Profil-Artikel von Jean-Claude Juncker:Man kann es drehen und wenden wie man will: die Arbeitslosigkeit steigt”
“Man kann es drehen und wenden wie man will: die Arbeitslosigkeit steigt. Sicher: Wir sind weit entfernt von der Massenarbeitslosigkeit, die unsere deutschen, französischen und belgischen Nachbarn heimsucht. Aber 9 113 Menschen ohne Arbeit sind eine für Luxemburg bisher unerreicht hohe Arbeitslosenzahl.
Die Arbeitslosigkeit steigt obwohl von Januar 2003 bis Januar 2004 die Gesamtbeschäftigung sich von 270 639 auf 275 982 Arbeitsplätze verbesserte: Plus 5 353 ! Allein von Dezember 2003 bis Januar 2004 entstanden 1 253 neue Arbeitsplätze. Trotzdem zählten wir im Januar 2004 754 Arbeitslose mehr als im Dezember 2003. Verstehe wer kann: 1 253 Arbeitsplätze mehr, aber auch 754 Arbeitslose mehr.
Diese erratische arbeitsmarktpolitischen Bewegungen hat es früher auch schon gegeben. Und früher – bis 1999 -, als die CSV noch das Erziehungs- und Berufsausbildungsministerium “besetzte”, waren die Erklärungen für das Auseinanderklaffen zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt schnell zur Hand: Die verfehlte Schul- und Bildungspolitik der CSV war Schuld. So einfach war das. Und so einfach bleibt es.
Die CSV stellt den Erziehungs- und Berufsausbildungsminister nicht mehr, also kann die Schuld nicht mehr beim Bildungsminister liegen. Aber die CSV stellt immer noch den Arbeitsminister, also liegt die Schuld beim Arbeitsminister. Der Generalsekretär der LSAP hat die Hauptschuld an der arbeitsmarktpolitischen Fehlentwicklung definitiv und endgültig beim CSV Arbeitsminister angesiedelt. Getreu dem Motto: Die CSV ist zuständig für Fehlentwicklungen, die anderen sind die Glücksbringer.
Die Menschen im Lande – auch und vor allem die Arbeitslosen – wissen, dass die Verhältnisse nicht so sind wie die Sozialisten es gern hätten dass sie wären. Primäre Polemik und billige Schulzuweisungen sind der Lösung der Arbeitsmarktfrage nicht förderlich.
Wenn die Sozialisten morgen den Wirtschaftsminister stellen, gibt es keinen einzigen Arbeitsplatz mehr. Wenn sie morgen den Arbeitsminister stellen, gibt es keinen einzigen Arbeitslosen weniger. Das wissen die Arbeitnehmer. Das wissen die Arbeitslosen. Und das wissen auch die Sozialisten.
Was wir alle gemeinsam tun sollten, liegt auf der Hand: Wir sollten die arbeitsmarktpolitischen Instrumentarien, die wir haben, zur Anwendung bringen. Die von der CSV eingeführte “Préretraite- solidarité” würde, falls sie zur strukturellen Anwendung gebracht würde, Arbeitslosen Arbeit bringen.
Die von der CSV eingeführte Regelung, die betriebliche Arbeitszeitverkürzung finanziell von Staatswegen zu unterstützen, wenn sie zur Einstellung von Arbeitslosen führt, könnte arbeitsmarktpolitische Wunder bewirken, falls alle Sozialpartner sie wirklich wollten. Die von Arbeitsminister François Biltgen mit Nachdruck angemahnte betriebliche Arbeitszeitverkürzung zur Vermeidung von Entlassungen würde Arbeitslosigkeit verhindern. Deshalb sollten die Arbeitgeber diesen einfachen Weg nicht zubaggern.
Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit geht uns alle an: Sozialpartner und Regierung. Nicht nur die Regierung. Deshalb gehört die Arbeitsmarktfrage in den Mittelpunkt des gesamtpolitischen Tuns. Arbeit für Alle: Diese Forderung gehört nicht nur in den Mittelpunkt des Wahlkampfes, sondern in den Mittelpunkt der Gesamtpolitik.
Jean-Claude Juncker