Ministerin Marie-Josée Jacobs zieht im Profil-Interview Bilanz ihrer Regierungstätigkeit.
Fragen an Ministerin Marie-Josée Jacobs
“Ältere Menschen brauchen spezifische Infrastrukturen, sprich Alten- und Pflegeheime. Wie ist der Stand der Dinge?”
Marie-Josée Jacobs: “In der laufenden Legislaturperiode sind über 200 Millionen Euro, d. h. mehr als acht Milliarden Luxemburger Franken in den Neubau von Alten- und Pflegeheimen, bzw. in Renovierungen geflossen. Es stehen über 4500 Plätze zur Verfügung. Das entspricht mehr als sieben Prozent der Einwohner über 65 Jahre. Im Ausland liegt der entsprechende Prozentsatz in der Regel bei vier Prozent. Weitere 1350 Betten sind augenblicklich in Bau und Planung.
Wir haben das Angebot zügig erweitert. In der Legislatur wurden zwölf Gesetze zur Abstimmung gebracht, die den Neubau, den Ausbau, bzw. die Modernisierung von Alten- und Pflegeheimen beinhalten.”
Ausbau der Betreuung zu Hause und in der Familie
“Vor zehn Jahren waren 65-Jährige alt, heute beginnen wir bei den 75-Jährigen von Alten zu sprechen. Die Menschen gehen später in ein Altersheim. Doch auch vorher sind viele von ihnen auf ein gewisses Maß an Hilfe und Unterstützung angewiesen. Wie ist es mit der Betreuung zu Hause und in der Familie?”
Marie-Josée Jacobs: “Mit der Einführung der Pflegeversicherung ist es zu einer kräftigen Expansion gekommen. Wir haben das Netz von ambulanter Hilfe, die es älteren Menschen erlauben soll, so lange wie möglich in ihrem Eigenheim und in ihrer Familie zu verbleiben, zügig ausgebaut. “
“Mit der Zielsetzung …?”
Marie-Josée Jacobs: “Das Ziel ist es – und ich glaube, wir sind diesem Ziel in der laufenden Legislatur ein beträchtliches Stück nähergekommen – die Lebensqualität der älteren Mitbürger zu fördern, zur Aufrechterhaltung ihrer Autonomie beizutragen, ihre Teilnahme am gesellschaftlichen Leben sicherzustellen.
Hëllef doheem, Soins à domicile, Telealarm, Repas sur Roues, Tagesstätten, Clubs seniors … Es hat sich wirklich bemerkenswert viel Positives getan. Vor allem auch Dank dem persönlichen Engagement von Gemeindeverantwortlichen und Akteuren der Zivilgesellschaft.”
Finanzielle Sicherheit im Alter garantieren
“Es klingt, Frau Ministerin, wie wenn das spezifische Angebot zur Unterstützung und Betreuung der älteren Mitbürger praktisch komplett wäre. Alten- und Pflegeheime werden gebaut. Die ambulante Hilfe hat durch die Pflegeversicherung eine regelrechte Initialzündung erhalten. Kurz gesagt: Es hat den Anschein, als könne sich der in diesem Bereich zukünftig politisch Verantwortliche beruhigt zurücklehnen.”
Marie-Josée Jacobs: “Der Schein trügt. Wir sind mit einem Bevölkerungswandel konfrontiert, der uns vor gewaltige Herausforderungen stellt. Der zukünftige Familienminister oder die zukünftige Familienministerin werden zusehends gefordert sein, die Solidarität zwischen den Generationen aufrechtzuerhalten. Und zwar eine konkrete und im Alltag fassbare Solidarität. Es wird auch darum gehen, die finanzielle Sicherheit im Alter zu garantieren.
Ich denke da besonders an das im Abgeordnetenhaus zur Abstimmung gebrachte Gesetzesprojekt über den sogenannten “Accueil gérontologique”, d. h. der Pensionspreis in den Centres intégrés oder den Pflegeheimen, der nicht über die Pflegeversicherung abgegolten wird. Über den nationalen Solidaritätsfonds legt der Staat beim Accueil gérontologique, der ja nicht nur Kost und Logis, sondern eine qualitativ hochwertige und abwechslungsreiche Betreuung gewährleistet, monatlich bis zu maximal 1860 Euro d.h. 75000 Franken bei. Dies, wenn der Pensionär das nicht selbst bezahlen kann. Es ist auch wichtig zu erwähnen, dass wir darauf geachtet haben, dass der Pensionär auf jeden Fall ein monatliches Taschengeld von 354 Euro also cirka 14200 Franken zur freien Verfügung hat.
Wenn die Erbschaft der Kinder über 7,5 Millionen Franken beträgt, kann der Solidaritätsfonds die Rückerstattung beantragen. Das ist normal, weil der Solidaritätsfonds mit Steuergeldern, d.h. den Geldern der Allgemeinheit gespeist wird. Aber, unabhängig davon, wie viel über den Solidaritätsfonds für den Accueil gérontologique aufgewendet wurde, eventuelle Erbschaftswerte bis zu einer Höhe von 7,5 Millionen Franken tastet der Solidaritätsfonds nicht an.”
“Also doch noch das Bohren dicker Bretter in Sachen Generationensolidarität?”
Marie-Josée Jacobs: “Ja, weil unsere Gesellschaft auf der Solidarität zwischen den Generationen beruht. Wir sind gefordert, gegen jedes törichte Gerede, das den demographischen Wandel zu einem Generationenkonflikt hochstilisiert, resolut Einspruch zu erheben. Übrigens ist das nicht die Aufgabe einer bestimmten Person, sondern aller, die im öffentlichen Leben Verantwortung tragen. Es geht darum, deutlich zu machen, dass es die Älteren sind, die den in unserer Geschichte beispiellosen Wohlstand geschaffen haben – vor allem auch für die jüngeren Generationen.”