Landesplanung, Gemeinden, Sicherheit, Wasserwirtschaftsamt …! Wichtige Reformen wurden umgesetzt, oder sind auf dem Instanzenweg! Innenminister Michel Wolter bilanziert an dieser Stelle die breit gefächerte Arbeit seines Innenministeriums:” Ja, wir haben wichtige Reformen umgesetzt, und zwar in den vier Politikbereichen, für die das Innenministerium verantwortlich zeichnet.”
Herr Innenminister Wolter, die Legislaturperiode nähert sich ihrem Ende. Rückblickend, sind Sie zufrieden mit der Arbeit, die unter Ihrer Verantwortung im Innenministerium geleistet wurde?
Ja, wir haben wichtige Reformen umgesetzt, und zwar in den vier Politikbereichen, für die das Innenministerium verantwortlich zeichnet. Im kommunalen Bereich möchte ich auf das neue Syndikatsgesetz und die Reform des Wahlgesetzes hinweisen, wo es u.a. in den Majorzgemeinden zur Abschaffung der Sektionen sowie der Stichwahlen kam.
Im Rahmen dieser Reform haben wir ebenfalls das aktive Wahlrecht auf kommunaler Ebene auf Nicht-EU-Bürger ausgedehnt. Zu erwähnen die maßgebliche Orientierungsdebatte über das Kompetenzverhältnis zwischen Staat und kommunalem Sektor.
Im Sicherheitsbereich wurden die hochgesteckten Ziele der Fusion von Polizei und Gendarmerie erreicht. Wir haben die Zahl der Polizeikräfte aufgestockt, in Material investiert und die Ausbildung verbessert.
In Sachen Landesplanung läuft die Umsetzung des Landesplanungsgesetzes von 1999. Das “Programme directeur” wurde im März vergangenen Jahres in der Abgeordnetenkammer diskutiert. Der “Plan sectoriel Lycées” steht. In Redingen wird Mitte dieses Jahres mit dem Bau des ersten Lyzeums begonnen, das den Vorgaben des sektoriellen Plans entspricht. Die Ausarbeitung der sektoriellen Pläne Bauschutt, Mobilfunkantennen, Transport und Wohnen steht kurz vor dem Abschluss.
Das Integrative Verkehrs- und Landesentwicklungskonzept (IVL) wird Mitte März präsentiert. Fortschritte sind schließlich auch bei den Regionalplänen zu verzeichnen. Mit der eingeleiteten Erschließung der Industriebrachen auf Esch-Belval ist ein Zukunftsprojekt par excellence in die Wege geleitet worden.
Das Wasserwirtschaftsamt, schließlich, erhielt Mitte Februar eine gesetzliche Grundlage. Im Sinne einer effizienten Wasserwirtschaft wurde die Bündelung der entsprechenden Kompetenzen, die bisher auf sechs Ministerien und fünf Verwaltungen aufgeteilt waren, geregelt.
- Herausforderungen thematisieren
Sie haben die Orientierungsdebatte über die Kompetenzaufteilung zwischen Staat und Gemeinden erwähnt. Das Verhältnis zwischen Staat und kommunalem Sektor ist, ebenso wie die Landesplanung, ein heißes Eisen. Fürchten Sie nicht Interessenkonflikte, die riskieren,im Vorfeld der Wahlen umso heftiger auszufallen?
Zukunftsfähige Gemeinden und eine Landesplanung, die den richtigen Rahmen setzt, um die großen Herausforderungen in den Bereichen Transport, Arbeiten, Wohnen und Schutz der natürlichen Umwelt zu bewältigen, sind zwei Problemstellungen, die sich nicht auf die lange Bank schieben lassen. Verantwortungsbewusste Politik bedeutet, Herausforderungen zu thematisieren, gemeinsam mit allen involvierten Akteuren, Lösungsvorschläge zu konzipieren und anschließend zu verwirklichen. Dies unabhängig von Wahlterminen.
Bei der Diskussion über die Neufestlegung der jeweiligen Verantwortungs- und Handlungsbereiche von Staat und Gemeinden geht es in erster Linie darum, zu gewährleisten, dass den Bürgern überall qualitativ hochwertige öffentliche Dienstleistungen zur Verfügung stehen. Wir wissen, dass die Leistungsfähigkeit kommunaler Dienstleistungen nicht ausschließlich, aber doch besonders von der Einwohnerzahl, der Größe und der geographischen Lage der Gemeinden abhängig ist. Unter diesem Blickwinkel gilt es, die regionale Zusammenarbeit auszubauen, Synergieeffekte zu fördern und freiwillige Fusionen wie bei den Gemeinden Fouhren und Bastendorf zu unterstützen.
- Landesplanung und kommunale Flächenplanung:
die zwei Seiten der gleichen Medaille
Die kommunale Selbstverwaltung ist mir und meiner Partei wichtig. Sie entspricht dem Subsidiaritätsgedanken, der einer der Grundprinzipien der CSV ist. Die Bürger fühlen sich in den Gemeinden zu Hause. Sie engagieren sich vor allem dort. Sie sind auch dort in Vereinen aktiv. Die Gemeinden sind der Dreh- und Angelpunkt des sozialen Lebens. Wir wollen die Gemeinden stärken, indem wir darauf hinwirken, jegliche Form überholter Kirchturmpolitik zu überwinden.
Aus dieser Logik heraus arbeiten wir auch an der grundlegenden Reform des 37er Gesetzes. Sie stellt auf kommunaler Ebene die Ergänzung zum Landesplanungsgesetz von 1999 dar. Landesplanung und die kohärente Flächen- und Raumplanung in den Gemeinden sind die zwei Seiten der gleichen Medaille. Wir arbeiten an einem klaren Regelwerk, das es den Gemeinden erlaubt, Baulandreserven anzulegen und eine aktive Bodenpolitik zu gestalten, die auf eine nachhaltige Raumordnung abzielt.
- Prinzip der kurzen Wege
Im Innenministerium ist auch die Landesplanung angesiedelt. Ein komplexes Thema, bei dem es schwer ist, die Übersicht zu behalten, weil es eine ganze Reihe von Politikbereichen berührt.
Das komplexe Thema, das übrigens in einem engen Zusammenhang mit der Kompetenzaufteilung zwischen Staat und Gemeinden zu sehen ist, erhält seine ganze Bedeutung, wenn man sich vor Augen führt, dass die Einwohnerzahl von Luxemburg in den letzten 15 Jahren um rund 100000 Personen gestiegen ist. Sie tragen zu unserem Wohlstand bei. Doch gemeinsam mit den “Alteingesessenen” brauchen sie Wohnungen und müssen sie mobil sein können.
Die Wohnungen, die gebraucht werden, müssen allen Lebensformen gerecht werden. Deshalb streben wir auf Neubauflächen eine bessere Durchmischung an. Wir wollen die Landschaft nicht zersiedeln. Beispielsweise wollen wir den Grüngürtel, der die Hauptstadt vom Süden trennt, erhalten.
Eine weitere zentrale Herausforderung in diesem Bereich ist die Mobilität. Um zu vermeiden, dass wir im Individualverkehr ersticken, haben wir uns das ambitiöse Ziel gesetzt, mittelfristig 25 Prozent des Verkehrs über den öffentlichen Transport abzuwickeln.
- Kernstück einer planmäßigen Gestaltung des Gesamtraums
Wie wollen Sie dieses hochgesteckte Ziel erreichen?
Das maßgebliche Instrument haben wir uns mit dem Landesplanungsgesetz von 1999 gegeben. Zu dem Gesetz gehört das “Programme directeur”, das im März vergangenen Jahres in der Abgeordnetenkammer diskutiert wurde. Es ist das Kernstück einer planmäßigen Gestaltung des Gesamtraums und sieht sechs Planungsregionen vor, die jeweils über ein oder zwei regionale Zentren verfügen. Hinzu kommen mit der Nordstad, Esch/Alzette und Luxemburg-Stadt drei große Entwicklungszentren.
Was wir damit anstreben, ist die konsequente Anwendung des Prinzips der kurzen Wege. Hin zu den regionalen Zentren mit einem breiten Angebot an Verwaltungseinrichtungen, Arbeitsplätzen, Gesundheitseinrichtungen sowie Schul- und Kulturinfrastrukturen. Gleichzeitig wird der öffentliche Transport so organisiert, dass die regionalen Zentren in ihrer jeweiligen Region optimal und effizient erreichbar sind.
- Raum- und Verkehrsplanung zusammenführen
Auf den Punkt gebracht: Wir wollen die übertriebene Konzentration auf Luxemburg-Stadt abbauen. Es ist das, was mit dem Begriff der konzentrierten Dezentralisierung gemeint ist. Ein weiterer zentraler Baustein in dieser Strategie: das Integrative Verkehrs- und Landesentwicklungskonzept (IVL).
Das IVL wird Mitte März vorgestellt. Einer seiner wichtigsten Schwerpunkte besteht darin, die Siedlungsentwicklung verstärkt am öffentlichen Verkehr auszurichten. Die Trennung zwischen Raumplanung und Verkehrsplanung wird weitgehend aufgehoben.
- Industriebrachen: Chancen nutzen
Sie haben es mehrmals gesagt. Eine Ihrer persönlichen Prioritäten ist die Erschließung der Industriebrachen im Süden des Landes.
Man kann die Chancen und die Möglichkeiten, die wir mit der Rekonversion der Industriebrachen haben, nicht genug betonen. Was sich uns bietet, ist die Möglichkeit, auf rund 650 Hektar neue innovative Wege zu beschreiten. In einem dicht besiedelten Gebiet können wir die Lebensfunktionen Wohnen, Arbeiten, Erholung und Bildung auf eine neue Weise miteinander verknüpfen. Neben der Konzentration der Funktion Arbeit auf Luxemburg-Stadt ist die räumliche Trennung der vorerwähnten Funktionen ja eine der Hauptursachen unserer Mobilitätsprobleme. Auf den Industriebrachen wollen wir zeigen, wie die räumliche Trennung aufgehoben werden kann und es gleichzeitig zu einem Gewinn bei der Lebensqualität kommt.
- Uni Lëtzebuerg, Rockhalle,
Nationalarchiv und neues Lyzeum
Wie ist der Stand der Dinge?
Auf den vier prioritären Standorten Belval-West, Ehleringen, Terre Rouge und Rodange gehen die Vorarbeiten zügig voran. Durch das Votum einer Reihe von Gesetzen besteht Planungssicherheit. Wir haben mit dem Gesetz vom 1. August 2001 die finanzielle Beteiligung des Staates an der Entwicklungsgesellschaft AGORA geregelt. AGORA ist verantwortlich für die praktische Umsetzung des Gesamtkonzeptes. Staat und Arcelor sind in ihr in gleichen Teilen vertreten.
Mit dem Gesetz vom 25. Juli 2002 wurde das Etablissement Public “Fonds Belval” geschaffen. Fonds Belval ist für die Realisierung der staatlichen Infrastrukturen auf Belval-West verantwortlich. Im November vergangenen Jahres votierte das Abgeordnetenhaus, das Gesetz das nötig ist, damit der Staat auf Belval-West das Gelände für die dort geplanten staatlichen Infrastrukturen erwerben kann. Ich spreche von dem benötigten Gelände für u.a. die Uni Lëtzebuerg, die Rockhalle, das Nationalarchiv, ein neues Lyzeum.
- Größere Fortschritte als erhofft
Doch Planungssicherheit besteht nicht zuletzt auch deshalb, weil die Gemeinden Sanem und Esch/Alzette ihre Genehmigungsprozeduren für die Flächen- und Raumordnung auf dem Industriebrachen-Areal zügig abgeschlossen haben. Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal betonen, wie hervorragend zwischen Gemeindeverantwortlichen, Arcelor-Vertretern und den involvierten Ministerien die Zusammenarbeit funktioniert hat. Wir haben einen gewaltigen Fortschritt im Dossier Industriebrachen. Einen Fortschritt, den vor vier Jahren niemand für möglich gehalten hätte.
Wie ist es mit konkreten Realisierungen?
Mit dem Verwaltungssitz der Dexia-BIL und der Rockhalle haben die ersten privaten und öffentlichen Baumassnahmen begonnen. Die Genehmigungsprozedur für einen Hotel-Neubau wird vorangetrieben. Die Gemeinde Sassenheim ist im Begriff, ein erstes Pilotprojekt im Wohnungsbau zu verwirklichen.
- Sicherheit verbessert
Sicherheit ist ein Thema, das den Menschen oben liegt. Als Innenminister ist in Ihrem Verantwortungsbereich ebenfalls die Polizei. Wie bewerten Sie die Entwicklung der vergangenen Jahre?
Auf der Grundlage der im Gesetz vom 31. Mai 1999 gebündelten Reformvorhaben haben wir den Ausbau von modernen und effizienten Sicherheitsstrukturen konsequent vorangetrieben. Die sechs Interventionszentren sind seit Herbst 2002 funktionsfähig. Die so genannte “police de proximité” wird zügig ausgebaut. Dabei wird auf die enge Zusammenarbeit mit den Gemeindeverantwortlichen geachtet. Die Police judiciaire, der im Kampf gegen die organisierte Schwer- und Wirtschaftskriminalität eine Schlüsselrolle zukommt, wird reorganisiert und personell aufgestockt.
Ist die Zahl der Polizeikräfte ausreichend?
Das Rekrutierungsprogramm läuft. Die Polizei ist von den für das laufende Jahr geltenden Einstellungseinschränkungen beim öffentlichen Dienst ausgenommen. Auch in diesem Jahr werden bei der Polizei 50 zusätzliche Posten geschaffen. Am Ende der Legislatur verfügen wir über 1400 Beamte. Seit Anfang 2000 ist dies eine …
- … personelle Steigerung der Polizeikräfte von 19 Prozent.
Wir haben die Ausbildung der Polizisten verstärkt und tragen damit der Tatsache Rechnung, dass sich die Polizeikräfte zusehends mit komplexeren Aufgaben konfrontiert sehen. Die Planungen, um eine adäquate und zentrale Infrastruktur für die unterschiedlichen Polizeidienste zu schaffen – die Cité policière auf Luxemburg-Verlorenkost – schreiten voran. Wir investieren des Weiteren in modernes Material. Die dafür vorgesehenen Budgetkredite haben sich seit 2000 mehr als verdoppelt. Schließlich kommt es in diesem Jahr auch zum definitiven Erwerb eines Polizeihubschraubers.
Eine andere Form von Sicherheit, aber ebenso wichtig, stellt ein modernes und effizientes Rettungswesen dar. Ich hoffe, dass das Gesetzprojekt über die Reform des Rettungswesens noch in dieser Legislatur im Abgeordnetenhaus zur Abstimmung gelangt. Es ist ein wichtiges Gesetzesprojekt, weil es die gesamte Bevölkerung betrifft. Sie ist auf leistungsfähige Hilfsdienste bei Notfällen angewiesen. Andererseits regelt es den Einsatz der rund 10000 Freiwilligen von Feuerwehr und Protection Civile.
- Konsequente Wasserpolitik
Herr Minister Wolter, zu kontroversen Diskussionen gab kürzlich die Schaffung des Wasserwirtschaftsamtes Anlass. Ihr Standpunkt?
Bei der Schaffung des Wasserwirtschaftsamts handelt es sich in erster Linie um eine effiziente Wasserwirtschaft sowie den Schutz unseres Trinkwassers und unserer Trinkwasserreserven. Dadurch, dass die entsprechenden Kompetenzen, die bisher in sechs Ministerien und fünf Verwaltungen angesiedelt waren, in einer Struktur zusammengeführt werden, wird bei der wichtigen Wasserthematik eine effiziente und globale Herangehensweise sichergestellt. Eine globale Herangehensweise, die den qualitativen und quantitativen Aspekt der Wasserversorgung ebenso abdeckt wie die ökologische und sozio-ökonomische Funktion des Wassers. Das Wasserwirtschaftsamt bedeutet einen Synergieeffekt, der dem Konsumenten und der Umwelt nützt. Des Weiteren verfügen wir nun auch über die notwendige Grundlage zur Umsetzung der europäischen Richtlinie über die integrierte Wasserwirtschaft.
Mit der Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für das Wasserwirtschaftsamt ist es dann auch darum gegangen, das Statut und die Karrieren von rund 100 Beamten und Angestellten zu regeln.
Das Wasserwirtschaftsamt fügt sich in die konsequente Wasserpolitik des Innenministeriums ein. Über das Kläranlagenprogramm investieren wir jährlich 25 Millionen Euro in den Neubau, die Renovierung und Modernisierung von Kläranlagen. Als ein Beispiel dieser Politik möchte ich das Gesetz vom 12. August 2003 erwähnen. Dieses Gesetz regelt die staatliche Beteiligung am Bau einer Kläranlage am Stausee. Da der Stausee von nationaler Bedeutung für die Trinkwasserversorgung des Landes ist, beteiligt sich der Staat mit 59 Millionen Euro – 90 Prozent der Gesamtkosten – am Bau dieser Kläranlage für 31 Ortschaften aus acht Gemeinden.