Die Zivilgesellschaft macht mobil

Ein Monat vor dem Referendum über den europäischen Verfassungsvertrag meldet sich die Zivilgesellschaft zu Wort: “Es gibt gute Argumente für den Verfassungsvertrag”.

VON MARC GLESENER

Mit einem Aufruf wollen 66 Persönlichkeiten aus der Zivilgesellschaft die Luxemburger für ein Ja am 10. Juli gewinnen. Die Initiatoren des Appells stellten gestern ihre Argumente für Europa vor. Der neuen RTL/ILReS-Umfrage nach gewinnt das Nein im Land jedoch an Terrain (plus sechs Prozentpunkte). Dennoch: 46 Prozent der Befragten sagen Ja zum Verfassungsvertrag. 38 Prozent wollen mit Nein stimmen. 16 Prozent der Umfrageteilnehmer sind unentschieden.

Der Verfassungsvertrag ebnet den Weg zu einem politisch, wirtschaftlich und sozial starken Europa. Deshalb sollten die Luxemburger am 10. Juli mit Ja stimmen. Das ist der Grundtenor der gemeinsamen Erklärung von 66 luxemburgischen Persönlichkeiten. Mit ihrem Appell wollen die Initiatoren der Aktion sich einen Monat vor dem Referendum in die Debatte um die Zukunft Luxemburgs in Europa einbringen.

Wie Mitinitiator Gilbert Trausch vor Journalisten erklärte, sei der neue Vertrag eine wichtige Etappe für die Weiterentwicklung eines wiedervereinigten Europas. Trausch erinnerte auch an die kruziale Bedeutung des Integrationsprozesses, dem eigentlichen Garanten der luxemburgischen Unabhängigkeit.

In dem “Appell der 66” wird vor allem auf die sozialen Aspekte im Vertrag hingewiesen, die die Grundlage für politische Aktionen im Sinne eines gerechteren Gesellschaftsmodells in Europa bilden. Ein negatives Votum würde einem Rückschritt gleichkommen. Es bleibe darüber hinaus höchst unwahrscheinlich, dass ein neuer Verfassungsvertrag, der auch der Einstimmigkeit bedürfen würde, eine Verbesserung bringen könnte, meinen die Unterzeichner des Aufrufs. Währenddem die Zivilgesellschaft mobil macht, wurden gestern auch die neuesten Umfragewerte in Sachen Referendum veröffentlicht. Binnen einem Monat konnte das Nein zulegen. Das Ja pendelte sich bei 46 Prozentpunkten ein. Klammert man die Unentschlossenen aus, ergibt sich folgendes Bild: 55 Prozent stimmen dem Vertrag zu, 45 Prozent lehnen ihn ab.

Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben werben fürs Ja beim Europa-Referendum am 10. Juli

Erny Gillen, Pierre Gramegna, Frank Hoffmann, Marie-Paule Prost-Heinisch, und Gilbert Trausch – das sind die fünf Initiatoren einer öffentlichen Aktion für den europäischen Verfassungsvertrag. Gestern stellten sie eine gemeinsame Erklärung von 66 Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben vor, die zum Ja am 10. Juli aufrufen. Zu den Unterzeichnern des Appells gehören vor allem Wissenschaftler, Sportler, Verantwortliche von ONGs und andere sozial engagierte Menschen.

Der verlängerte Arm der Regierung wollen sie nicht sein, die Initiatoren des “Aufrufs der 66”. “Das Gegenteil ist der Fall”, wie der Historiker Gilbert Trausch bei der Präsentation des Appells bemerkte. “Uns geht es nicht um eine politische Aktion. Wir wollen mit unserer Erklärung einen Monat vor dem Referendum einen Beitrag zur öffentlichen Debatte leisten. Unabhängig und jeder von uns in seinem persönlichem Namen”, so Trausch, für den positive Ansätze im Vertrag deutlich überwiegen. Bei seinen Ausführungen gab der Wissenschaftler zu bedenken, dass “die politische Existenz Luxemburgs erst durch die europäische Integration abgesichert werden konnte”. Daraus ergebe sich die historische Dimension des anstehenden Referendums.

Caritas-Direktor Erny Gillen erinnerte an die Definierung gemeinsamer Werte in dem Verfassungsvertrag. Das sei ein Novum im Sinne eines Europas der Menschen. “Aus der Montan- später der Wirtschaftsunion soll nun eine Wertegemeinschaft werden”, so Gillen, der auch die Festschreibung der sozialen Marktwirtschaft als klaren Fortschritt wertet. Das gilt auch für die Festlegung präziser sozialer und ökologischer Ziele als Grundlage für eine Politik im Interesse aller Menschen.

Der Chef der Handelskammer, Pierre Gramegna, warnte davor, die Auswirkungen der EU-Erweiterung von 15 auf 25 Mitglieder aus einem negativen Blickwinkel zu betrachten. “Für unsere Wirtschaft ist die Erweiterung eine ausgezeichnete Sache. Resultat ist ein Top-Markt für unsere Unternehmen”, sagte Gramegna und wies im gleichen Zusammenhang auf die positiven Entwicklungen in den osteuropäischen Ländern hin. Diese profitierten nun mit von der Dynamik, die Europa in 50 Jahren aufgebaut hat.

Wie Caritas-Mann Gillen beschäftigte sich der Direktor der Handelskammer auch mit der Verstärkung sozialer und ökologischer Aspekte im Vertragswerk. Das alles ist ein klarer Fortschritt, so Gramegna, für den ein Nein den Integrationsprozess stark abbremsen und sogar ins Schleudern bringen könnte. Für den Vorsitzenden des nationalen olympischen Komitees, Marc Theisen, sollte den Leuten verstärkt dargelegt werden, zu was ein Nein im Endeffekt führen würde, nämlich zu dem Europa, was wir heute kennen. Der Verfassungsvertrag dagegen bringe in einer ganzen Reihe von Politikfeldern klare Verbesserungen. So werde der Handlungsspielraum zuständigen Instanzen der Union ausgeweitet. Zum Beispiel bei der Sportförderung oder dem Schutz junger Sportler, wie der Jurist Theisen berichtete.

Marie-Paule Prost-Heinisch, die Präsidentin der Luxemburger Antikrebs-Stiftung, unterstrich bei ihren Ausführungen die Notwendigkeit einer starken EU auf internationaler Ebene. “Mit dem Vertrag werden die Weichen für eine effizientere, handlungsfähigere und daher auch nach außen hin stärkere Union gesetzt”, so die Mitunterzeichnerin des Appells fürs Ja.

Die Initiatoren des Aufrufs haben bewusst darauf verzichtet, Politiker, Gewerkschafter oder Vertreter von Glaubensgemeinschaften in die Aktion einzubeziehen. Aus Gründen der Neutralität, wie es hieß.

www.constitution-ok.lu

66 Namen – ein Ziel

Nachfolgend die Liste der 66 luxemburgischen Persönlichkeiten, die mit einer gemeinsamen Erklärung in ihrem persönlichen Namen fürs Ja zum europäischen Verfassungsvertrag werben:
Guy Aach, Henri Ahlborn, Serge Allegrezza, Charles Barthel, Hubert Bauler, Romain Bausch, Tom Bellion, Hubert Clasen, Alwin de Prins, Guy Dockendorf, Romain Ernst, Fernand Ernster, Danièle Faltz, Carine Federspiel, Liliane Fisch, Lily Gansen, Norbert Geisen, Erny Gillen, Pierre Gramegna, Hubert Hausemer, Marc Hengen, Frank Hoffmann, Jean-Claude Hoffmann, Maryse Hoffmann, Jean Hoss, Edmond Israël, Ginette Jones, Camille Kerger, Joseph Kinsch, Anne Kremer, Charles Krombach, Jean-Paul Lehners, Raymond Lies, Marc Limpach, Ger Maas, Roger Manderscheid, Jean Meyer, Charles Muller, Frantz-Charles Muller, René Nuss, Marc Olinger, Josianne Peiffer, Marienne Pesch-Dondelinger, Jean Petit, Paul Philipp, Patrice Pieretti, Gilbert Pregno, Marie-Paule Prost-Heinisch, Gérard Rasquin, Paul Reckinger, Isabelle Schaefers, Francis Schartz, Romain Schmit, Paul Schummer, Denis Scuto, Roger Seimetz, Patrice Silverio, Gaston Stein, Marc Theisen, Gilbert Trausch, Alex Weber, Nicole Weis, Marie-Anne Werner, Joé Wirtz, Michel Wurth.

Quelle: d’Wort vom 10. Juni 2005