Die Globalisierung muss ein menschliches Antlitz erhalten

Kommentar von Marcel Oberweis

Almosen verderben die Seele des Gebers wie des Nehmers und verfehlen zu alledem ihren Zweck, denn sie verschlimmern die Armut.” Fjodor Dostojewski

“Eine andere Welt ist möglich” so lautete das Motto des Weltsozialforums in Porto Alegre, ähnliche Worte konnte man auch am Schluss des Jahrestreffens des Weltwirtschaftsforums in Davos hören. Die Mächtigen dieser Welt haben sich für mehr Solidarität mit den Armen ausgesprochen, insbesondere der afrikanische Kontinent, das Armenhaus der Welt, stand im Mittelpunkt des Geschehens. Von den 49 ärmsten Ländern der Erde liegen deren 33 in Afrika und noch nie waren so viele Afrikaner von der Hungersnot getroffen wie heute, ihre durchschnittliche Lebenserfahrung ist auf weniger als 45 Jahre gesunken.

“Einer der Skandale unserer Epoche ist es, dass wir Not nicht beseitigen, obwohl wir die Mittel besitzen”, so Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac am Davoser Gipfel. Was jetzt benötigt wird, ist ein Mobilisierungsplan gegen das Weltelend. Die internationale Gemeinschaft hat sich angesichts der immer noch erschreckend hohen Zahl verarmter Menschen dazu verpflichtet, die Anzahl der Betroffenen bis zum Jahr 2015 zu halbieren. Zur Erreichung der internationalen Ziele der Armutsbekämpfung sind gewaltige Anstrengungen notwendig. Die “Millennium Development Goals” verpflichten uns, anspruchsvolle Entwicklungsziele in einem in historischen Maßstäben kurzen Zeitraum zu verwirklichen.

2,8 von den 6,3 Milliarden Menschen leben täglich mit weniger als 2 $, bedenklich, dass die industrialisierten Länder jährlich 900 Milliarden $ zum Schutz ihrer Grenzen aufwenden, jedoch nur 60 Milliarden $ an Entwicklungshilfe zur Verfügung stellen. Diese Finanzmittel werden lediglich zum Tilgen und Verzinsen der Riesenschulden der Entwicklungsländer gebraucht, fast nichts bleibt für die Realisierung von konkreten Projekten übrig. Wirkt es demgegenüber nicht beschämen, dass die Vereinigten Staaten und Europa für Hundefutter etwa 35 Milliarden $ ausgeben.

Die wohlhabenden Industrieländer, unter ihnen auch Luxemburg, sind deshalb aufgerufen, sich in diesem globalisierten, jedoch nicht einfachen Prozess voll einzubringen. Ein besseres Leben für die minderbemittelten Menschen kann gewährleistet werden, wenn wir mehr finanzielle Mittel im Rahmen der Entwicklungshilfe bereitstellen, man spricht von 135 Milliarden $ anstatt wie derzeit 60 Milliarden $. Jeffrey Sachs, der Leiter des Milleniumprojektes 2015 meinte anlässlich der Präsentation des jüngsten Berichts in Berlin, dass wir es schaffen könnten, die extreme Armut in der Welt entfernen, wenn zumindest kurzfristig das viel gepriesene 0,7 % Ziel für alle Industriestaaten erreicht wird. Eine am Ziel der Zukunftsfähigkeit orientierte Politik muss deshalb den Anspruch erheben, auf die Globalisierung in ihren unterschiedlichen Dimensionen gestaltend einzuwirken und auf internationale Übereinkünfte zur Abwendung von globalen Risiken hinzuwirken. Es gilt, die begrenzten Ressourcen fokussiert einzusetzen und durch die Kooperation mit anderen Akteuren eine möglichst große Hebelwirkung zu erzielen.

Fragt man nach der internationalen Bedeutung der Entwicklungsländer, so deutet ein erster Blick darauf hin, dass unsere Welt derzeit von den nicht industrialisierten Ländern geprägt ist. Mehr als drei Viertel der Staaten dieser Erde zählen zu den Schwellen- und Entwicklungsländern, die auch in den Vereinten Nationen eine überwältigende Mehrheit stellen. In diesen Ländern leben mit beinahe 4,5 Milliarden Menschen etwa vier Fünftel der Weltbevölkerung, sowohl ihre absolute Zahl als auch ihr prozentualer Anteil nehmen weiter stark zu. Im Gegensatz dazu beträgt der Anteil der Entwicklungsländer am Bruttosozialprodukt der Welt weniger als nominell etwa ein Fünftel. Die sich in diesen Zahlen andeutenden Unterschiede der Lebenschancen in Entwicklungsländern im Vergleich zu Industrieländern werden von vielen Beobachtern als die soziale Frage und gefährliche Hypothek für das 21. Jahrhundert eingestuft.

Da die meisten Entwicklungsländer geographisch im Süden liegen, wird das extreme Verteilungsgefälle zwischen Industrie- und Entwicklungsländern politisch verkürzt auch als Nord-Süd-Konflikt bezeichnet. Es ist indes eine traurige Tatsache, dass über viele Dekaden hinweg, sich in der “zweigeteilten Welt”, einerseits die Industrieländer “der Norden” und andererseits die Entwicklungsländer “der Süden”, gegenüberstanden. Dies betraf die Betrachtung ökonomischer Verflechtungen und Prozesse ebenso wie die der internationalen politischen Beziehungen. Diese grobe Zweiteilung der Welt hat ihre Wurzeln in Kolonialismus und Entkolonialisierung und in der strategischen Positionierung der “Dritten Welt” in der Zeit des Kalten Krieges. Die “Peripherie des Südens” verharrte in der weltweiten Arbeitsteilung weitgehend in der Position des Lieferanten von Rohstoffen und ressourcennahen Gütern sowie des Importeurs von zunehmend komplexeren Produkten; bei der Entwicklung der Produktionskapazitäten waren die Entwicklungsländer auf Technologiegeber des Nordens angewiesen. Die Wahrnehmung von Abhängigkeit und der eigenen Entwicklung abträglichen Austauschbeziehungen auf dem Weltmarkt führten daher oft zu einer mehr oder minder offenen Frontstellung zwischen Süd und Nord.

Tatsächlich kam es in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zu einer zunehmenden Ausdifferenzierung der “Dritten Welt”. Während es einzelnen Entwicklungsländern gelang, in relativ kurzer Zeit zur Gruppe der Schwellenländer und sogar der Industrieländer aufzuschließen, verharrten andere auf einem niedrigen Stand der Humanentwicklung bei geringem Wirtschaftswachstum und ohne einen technisch-industriellen Modernisierungsprozess einleiten zu können. Insbesondere in Afrika waren es die kriegerischen Auseinandersetzungen, die Aids-Krankheit und die politischen Turbulenzen, welche den dringen benötigten wirtschaftlichen Aufschwung verhinderten.

Denn unter den Bedingungen zunehmender globaler Konkurrenz hängt die Frage, ob ein Land oder ein Kontinent den erreichten Entwicklungsstand mittelfristig halten oder ausbauen kann, in hohem Maße von der Wettbewerbsfähigkeit seiner Ökonomie ab. Die Schulklassen sind überfüllt. Die grundlegende Infrastruktur ist schlecht. Das allgemeine Sozialversicherungswesen ist im Zuge der Wirtschafts- und der Aidskrise zusammengebrochen. Die armen Länder in Afrika können sich die benötigten Investitionen allein nicht leisten, weder die Investitionen in die Menschen, in die Umwelt sowie in die Infrastrukturen. Afrika bleibt von Konflikten beherrscht und von Regierungen, die ihre Verantwortung für die hausgemachten Probleme dankend an den westen delegieren.

Die Bekämpfung der Armut

Eine Auswertung der Daten über die internationalen Flüsse von “Official Development AID” zeigt, dass der Zufluss von finanziellen Mittel in allen Entwicklungsländern und dementsprechend deren Wichtigkeit in der Welt seit Jahren stark abnimmt. Anders jedoch die Schwellenländer, welche katalytische Wirkungen und Vorbildfunktion für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Dynamik in ihrer Region und insbesondere für die umgebenden Entwicklungsländer haben. Häufig stehen weniger fortgeschrittene Länder in der jeweiligen Region vor Herausforderungen, die in den Schwellenländern bereits erfolgreich gemeistert bzw. angegangen worden sind. Die Schwellenländer stellen ein Reservoir an Erfahrungen und spezifischem Know-how dar, dessen systematische Nutzung die Entwicklung in ihren Nachbarländern signifikant beschleunigen und beitragen kann, Fehlentwicklungen zu vermieden. Die stärkere Globalisierung und wechselseitige Abhängigkeit der Länder sollte die internationale Solidarität steigern.

Jedoch stellt man mit Bedauern fest, dass wir uns jedes Jahr weiter von dem Ziel entfernen, die staatliche Entwicklungshilfe auf 0,7 % des Bruttoinlandsproduktes der Industriestaaten zu steigern. Zu Beginn eines neuen Jahrhunderts, das der Globalisierung gewidmet ist, stellt die Entschuldung die positive und dynamische Antwort auf die Öffnung und Integration aller verschuldeter Länder einschließlich der Länder mittleren Einkommens und kleiner Staaten in die Weltwirtschaft dar. Dieser Ansatz, mit der Verschuldung umzugehen, wäre auch die wirkungsvollste Lösung, um die Welle der armen Menschen, die in die reichen Länder schwappt, auslaufen zu lassen. Die Bekämpfung der extremen Armut wird vor dem Hintergrund der fortschreitenden Globalisierung und der sich vertiefenden sozialen Kluft zwischen Industrieländern und ärmsten Entwicklungsländern, als eine zentrale Aufgabe der Weltgemeinschaft verstanden.

Am Beispiel Afrika lässt sich dies zeigen, spielen doch die vielen Länder südlich der Sahara, außer Südafrika, so gut wie keine Rolle auf dem Globalisierungsparkett. Seit nunmehr 15 Jahren stagniert das Wachstum in Afrika trotz der von den Regierungen eingerichteten strukturellen Anpassungsprogramme. Indikatoren, die über den sozialen und gesundheitlichen Zustand Auskunft geben, weisen mittelmäßige Ergebnisse auf. Ihr Anteil am Welthandel liegt unter zwei Prozent, einen Wirtschaftsstandort Afrika kennt man eigentlich nicht. Aber einen Fortschritt in Afrika kann man nur erreichen, wenn gezielt und massiv in Sachen Frieden und Sicherheit investiert wird, zusätzlich müssen finanzielle Mittel für die Themen Bildung, Ernährung und Arbeit eingebracht werden. Der schnellste Weg, um Arbeit uns Stabilität in Afrika zu schaffen, ist wohl kein Königsweg, allemal verspricht er Hoffnung. Würde man die hiesigen Agrarsubventionen vermindern und die Märkte in den Industrieländern für Produkte aus Afrika öffnen, dann würden die afrikanischen Bauern 70 Milliarden $ pro Jahr mehr einnehmen, die Gewinne für die Bauern wären jedenfalls höher als die gesamte Entwicklungshilfe, die in diesen Kontinent einströmt.

Milleniumsziele mit Verantwortung angehen

1,3 Milliarden Menschen auf der Erde müssen unter desolaten Bedingungen ihr Leben fristen. Diese Zahl hat sich während der vergangenen zehn Jahre nicht nennenswert verändert und droht nun, in den nächsten Jahren weiter anzusteigen. Dies ist eine eindeutige Missachtung der Menschenwürde, Armut ist kein unabänderliches Schicksal, sie ist Menschen gemachtes Ergebnis ungerechter globaler Strukturen und ungerechter Herrschaftsstrukturen in den betroffenen Ländern.

Das Ziel der Weltgemeinschaft, weltweit die extreme Armut bis zum Jahr 2015 zu halbieren, ist wohl ehrgeizig, aber nicht utopisch. Es kann erreicht werden, wenn das Vorhaben als Gemeinschaftsaufgabe aller Menschen in unserer Welt begriffen wird. Grundlegende Bildungsmaßnahmen müssen angeboten und die Kindersterblichkeit reduziert werden. Obwohl es auf vielen Gebieten wichtige Fortschritte gegeben hat, darf nicht verkannt werden, dass die Chance, diese Zusagen zu erfüllen, immer kleiner wird. Regionale Abweichungen sind beträchtlich, Ostasien und der Pazifikraum haben den Zeitplan überholt, besonders bei der Armutsbekämpfung, aber andere Regionen hinken dem Zeitplan hinterher. Es herrscht Übereinstimmung, dass höhere Wachstumsraten erreicht und aufrechterhalten werden müssen, was den Bedarf an wesentlich höheren Investitionen impliziert, welche von den reichen Ländern finanziert werden müssen. Insbesondere die Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung stellen gravierende Probleme in den Entwicklungsländern dar und zählen aufgrund unzureichender formaler oder informeller sozialer Absicherungssysteme zu den Hauptursachen für die gravierende Armut. Armutsbekämpfung bedeutet deshalb die Ausrichtung der Schwerpunktvorhaben auf das Ziel, nachhaltige und produktive Beschäftigung zu schaffen. Die makroökonomische Schlüsselgröße für eine positive Beschäftigungsentwicklung ist das Wirtschaftswachstum. Allerdings geht es dabei nicht nur um rein quantitative Größen, vielmehr muss wirtschaftliches Wachstum so beschaffen sein, dass arme Bevölkerungsschichten daran breitenwirksam partizipieren können d.h. dass die durch Wirtschaftswachstum entstehenden Gestaltungs- und Verteilungsspielräume auch tatsächlich zur Verbesserung der Beschäftigungs- und Einkommenschancen arbeitsloser und unterbeschäftigter Bevölkerungsgruppen genutzt werden.

Nur durch produktive Arbeit sind Menschen in der Lage, dauerhaft ihren Lebensunterhalt und den ihrer Familien zu sichern. Die angemessene Beschäftigung ist dann gegeben, wenn Arbeitende im Rahmen ihrer Tätigkeit nicht diskriminiert oder in ihrer Würde verletzt und nicht unzumutbaren Risiken ausgesetzt werden. Es kann wohl aus ethischen Gründen nicht angehen, dass Unternehmen sich dorthin auslagern und sich über den lokalen Sozialdumping auf Kosten der Menschen vor Ort bereichern. Der Kampf gegen die Armut kann daher nicht getrennt werden von Bemühungen um die Gleichstellung von Frauen und Männern, Demokratisierung, guter Regierungsführung und der Beachtung von Menschenrechten sowie dem Schutz und der Erhaltung der natürlichen Ressourcen.

Was jedoch von wissenschaftlicher Seite diskutiert werden kann bzw. muss, ist die Frage, ob Entwicklungshilfe in ihrer gegenwärtigen Form überhaupt Armut reduziert und ob es gegebenenfalls bestimmte Sachzusammenhänge gibt, die eine Veränderung der Stoßrichtung der bisherigen Entwicklungshilfe zur Erhöhung der Armutswirksamkeit angezeigt sein lassen. Vermutlich ist nicht mehr, sondern weniger Entwicklungshilfe erforderlich? Möglicherweise wirken die Milliarden modernisierungshemmend, weil sie wohl die aktuelle Not lindern, aus der heraus Veränderungen erst erzwungen werden. Viel zu lange konnten sich die Staaten Afrikas auf das schlechte Gewissen der ehemaligen Kolonialmächte verlassen. Sie müssen selbst die Voraussetzungen resp. das Klima für erfolgreiche Investitionen schaffen, diese Bürde kann niemand ihnen abnehmen. Die Armen selbst tragen jedoch mit ihrem Engagement und ihrer Kreativität den entscheidenden Anteil im Kampf gegen die Armut, sie sind der wichtigste Teil der Lösung. Ohne dieses Klima werden die Jugendlichen ihre Heimat verlassen und sich auf den abenteuerlichen Weg hinauf zu den industrialisierten Länder begeben, um hier die Arbeitslosenheere zu vergrößern.

Die Vorstellung, bei Einsatz von genügend Geld würden die Probleme automatisch gelöst, ist aus des vorstehenden Zeilen mechanistisch und geht an der Wirklichkeit der Armen vorbei. Es soll auch bedacht werden, dass in keinem Land der Erde, auch den reichsten nicht, es gelungen ist, die Armut und ihre Folgen auszurotten. Nur dann können wir in Frieden und Wohlstand leben, wenn bittere Armut in weiten Teilen der Welt eingedämmt wird. “Gegen den Hunger in der Welt und für das Recht aller auf Nahrung wird eine breite moralische Mobilisierung der öffentlichen Meinung, insbesondere der Politiker in Ländern mit gehobenem Lebensstandard gefordert”. Mit diesen Worten anlässlich des Neujahrempfanges 2005 für das Diplomatische Corps, richtete Papst Jean-Paul II. einen warmen Appell an diejenigen, welche nun seit Jahrzehnten auf der Sonnenseite des Lebens stehen. In den kommenden Jahren muss die Menschheit den Quantensprung zu weniger Hass und Egoismus, jedoch zu mehr Gerechtigkeit und Solidarität schaffen.

Wenn wir aber mit dem mittlerweile abgeschwächten Bevölkerungswachstum Schritt halten möchten, dann bedarf es einer jährlichen Steigerung der Nahrungsmittelproduktion von etwa 2%. Um die Weltbevölkerung heute und in Zukunft mit Nahrungsmitteln zu versorgen, ist eine kontinuierliche Steigerung der Anbauflächen zur Produktionssteigerung unumgänglich. Leider gehen jeden Tag durch die Erosion, Misswirtschaft und Bebauung riesige Parzellen an gutem Ackerland verloren. Wie soll unter diesen Umständen den Milliarden schlecht ernährten Menschen Hilfe zugesichert werden. Gleichzeitig nutzen einige Länder die vorhandenen Wasserressourcen in einem das Erneuerungspotenzial deutlich übersteigende erlaubte Maß. Die unsachgemäße Bewässerung führt des Weiteren zur Zerstörung landwirtschaftlicher Flächen. Riesige Gebiete versalzen durch Ablagerung gebundener Mineralien und werden dauerhaft unbrauchbar für jede Form agrarwirtschaftlicher Nutzung, die Armut steigt erschreckend weiter.

Europa und sein afrikanischen Partner

Hat nicht die jüngste Tsunami-Katastrophe das Zusammengehörigkeitsgefühl von Millionen Menschen aller Glaubensrichtungen und Nationalitäten gezeigt, wie groß die Anteilnahme für die Leiden und Probleme der Hilfsbedürftigen ist. Die Tragödie in Südasien hat auf brutale Weise vorgeführt, dass Katastrophen keine Grenzen kennen, auch hat sie aufgezeigt, dass globale Bedrohungen auch globale Antworten bedingen. Nur durch eine konsequente Zusammenarbeit auf internationaler Ebene können wir die sich stellenden Herausforderungen meistern, seien diese naturbedingt oder vom Menschen verursacht. Man kann nur hoffen, dass die Weltgemeinschaft die gleiche Großzügigkeit auch jenen zuteil werden lässt, die nicht im Scheinwerferlicht der Medien stehen, die unsere Hilfe aber ebenfalls verzweifelt brauchen. Allein im Kongo sterben täglich 1000 Menschen an den Folgen von Krieg und Vernachlässigung, demzufolge jeden Monat ein Tsunami im Herzen Afrikas, doch niemand interessiert dies. 11 Kinder sterben pro Minute in den Drittweltländern aufgrund einer mangelhaften Ernährung, wie kann uns der tägliche Tod dieser 16.000 Kinder unberührt lassen.

Da es die Afrikaner eben nicht schaffen, obwohl ihre politisch Verantwortlichen dazu aufgerufen sind, ihre Probleme im Alleingang zu lösen, sollte Europa sich diesem Kontinent nun stärker zuwenden. Manche Teile Afrikas sind heute gewissermaßen in die Unentdecktheit zurückgesunken. Kriege, Krisen, Katastrophen, Korruption, Kriminalität, Kapitalflucht und Krankheiten begleiten den steten Niedergang und bieten keine Gewähr, in den Globalisierungsprozess eingebunden zu werden. Afrika hat förmlich den Anschluss verpasst, dies zeigt sich an nur einem Beispiel. Die Stadt Tokio hat mehr Telefonanschlüsse al der gesamte schwarze Kontinent. Wäre es demzufolge nicht an der Zeit, einen Pakt zu schließen, ähnlich jenem, welcher kürzlich mit den Ländern aus Lateinamerika geschlossen wurde. Es sollte uns alle berühren, den Menschen in Afrika wieder eine Perspektive zu geben.

Wenn uns an einer gerechten Welt gelegen ist, dann muss 2005 das Jahr der Armutsbekämpfung werden. Keine neuen Versprechen oder Worte, nein vielmehr nur Taten. Vor der europäischen Haustür wartet genügend Arbeit, hier gilt es die Armut zu überwinden. Die reichen Länder müssen sich bewegen und mehr Geld zur Verfügung stellen und parallel die Handelsschranken mit Afrika abbauen, wie es die Europäische Kommission unlängst formuliert hat. Hoffentlich gelingt es Europa als globalem Akteur, mit diesen Ländern noch vor dem WTO-Gipfel in Hongkong Ende 2005 zu einer Verständigung zu kommen.

Durch mehr Demokratie zu weniger Armut

Der Überfluss und die Ungerechtigkeit haben das 20. Jahrhundert geprägt. Während der vergangenen 40 Jahre hat sich das Welt-Bruttosozialprodukt verdoppelt, hingegen hat sich das wirtschaftliche Ungleichgewicht zwischen dem Zentrum und seinen Rändern verdreifacht. Die 25 % Reichen des Planeten vereinnahmen 80% der Naturressourcen, die Brosamen verbleiben für die anderen 75 % Benachteiligte. Das Nord-Süd Gefälle wächst und zwar rasant. Das Durchschnitts-Pro-Kopf BIP der 20 ärmsten Länder der Welt ist von rund 420 $ im Jahr 1982 auf 210 $ im Jahr 2000 gesunken. Das Durchschnitts-Pro-Kopf BIP der 20 reichsten Länder hingegen hat sich im gleichen Zeitraum von 10.500 $ auf 27.000 $ fast verdreifacht.

Die Entwicklungspolitik versteht sich heute als eine internationale Gemeinschaftsaufgabe. Sie verfolgt das Ziel, Strukturen und Globalisierung gemeinsam und kohärent zu gestalten und dabei die Entwicklungsländer als vollwertige Partner einzubeziehen. Das bedeutet, den Interessen von Entwicklungsländern in internationalen Organisationen wie der Weltbank oder der Welthandelsorganisation mehr Gewicht zu verschaffen. Das bedeutet, Handelsbarrieren, Zölle und Subventionen in den Industriestaaten weiter abzubauen und die eigenen Märkte für Produkte aus Entwicklungsländern zu öffnen. Das bedeutet, die Entschuldung der ärmsten Länder fortzusetzen.

Der Kampf gegen die Armut ist eine internationale Gemeinschaftsaufgabe, nie zuvor waren sich Nord und Süd in einem Entwicklungsziel so einig. Die Beseitigung der Armut und die Förderung der Demokratie stellen lange, schwierige Prozesse dar, bei denen es wohl immer wieder Rückschläge gibt. Aber diese Anstrengungen sollte man dem unvergleich schlimmeren Schicksal gegenüberstellen, das in Diktaturen zu ertragen ist: wirtschaftliche Stagnation, humanitäre Katastrophen, Ausbeutung, blutige Konflikte und Verelendung breiter Massen.

Es gibt nur eine Möglichkeit für die industrialisierten Länder, den Menschen in den Drittweltländern bei der Befreiung von diesen Lasten zu helfen. Wir müssen den demokratischen Aufbau zum zentralen Anliegen unserer Entwicklungshilfe machen, denn Entwicklungspolitik ist in der Tat auch Sicherheits- und Friedenspolitik.

Marcel Oberweis, CSV-Abgeordneter