3 Fragen an Lucien Thiel

Lucien Thiel war Berichterstatter zum Gesetz

Tageblatt: Welchen Stellenwert messen Sie dem neuen Gesetz bei?

Lucien Thiel: Eigentlich gibt man nicht gerne Vorteile auf, die man hat. Der Druck auf Luxemburg war jedoch zu groß. Da in Sachen Steuern in Europa einstimmig entschieden werden muss, konnten wir von zwei Übeln, das Schlimmste verhindern. Die Kontrollmeldung für alle hätte bedeutet, dass das Bankgeheimnis in Luxemburg verloren gegangen wäre.

Tageblatt: Die Geschichte vom halb vollen oder halb leeren Glas?

Lucien Thiel: Ein bisschen schon. Einerseits müssen wir jetzt eine Steuer einführen. Die soll später sogar sehr hoch werden, auch wenn dies definitiv noch nicht entschieden zu sein scheint. Auch das Backgeheimnis wird irgendwann verschwinden. Wann ist jedoch nicht gewusst. Die Schweiz, die ja mitmachen wird und wie wir für eine Quellensteuer optiert, will erst 2012 über weitere Schritte entscheiden.

Auf der anderen Seite jedoch ist der Druck weg. Der Kunde weiß, dass die Quellensteuer kommt, und er weiß, dass das Bankgeheimnis vorerst gewahrt bleibt. Auch wenn diesem schon lange nicht mehr der Stellenwert wie früher einmal zukommt, bleibt es ein Platzvorteil. Und jetzt ist es von allen anderen offiziell anerkannt. Niemand wird Luxemburg mehr vorwerfen können, mit unlauteren Mitteln zu arbeiten.

Tageblatt: Bringt das Gesetzt dem Finanzplatz Aufschwung?

Lucien Thiel: Die positive Entwicklung des Luxemburger Finanzplatzes ist vor allen Dingen auf das hier ansässige Know-how und auf eine innovative Nischenpolitik zurückzuführen, weniger auf das Bankgeheimnis. Wenn wir diese Politik weiter betreiben, sind wir sicher auf dem richtigen Weg. Wir haben zudem von den Fehlentscheidungen in anderen Ländern profitieren können. Deutschland hat die Befugnis, Einblicke in Konten zu gewinnen ausgedehnt. Nicht mehr alleine das Bundeskriminalamt hat diese Befugnis, sondern auch die Steuerbehörde.

Dadurch kommen viele Deutsche jetzt wieder nach Luxemburg. Nicht weil sie hier Schwarzgeld parken wollen, sondern weil sie mit dem Prinzip dieser massiven Einmischung des Staates in das Privatleben seiner Bürger nicht einverstanden sind.

Tageblatt, 13. April 2005