Minister Fernand Boden zieht im Gespräch mit dem “Luxemburger Wort” eine positive Bilanz seiner Mittelstandspolitik und verweist auf die spezifischen Anliegen dieses bedeutenden Wirtschaftszweiges
Der Mittelstand stellt einen bedeutenden Teil der Nationalwirtschaft dar. Im Gespräch mit dem “Luxemburger Wort” erinnert der zuständige Ressortminister Fernand Boden an die vielen Maßnahmen, die in den vergangenen fünf Jahren in die Wege geleitet wurden, um die Wettbewerbsfähigkeit der kleinen und mittleren Unternehmen in Luxemburg zu verbessern. Die Vereinfachung von verwaltungstechnischen Prozeduren sieht Fernand Boden dabei als eine ständige Herausforderung. “Viele neue Prozeduren sind eine Folge von immer komplizierteren Zusammenhängen”.
LW: Herr Minister, in dieser Vorwahlzeit melden sich Oppositionsparteien und Lobbyisten verstärkt zu Wort und fordern ein verbessertes Umfeld für kleine und mittlere Unternehmen. Was können Sie dem entgegnen ?
Fernand Boden: Zuerst einmal begrüße ich, dass nicht nur die Europäische Union, sondern auch die luxemburgischen Oppositionsparteien den für unsere Wirtschaft so wichtigen, kleinen und mittleren Unternehmen endlich die notwendige Aufmerksamkeit widmen. Das war nicht immer so und zeugt von einem Sinneswandel, der nur im Interesse des Mittelstandes sein kann.
Dieser Mittelstand hat sich vor allem in den vergangenen zehn Jahren prächtig entwickelt und stellt heute mit seinen rund 14 000 Unternehmen aus Handel, Handwerk, Horeca und etlichen liberalen Berufen sowie einer Beschäftigtenzahl von über 130 000 Personen, also rund 40 % der beschäftigten Bevölkerung, einen ganz bedeutenden Teil unseres Wirtschaftslebens dar. Er bietet nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch viele Ausbildungsplätze für unsere Jugend und trägt zu einem nicht unerheblichen Teil zu unserem Staatshaushalt bei, vor allem durch die Einkommenssteuer.
Die Entwicklung der Unternehmen, aber auch das wirtschaftliche Umfeld scheinen also nicht so schlecht zu sein wie manchmal behauptet wird.
Verdoppelung der Investitionstätigkeit
LW: Alles schön und gut, aber konkret, was hat die Regierung dazu beigetragen, dass der Mittelstand sich so entwickelt hat?
Fernand Boden: Der Mittelstand hat nicht nur durch seine wachsende Zahl an Unternehmen und vor allem an Beschäftigten an Bedeutung gewonnen, sondern er hat auch ganz massiv in den vergangenen Jahren investiert, also sich für die Zukunft gerüstet. Allein bei den Investitionen, die bei uns im Mittelstandsministerium gemeldet wurden, sind im Jahre 2003 mit mehr als 185 Millionen Euro doppelt so viele Investitionen verzeichnet worden als im Jahre 2000, das ja allgemein nicht gerade als ein mageres Jahr bezeichnet werden kann.
Diese Investitionen sind einerseits auf eine aktive Geschäftsführung der Unternehmen zurückzuführen, wurden aber auch stark begünstigt, sowohl durch unsere betriebsfreundliche Steuerpolitik – es sei daran erinnert, dass die Kollektivitätssteuer von 37,25 % auf rund 30 % herabgesetzt und Steuererleichterungen in der Gesamthöhe von 1,6 Milliarden Euro zugunsten der Betriebe und der physischen Personen getätigt wurden – als auch durch unsere großzügigen Investitionsbeihilfen. Beides sind wichtige Instrumente, um das Umfeld der Unternehmen attraktiv zu gestalten.
Nicht vergessen darf man in diesem Zusammenhang die sehr hohe Investitionstätigkeit der öffentlichen Hand. Ob Straßenbau, schulische Infrastrukturen, soziale Einrichtungen, Sportstätten, Wohnungsbaumaßnahmen, touristische Infrastrukturen und vieles mehr, sie alle haben dazu beigetragen, dass der luxemburgische Mittelstand, insbesondere der wichtige arbeitsintensive Bausektor, nicht über zu wenig Auftragsvolumen klagen konnten.
Des Weiteren haben die niedrigen Lohnnebenkosten und die günstigen Mehrwertsteuersätze sicherlich nicht unwesentlich zur Attraktivität des Standortes Luxemburg und zur Wettbewerbsfähigkeit unserer Betriebe beigetragen.
“Viel wurde unternommen”
LW: Es werden aber immer wieder Stimmen laut, die sagen, dass es nicht genügend unternehmerische Initiative in Luxemburg gibt, und dass von öffentlicher Seite nicht genügend gemacht würde, dem entgegenzuwirken. Was sagen Sie dazu?
Fernand Boden: Es wird immer Stimmen geben, die sagen dass nicht genug gemacht wird. Fakt ist jedoch, dass enorm viel unternommen wurde, um Betriebsgründungen und Betriebsübernahmen zu fördern und zu begleiten. Erstens sind da die staatlichen Hilfen, die von einem Betriebsgründer in Anspruch genommen werden können, zweitens muss ich die Instrumente der nationalen Kredit- und Investitionsgesellschaft SNCI erwähnen und drittens ist das Niederlassungsrecht ständig angepasst und erst ganz kürzlich grundlegend reformiert worden.
LW: Was bedeutet das konkret?
Fernand Boden: Über das Mittelstandsrahmengesetz können wir Betriebsgründer tatkräftig unterstützen und genau dieses Rahmengesetz haben wir vollkommen neu aufgelegt, um so Betriebsgründer, aber auch Investitionen in Umweltmaßnahmen, in Forschungsinitiativen und in die Lebensmittelsicherheit verstärkt und gezielt unterstützen zu können.
Die Instrumente der SNCI sind einerseits Ausrüstungskredite zu besonders interessanten Bedingungen und Startkapitalkredite, bei denen keine Garantien erforderlich sind, wenn das Projekt wirtschaftlich viel versprechend ist.
Das Niederlassungsgesetz wurde mehrmals an die wirtschaftliche Entwicklung angepasst, nicht nur im Handwerk und im Handel, sondern auch bei den so genannten liberalen Berufen. Berufsabgrenzungen wurden aufgehoben, Qualifikationsanfordernisse angepasst und etliche verwaltungstechnische Vereinfachungen eingeführt, im Sinne einer besseren und schnelleren Abwicklung der Anträge.
“Vereinfachung von Prozeduren bleibt ständige Aufgabe”
LW: A propos verwaltungstechnische Vereinfachungen: Wie steht es mit der so oft zitierten “simplification administrative”. Da besteht ja wohl noch Nachholbedarf, wenn man sich die Ausführungen verschiedener Berufsorganisationen in Erinnerung ruft.
Fernand Boden: Nun, ich habe gerade über das neue Niederlassungsgesetz gesprochen. Das bringt schon mal ganz sicher eine Vielzahl von Erleichterungen. Einerseits bei der Dauer der Abwicklung der Anträge, andererseits beim notwendigen Aufwand. Ummeldungen bestehender Unternehmen werden einfacher, Wechsel innerhalb verschiedener Handwerkstätigkeiten werden erleichtert, Wechsel innerhalb verschiedener Handelsbranchen unterliegen überhaupt keiner Beschränkung mehr, der Zugang zu Märkten wird vereinfacht, verschiedene Bescheinigungen werden überflüssig, alles in allem also eine ganz erhebliche Vereinfachung.
Sie haben allerdings Recht, wenn Sie sagen, dass die Vereinfachung verwaltungstechnischer Prozeduren eine permanente Aufgabe darstellt. Das bleibt eine andauernde Herausforderung. Viele neue Prozeduren sind eine Folge der immer komplizierteren Zusammenhänge, die unsere Zeit charakterisieren.
Auch die Europäische Union, trotz verschiedener Programme wie “Better Regulation” und “Mandelkern Report”, trägt nicht zu einer Vereinfachung unseres Verwaltungsapparats bei. Trotzdem will ich aber auch auf einige Lichtblicke in diesem Zusammenhang aufmerksam machen. Die Reform der Gesetzgebung über die Zahlungsfristen, die Reform über die Geschäftspraktiken und die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, die Reform des Handelsregisters, sie alle haben erhebliche Vereinfachungen für die Unternehmen zur Folge gehabt, über die heute kaum noch jemand spricht. Dies ist auch ein Zeichen, dass die Reformen ihr Ziel erreicht haben und als Erfolg gewertet werden müssen.
Diese Reformen sind allesamt Teil des Mittelstandsprogramms, das von der Regierung im Jahre 2001 beschlossen wurde, und von dessen über 100 Maßnahmen, allen Unkenrufen zum Trotz, alle wesentlichen Maßnahmen in enger Zusammenarbeit mit den Berufsorganisationen umgesetzt wurden; diese Feststellung kann von niemandem geleugnet werden.
Anliegen des Mittelstandes Rechnung tragen
LW: Eine letzte Frage Herr Minister. Seit etlichen Jahren besteht das Mittelstandsministerium als eigenständiges Ministerium. Die sozialistische Partei und auch die demokratische Partei haben im Wahlkampf erklärt, dass sie für eine Fusion vom Mittelstands- und Wirtschaftsministerium sind. Was ist Ihre Meinung dazu ?
Fernand Boden : Nun, ich glaube, auf eine ganz erfolgreiche Mittelstandspolitik zurückblicken zu können. Dies war unter anderem auch durch den bisher bestehenden Stellenwert des Mittelstandes innerhalb der Regierung möglich. Der Mittelstand hat ganz sicher seine spezifischen Anliegen und braucht eine besondere Aufmerksamkeit. Seine Sorgen und Wünsche sind oft nicht dieselben wie die großer internationaler Unternehmen.
Wie eingangs gesagt, ist er der größte Arbeitsplatzbeschaffer unserer Wirtschaft, spielt in der Berufsausbildung eine wichtige Rolle und trägt durch seine Kundennähe und Vielfalt an Produkt- und Dienstleistungen zur Verbesserung der Lebensqualität in allen Gegenden des Landes bei. Es scheint daher nicht abwegig zu sein, ein eigenständiges Mittelstandsministerium beizubehalten. Dies ist auf jeden Fall die Meinung der CSV sowie der meisten Berufsorganisationen.
Aus: Luxemburger Wort vom 5.6.2004