LW Interview mit Justizminister Luc Frieden über die innere sicherheit, die Asylpolitik und die internationale polizeiliche Zusammenarbeit
Als am vergangenen Freitag in Val Duchesse bei Brüssel die Justiz- bzw . Innenminister von Belgien, Deutschland, Luxemburg, den Niederlanden und Österreich eine gemeinsame Erklärung zur Vertiefung der Zusammenarbeit zwecks Bekämpfung von Terrorismus, grenzüberschreitender Kriminalität und illegaler Migration unterzeichneten, gab es aus dem Mund des österreichischen Innenministers Ernst Strasser anerkennende Worte für Minister Luc Frieden, der entscheidend mit am Ursprung dieser auch für andere EU-Mitgliedstaaten offenen Initiative steht.
“Wir leben in einer unsicheren Zeit”
Luxemburger Wort: Sehen Sie keine größere Gefährdung der inneren Sicherheit in Luxemburg?
Luc Frieden: Es ist ganz klar, dass wir in einer unsicheren Zeit leben, dies durch vorher unbekannte internationale Gefahren. Der Terrorismus beruht auf islamischem Fundamentalismus, wobei Luxemburg keine Insel ist. Da es die Sorge eines jeden Staates sein muss, die Sicherheit seiner Bürger zu garantieren, muss man tagtäglich auf präventiver und repressiver Ebene aktiv sein.
In dieser Hinsicht setzten wir verschiedene Maßnahmen um, von denen ich einige herausgreifen möchte. Im Bereich des Terrorismus erhielt Luxemburg eine Gesetzgebung , in der dieser als Straftat verankert wurde. Auf operationeller Ebene wurde dafür gesorgt, dass die mit der Terrorismusbekämpfung beauftragten Instanzen, wie der Geheimdienst, die Kriminalpolizei und die Justiz, besser und koordinierter vorgehen können. Dies sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene sowie nicht zuletzt auch zusammen mit anderen Ländern, wie z. B. den USA und der Schweiz.
Auf dem Gebiet der inneren Sicherheit wurde ebenfalls so etliches verwirklicht . Dabei denke ich vor allem an den wesentlichen Ausbau von Polizei und Justiz. So wurden deren Budgetkredite in den letzten fünf Jahren um 60 Prozent erhöht , während die Zahl der Polizeibeamten um 300 anstieg, der Justizapparat um 50 Mitarbeiter aufgestockt wurde und die Zahl der für schwere Kriminalität zuständigen Untersuchungsrichter auf 14 verdoppelt wurde.
Auch kam es zur Verabschiedung eines Gesetzes gegen Geldwäsche und zur Einführung des europäischen Haftbefehls. Vor kurzem brachte ich zwecks Verstärkung der effizienten Kriminalitätsbekämpfung ein Gesetzesprojekt in der Abgeordnetenkammer ein, bei dem es um die Einführung von DNA-Datenbanken geht, die erwiesenermaßen nützliche Instrumente z. B. bei der Aufklärung von Sexualverbrechen sind .
“Ein gutes Stück vorangekommen, aber …”
LW: Ja, aber welches sind die konkreten Resultate dieser Maßnahmen und reichen sie aus?
L. Frieden: Resultate sind da, denn die Kriminalität in Luxemburg hat in den letzten Jahren nicht zugenommen. Schwere Fälle von Kriminalität , wie beispielsweise die Angriffe auf Geldtransporte und die Überfälle auf Banken, konnten durch gesetzlich vorgeschriebene Schutzbestimmungen bekämpft werden.
Dass wir bei der Kriminalitätsbekämpfung ein gutes Stück vorangekommen sind, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass die Zahl der Häftlinge in Schrassig , die in den vergangenen Jahren im Jahresdurchschnitt bei 350 lag, mittlerweile um die 520 beträgt. Dies wiederum schafft ganz andere Probleme, und ich bin froh , dass während dieser Legislaturperiode das ausgebaute Gefängnis eröffnet werden konnte, so dass es dort nunmehr nicht an Platz fehlt.
“… die Herausforderungen werden nicht kleiner”
LW: Nach dieser Bilanz wollen wir die Frage stellen, wo in nächster Zeit die großen Herausforderungen liegen werden und wie dagegen angegangen werden soll?
L. Frieden: Meiner Meinung zufolge werden die Herausforderungen nicht kleiner werden, sondern dürften eher zunehmen.
Erwähnen möchte ich in diesem Zusammenhang drei Themenbereiche.
Da wäre zuerst die allgemeine Kriminalität, für die Luxemburg als wohlhabendes Land ein Anziehungspunkt ist. So müssen wir bereits im Vorfeld äußerst aktiv werden.
Sodann ist es der Terrorismus, wo in vielen Milieus der Wille, durch zahlreiche unschuldige Opfer unsere Gesellschaft zu zerstören, extrem stark ist. Demnach müssen wir uns in Europa und auch anderswo verstärkt um diese Problematik kümmern.
Drittens seien der Kampf gegen den Menschenhandel und die illegale Immigration genannt. Es handelt sich hierbei um eine neue Herausforderung, die es vor einem Jahrzehnt in diesem Ausmaß noch nicht gegeben hat. Mit ihr müssen wir uns weiterhin intensiv abgeben.
Wichtig scheint mir auch, dass wir uns nicht nur um die Täter, sondern in verstärktem Maße auch um die Opfer kümmern. In diesem Sinne habe ich bei der Staatsanwaltschaft einen Hilfsdienst für die Opfer von Straftaten eingerichtet . Auch ging ein Projekt auf den Instanzenweg, das den Opfern in der Strafprozessordnung mehr Informationsrechte einräumt und den Zeugenschutz vorsieht.
Wichtig erscheint mir auch der Hinweis, dass die Antwort auf viele der vorerwähnten Fragen in Europa liegt. Daher bemühte ich mich in den letzten Jahren, eine europäische Antwort zu finden. Die dabei auf die Bekämpfung der schweren Kriminalität und des Terrorismus verwandte Zeit war jedenfalls im Interesse Luxemburgs.
“Ganz aktiv in Ursprungsländern helfen”
LW: Bei der Asylantenfrage, mit der Sie viel zu tun haben, handelt es sich um keine leichte Aufgabe. Wo steuert Luxemburg in dieser Angelegenheit mit einem ausgeprägten menschlichen Aspekt hin?
L. Frieden: Wir haben es hier mit einem schrecklich schwierigen Thema zu tun, weil es um das Schicksal von Menschen geht.
Es wird am Prinzip festgehalten, dass das Recht auf Asyl für politisch Verfolgte bestehen bleibt. Es muss aber genau so klar sein, dass jemand, der kein Recht auf Asyl erhält, das Land verlassen muss.
Dies alles verlangt natürlich, dass die betroffenen Menschen ebenso mitarbeiten wie ihre Ursprungsländer. Daher führten wir erfolgreich intensivste Verhandlungen mit verschiedenen Ländern, so z. B. mit Serbien und Montenegro und Mazedonien . Wir müssen in Zukunft weiter auf Vereinbarungen mit den Herkunftsländern der Asylbewerber hinarbeiten.
Auch müssen wir die Asylgesetzgebung ein zweites Mal abändern, um zu einer Verkürzung der Prozeduren zu kommen. Auf den Antrag Luxemburgs hin konnten in Europa für verschiedene Fälle verkürzte Prozeduren beschlossen werden. Sie beziehen sich hauptsächlich auf Menschen, die aus so genannten sicheren Ursprungsländern kommen. Da aber das Problem der Rückführungen bleibt , müssen wir in Europa und Luxemburg mehr Rücknahmeabkommen mit den Ursprungsländern herbeiführen, was eine überaus schwierige Aufgabe ist.
Kleiner wird das Problem nicht, weil viele Menschen aus wirtschaftlichen Gründen zu uns kommen. Wenngleich jeder, der Asyl beantragt, in die Prozedur aufgenommen werden muss, kann es jedoch nicht so sein, dass jeder Antragsteller, der keine politischen oder religiösen Motive hat, den Status als Flüchtling bekommt.
Von wesentlicher Bedeutung ist es, dass das Problem der illegalen Immigration und des Asyls auch zu einer Lösung gebracht werden muss, indem wir ganz aktiv in den Ursprungsländern helfen, dies über den Weg der Entwicklungshilfe und durch die Unterstützung jener Länder, in die abgewiesene Asylanten zurückgeführt werden.
Für uns, und das ist ganz wichtiger Punkt, kann Asyl keine Umgehungsstraße für normale Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen sein.
Wir sind für eine geregelte Immigration, die auch den Realitäten des Arbeitsmarktes Rechnung trägt. Tut man dies nicht, dann kommt es zu sozialen Spannungen. Die Aufgabe der Politik besteht darin, dafür Sorge zu tragen, dass das Zusammenleben in einem Land – auch zwischen verschiedenen Gemeinschaften – möglich ist. Dies gelingt jedoch nur dann, wenn jeder sich an gewisse Regeln hält.
Für mehr Justiz- und Polizeikooperation
LW: Bedarf es keiner neuen Methoden zur Bekämpfung der zusehends internationaler werdenden schweren Kriminalität?
L. Frieden: Die Antwort auf die grenzüberschreitende Kriminalität besteht ganz einfach in mehr Justiz- und Polizeikooperation. Dies taten wir in den letzten Jahren systematisch in Luxemburg, indem wir uns beispielsweise ein Gesetz über die internationale Rechtshilfe gaben. Dies taten wir jedoch auch durch einen ganz aktiven Einsatz für die Schaffung eines europäischen Raumes der Sicherheit und der Freiheit.
Wir müssen zu einer gemeinsamen Definition für die Straftaten kommen und uns auf operationeller Ebene die Mittel geben, damit die Polizei- und Justizbehörden direkter und weniger kompliziert kooperieren können. Ein Beispiel in dieser Richtung ist der europäische Haftbefehl, doch haben wir kürzlich auch mit einer Reihe von europäischen Ländern vereinbart, die Angaben in den nationalen Polizeidatenbanken leichter mit den Nachbarländern austauschen zu können . Wenn nämlich jeder auf seinen Informationen sitzen bleibt, dann sind wir nicht auf derselben Höhe wie unsere Gegner. Der Staat soll aber weitestmöglich für die kollektive Sicherheit der Bürger sorgen.
Erinnert sei auch daran, dass zusammen mit Innenminister Michel Wolter Vereinbarungen über die polizeiliche Zusammenarbeit in den Grenzregionen getroffen wurden, was sich konkret in der Einrichtung von gemeinsamen Polizeistationen mit Belgien, Deutschland und Frankreich niederschlug. Diesen Weg müssen wir in Zukunft verstärkt weiter beschreiten.
Und der Gerichtsapparat?
LW: Inwiefern ist Luxemburgs Justizwesen den neuen Herausforderungen gewachsen ?
L. Frieden: Die bestehenden Programme müssen intensiv fortgesetzt werden , und wenn die Zahl der Affären weiterhin ansteigt, dann muss der Justizapparat personalmäßig weiter ausgebaut werden. Ebenso muss die Informatisierung der Gerichte verstärkt vorangetrieben werden.
Zweifellos wird auch der Bau der “Cité judiciaire”, zu der Bautenministerin Erna Hennicot-Schoepges und ich den ersten Spatenstich taten, dazu beitragen, dass die Justiz unter besseren Bedingungen arbeiten kann, was wiederum zu einer beschleunigten Erledigung der Affären führen dürfte.
Große prozedurale Änderungen sind nicht nötig, um den neuen Herausforderungen entgegenzutreten.
Erwähnenswert ist nicht zuletzt auch die Reorganisation der Kriminalpolizei , deren gezielte personalmäßige Aufstockung und die Verbesserung der Zusammenarbeit mit dem Justizapparat.
Das Interview führte LW-Redakteur Joseph Lorent
Luxemburger Wort vom 4.6.2004