit enormem Konfliktpotenzial. Dies stellte Premierminister Jean-Claude Juncker am Dienstag in der Sondersitzung der Abgeordnetenkammer fest. Das Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs vergangene Woche in Brüssel habe bewiesen, dass die einzelnen Mitgliedsstaaten derzeit “hemmungsloser” als zuvor versuchten, ihre nationalen Interessen durchzusetzen. Im EU-Verfassungsvertrag sieht der Premierminister das richtige Mittel, um den nationalstaatlichen Tendenzen innerhalb der Union Einhalt zu gebieten.
Mit historischen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Argumenten versuchte der Premierminister in seiner mehr als einstündigen Rede die Bedeutung der europäischen Integration für Luxemburg hervorzuheben. Die EU-Verfassung nannte er “gut für Luxemburg und gut für Europa”. Das Referendum am 10. Juli sei entscheidend für die Zukunft der Union. “Die ganze Welt blickt an diesem Tag auf Luxemburg. Noch nie hatte ein so kleines Land eine so große Rolle zu spielen”. Der Regierungschef will sich mit “Leidenschaft” dafür einsetzen, dass die Bevölkerung dem EU-Verfassungsvertrag zustimmt. “Das ist für mich eine Sache des Herzens”.
Ob der Vertrag jemals in Kraft tritt, wollte der Premierminister nicht mit absoluter Sicherheit bestätigen. Sollte es zu einer Neuaushandlung kommen, könne die Regierung bei einem günstigen Ergebnis der Volksbefragung aus einer Position der Stärke heraus verhandeln.
Juncker unterstrich die soziale Dimension der Union, die im EU-Verfassungsvertrag deutlich gestärkt werde. “Wir müssen uns gegen einen rücksichtslosen Markt zur Wehr setzen”, forderte der Premierminister. Wer nur ein leistungskräftiges, wirtschaftlich starkes Europa fordere, dränge Europa in die falsche Richtung. “Wir müssen diejenigen in die Schranken verweisen, denen der Begriff Solidarität ein Graus ist”. Linken Verfassungsgegnern sprach Juncker den Willen ab, sich für die Interessen des Landes einzusetzen. “Wer unter dem Deckmantel eines sozialeren Europas EU-Mehrheitsbeschlüsse in den Bereichen Mehrwertsteuer und Rentenansprüche auf EU-Ebene fordert, spricht nicht im Namen Luxemburgs”, stellte der Premierminister fest.
Anerkennung für Junckers Rede
Die Redner von CSV, DP, LSAP, Déi Gréng und ADR zollten dem Premierminister Respekt für seine engagierte Rede. CSV-Fraktionschef Michel Wolter forderte die Verfassungsgegner dazu auf, einen Gegenentwurf zum Verfassungsvertrag als Alternative vorzulegen. “Selbst wenn sich Politiker unterschiedlichster Parteirichtung wie Laurent Fabius und Jean-Marie Le Pen auf eine gemeinsame Plattform einigen würden, würden die Bürger dem nicht zustimmen, da deren Vorstellungen nicht dem Europa entsprächen, das die Luxemburger sich wünschen”.
Wolters LSAP-Kollege Ben Fayot sprach die Risiken an, die der Ausgang des luxemburgischen Referendums für Europa birgt. Dennoch zeigte er sich zuversichtlich, dass die Bürger im entscheidenden Augenblick sich für den EU-Verfassungsvertrag aussprechen werden. “Luxemburg ist Europa auf eine andere Art und Weise verbunden wie etwa Frankreich oder die Niederlande. Wir sind darauf angewiesen, dass unsere großen Nachbarn miteinander auskommen”.
Signalwirkung für Europa
Die Signalwirkung des luxemburgischen Referendums für die Zukunft Europas sprachen Charles Goerens (DP) und François Bausch (Déi Gréng) an. Einen “wunderbaren Impuls” für Europa könnten die Luxemburger mit einem Votum für den Verfassungsvertrag abgeben, meinte der liberale Abgeordnete. Bausch wies auf die negativen Folgen hin, wäre es zu einer Verschiebung des Referendums gekommen. Damit hätten die nationalstaatlichen Kräfte, die sich vergangene Woche auf dem Gipfeltreffen in Brüssel hervorgetan hätten, unnötigen Auftrieb erhalten.
Mit den Stimmen von CSV, LSAP, DP und Déi Gréng verabschiedeten die Abgeordneten einen Leitantrag, in dem sie sich für das Referendum am 10. Juli und für den EU-Verfassungsvertrag aussprechen. Die Gründe, weshalb das ADR sich beim Votum enthielt, erläuterte Fraktionschef Gast Gibéryen.
Quelle: www.wort.lu