Mit bewährter Mannschaft in Richtung Referendum und Kommunalwahl
“Bei uns herrscht weiter Aufbruchstimmung“, so François Biltgen, der mit knapp 99 Prozent am Samstag in Petingen wieder an die Spitze der CSV gewählt wurde.
Generalsekretär Jean-Louis Schiltz setzte sich mit 92 Prozent problemlos gegen seinen Herausforderer Guy Schaeffer durch. Premier Juncker beschwor die Delegierten, beim Europa-Referendum mit Ja zu stimmen.
Es war wohl kein Zufall, dass sich die Christlich-Sozialen in Petingen zum Nationalkongress trafen. Bei den letzten Gemeinderatswahlen 1999 holte der heutige Innenminister Jean-Marie Halsdorf dort die absolute Mehrheit.
Elf Monate vor dem nächsten kommunalen Urnengang wollte die Partei ein Zeichen setzen. Die “vague orange” vom 13. Juni soll sich im Oktober 2005 fortsetzen. Aber Jean-Claude Juncker musste seine Parteifreunde vertrösten. Man durchlebe einen atypischen Legislaturanfang, so der Premier. Die Ratspräsidentschaft wird ab Januar viele Minister vollauf beschäftigen.
Da bleibe nicht viel Zeit, um durch die Sektionen zu tingeln und Wahlkampf zu machen, entschuldigte sich Juncker bereits für seine Mannschaft. Die Partei scheint aber für die Prioritätensetzung ihres Spitzenteams vollstes Verständnis zu haben. Der Leader wurde wie üblich gefeiert und die Partei gratulierte dem “goldenen Schlitzohr” nachträglich herzlich zum 50. Geburtstag.
“Das Referendum zur EU-Verfassung ist wichtiger als die Parlamentswahl“, so der Premier. Auf allen Luxemburgern laste am 10. Juli eine schwere Verantwortung. Jeder habe das Schicksal des Landes in seiner Hand, wenn er über die europäische Verfassung abstimmt. Er sei zwar auch nicht mit allem zufrieden, wenn man aber das europäische Projekt voranbringen wolle, gebe es zum Ja keine Alternative.
Europa stelle große Erwartungen an die Luxemburger Ratspräsidentschaft. Die Reform des Wachstums- und Stabilitätspakts und die Finanzierungsperspektiven der Union 2007-2013 seien keine leichten Dossiers. Im Europa der 25 sei die Verhandlungsführung nicht unbedingt leichter geworden, der Austausch der Argumente würde des öfteren leiden, befand Juncker.
Kein Sozialdumping
Die Lissabon-Strategie müsse vorangetrieben werden, nicht nur um Europa zur Wissensgesellschaft werden zu lassen, sondern vor allem, um das europäische Sozialmodell auszubauen und zu erhalten. Unter Luxemburger Vorsitz habe Sozialdumping keine Chance, warnte der Premier.
Juncker nahm die Delegierten auf (s)eine kleine Weltreise mit. “Die Zukunft liegt in China“, klärte er seine Zuhörer auf. Seine Abstecher ins Reich der Mitte seien nötig, um die Visitenkarte Luxemburgs zu hinterlegen. Er erklärte seine Wende in Sachen EU-Beitritt der Türkei. Seit 1997 habe Ankara große Fortschritte in Sachen Demokratie gemacht. Daher sei es recht und billig, am 17. Dezember grünes Licht für ergebnisoffene Beitrittsverhandlungen zu geben. Die Luxemburger Ratspräsidentschaft wolle für eine neue Durchblutung der transatlantischen Beziehungen sorgen. Die Sprachlosigkeit der letzten Monate sei kein guter Zustand, sorgte sich der Premier. Was die Beziehungen zu Moskau anbelangt, solle man sich keinen Illusionen hingeben. Russland sei aber auf jeden Fall einzubinden. Zusammenfassend stellte der Regierungschef fest, Europa gehe schwierigen Zeiten entgegen.
Juncker blickte anfangs seiner Rede kurz auf die Parlamentswahlen zurück. “Obwohl wir die Wahlen haushoch gewonnen haben, sind wir nicht überheblich geworden“, erinnerte sich der Premier. Die CSV habe allen Grund sich ehrlich zu freuen. Seine Briefings könnten jedenfalls nicht für das Wahldebakel der DP herhalten. Der LSAP bescheinigte der CSV-Chef eine gute Zusammenarbeit, obwohl sich die Sozialisten immer noch wunderten, wie man trotz eines so schlechten Wahlergebnisses in Regierungsverantwortung gelangen könne. Innenpolitisch befürchtet Juncker, dass Strukturkonservatismus zur Staatsräson im Großherzogtum erhoben werde. Er machte eine Anspielung auf die Finanzierungsdebatte rund um die “Mammerent” und meinte an die Adresse von John Castegnaro, dieser solle seine Wut lieber an den LSAP-Genossen auslassen. Er habe auch keine Probleme mit Gaston Vogel. “Ich bin gewählt, er nicht“, so Juncker forsch.
Luxemburg müsse seine Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Der Fontagné-Bericht sei eine gute Vorlage, um diesen Prozess in Gang zu bringen. “Wir müssen umdenken, aber einen plumpen Sozialabbau wird es nicht geben“, so Juncker.
In diese Richtung hatte am Morgen bereits CSV-Fraktionschef Michel Wolter plädiert. Die Koalition werde die nötigen Reformen angehen. Die Politik verspreche interessanter zu werden, so Wolter.
Aus der Mitte des Volkes
CSV-Manager Jean-Louis Schiltz definierte die CSV als eine Partei “aus der Mitte des Volkes”. Neoliberale Diskussionen seien unangebracht. Die CSV stehe weiter für das Soziale, meinte Schiltz.
Der neue und alte CSV-Präsident François Biltgen freute sich, dass die Volkspartei eine Erneuerung in der Regierungsverantwortung hinlegen konnte. Die CSV habe ihre alte Stärke trotz einer veränderten Parteienlandschaft wiedererrungen. “Wir sind die einzig flächendeckende Volkspartei“, stellte Biltgen zufrieden fest. Er selbst und Schiltz wollen weitermachen, denn so Biltgen: “Never change a winning team“.
Außer dem Duo Biltgen/Schiltz wurden Marie-Josée Jacobs und Lucien Clement als Vizepräsidenten bestätigt. Georges Heirendt wird weiterhin für die Kassenführung zuständig sein, die von Susy Frantzen-Thill und Jean-Marie Raus kontrolliert wird. Als Mitglieder gehören dem Vorstand an: Ady Richard und Charel Schmit für den Bezirk Norden, Sylvie Andrich-Duval und Marc Spautz für den Bezirk Süden, Marcel Oberweis und Martine Stein-Mergen für den Bezirk Zentrum sowie Yves Wengler und Gast Bohnenberger für den Bezirk Osten.
Quelle: Luxemburger Wort vom 13. Dezember 2004