Jean-Claude Juncker im ZDF-Interview: Es gibt eine unwahrscheinliche Solidaritätsbereitschaft unserer Bürger in allen Ländern der Europäischen Union, der Regierungen auch. Wir haben Mittel aufgestellt, die viel intensiver sind als dies normalerweise der Fall war…
ZDF:Wir sehen, Europa hilft den Opfern der Flutkatastrophe auf sehr vielfältige Weise und das kann man gar nicht genug loben, aber besonders stark sind die Europäer immer dann, wenn sie an einem Strang ziehen. Dafür haben sie die Europäische Union, deren Experten seit Tagen in den Katastrophengebieten unterwegs sind um sich einen Überblick zu verschaffen. Was wird wo, wie und wie schnell gebraucht, damit sind im Moment nicht nur die Brüsseler Beamten beschäftigt.
Das ist auch die erste Sorge des luxemburgischen Ministerpräsidenten Jean-Claude Juncker der seit Anfang Januar auch neuer EU-Ratspräsident ist und den begrüße ich jetzt ganz herzlich. Guten Tag, Herr Juncker.
Jean-Claude Juncker: Guten Tag.
ZDF: Herr Juncker, sind Sie denn zufrieden mit der Hilfe die in den letzten Tagen aus den europäischen Ländern, aus den Ländern der Europäischen Union geflossen ist?
Jean-Claude Juncker: Es gibt eine unwahrscheinliche Solidaritätsbereitschaft unserer Bürger in allen Ländern der Europäischen Union, der Regierungen auch. Wir haben Mittel aufgestellt, die viel intensiver sind als dies normalerweise der Fall war. Dies entspricht auch der aktuellen Lage in der betroffenen Krisenregion, wobei es wesentlich darauf ankommt, dass wir uns jetzt nicht nur auf das kurzfristig Geleistete konzentrieren, sondern dass wir uns darum bemühen, die Mittel so aufzustellen, dass wir auch in den nächsten Monaten und Jahren das notwendige Geld zur Verfügung haben.
ZDF: Nun kommt ja Kritik von der französischen Regierung die sagt, die Europäische Union habe zu langsam reagiert, zumindest in den ersten Tagen. Ist die Gemeinschaft tatsächlich noch unzureichend vorbereitet, um bei solchen Katastrophen schnell und effektiv helfen zu können?
Jean-Claude Juncker: Die Gemeinschaft ist nie so gut vorbereitet wie sie vorbereitet sein müsste, um auf derartige Herausforderungen adäquat reagieren zu können. Wir haben uns allerdings sehr darum bemüht. Der zuständige Kommissar für Entwicklungshilfe, der luxemburgische Entwicklungsminister befinden sich seit Tagen in der Region, um schnell vor Ort uns einen Überblick zu verschaffen. Wir haben die notwendigen Geldmittel zur Verfügung gestellt. Ich selbst nehme morgen an der Konferenz, die unsere asiatischen Kollegen organisiert haben, in Jakarta teil und werde klar und deutlich zum Ausdruck bringen, dass wir in Sachen Entschuldung, in Sachen Partnerschaft vom Kanzler angeregt, in Sachen Aufstellung einer schnellen Hilfstruppe in derartigen Fällen, in Sachen zur Verfügung stellen und Ko-Finanzierung eines Frühwarnsystems unsere Aufgabe übernehmen werden, von dem man nur bedauern kann, dass wir sie bis jetzt nicht übernommen haben.
ZDF: Das heißt, Sie werden den Vorschlag von Bundeskanzler Schröder, Patenschaften zu gründen zwischen Industrieländern und den betroffenen Staaten in der Region, unterstützen?
Jean-Claude Juncker: Ich habe mich gestern mit dem Bundeskanzler intensiv in der Frage beraten. Es ist der Wunsch, die Vorstellung des Bundeskanzlers, dass man über das Kurzfristige hinaus längerfristig über den Weg von Partnerschaften diese Hilfestellung auf europäischer Seite organisiert. Ich finde diesen Vorschlag vernünftig, zielorientiert und dauerhaft tragend.
ZDF: Europa hilft den betroffenen Staaten in Südostasien. Herr Juncker, danke für dieses Gespräch.
Jean-Claude Juncker: Bitte sehr.
Quellen: ZDF / heute in Europa vom 4. Januar 2005 – Service Information et Presse /SIP