Luxemburger Wort-Interview mit der Präsidentin des Chancengleichheitsausschusses Ferny Nicklaus-Faber zur Orientierungsdebatte betreffend die Mitte der neunziger Jahre geschaffene Chancengleichheitskommission im Parlament.
Luxemburger Wort: Wie fällt ihre persönliche Bilanz nach acht Jahren an der Spitze der Kommission für Chancengleichheit aus?
Ferny Nicklaus-Faber: Ich denke, dass wir als Kommission mit unserer Arbeit dazu beigetragen haben, dass die Frauen heute in allen Bereichen der Gesellschaft als selbständige Wesen wahrgenommen werden. Darüber hinaus glaube ich, liegt unser Verdienst darin, Missstände aufgegriffen und thematisiert zu haben. Beispielsweise die häusliche Gewalt, wo im vorigen Jahr eine Gesetzvorlage verabschiedet wurde.
Das Beste für das Kind
LW: Welcher Aspekt hätte ihrer Meinung nach stärker behandelt werden müssen?
F. Nicklaus-Faber: Ganz eindeutig die Rolle des Kindes. Meiner Meinung nach haben wir uns bei allen Aspekten, die wir im Laufe der Jahre behandelt haben, zu sehr auf die Rolle der Frau konzentriert und dabei viel zu selten auch das Wohl der Kinder angesprochen. Es wäre sicher interessant, all jene familienpolitischen Maßnahmen der vergangenen Jahre mit ihren Auswirkungen auf die Kinder unter die Lupe zu nehmen. Dabei sollte die Frage lauten, was das Beste für das Kind sei.
Leichte Verbesserung
LW: Die politische Partizipation der Frauen war Gegenstand der Debatte im Jahr 2000. Wie sehen Sie die Aussichten, dass der Frauenanteil in der Chamber nach dem 13. Juni wächst?
F. Nicklaus-Faber: Bei den 99er Wahlen konnten wir feststellen, dass es auf Gemeindeebene zu einer leichten Verbesserung der Beteiligung der Frauen gekommen war. Auf Landesebene traf dies damals nicht zu. Was nun die Wahlen vom 13. Juni angeht, so lässt der Frauenanteil mancher Parteien zu wünschen übrig. Die Sozialisten und das ADR beispielsweise stehen mit ihren 13 bzw. 15 Kandidatinnen sehr schlecht da. Meine Partei erfüllt wenigstens ihre in den Statuten vorgegebene Geschlechterquote von 33 Prozent. Im Übrigen ist eine stärkere Präsenz der Frauen auf den Wahllisten aber nicht gleichbedeutend mit mehr Frauen im Parlament. Bestes Beispiel sind Déi Gréng. Ihre Listen sind zwar stets paritätisch besetzt, in der Chamber sind sie aber nur mit einer Frau vertreten.
Frauen und Erwerbslosigkeit
LW: 2003 wurde die soziale und wirtschaftliche Rolle der Frau analysiert. Sind Frauen in stärkerem Masse von der steigenden Arbeitslosigkeit betroffen?
F. Nicklaus-Faber: Es scheint in der Tat so, dass Frauen besonders betroffen sind von der zunehmenden Erwerbslosigkeit. Dies rührt in erster Linie daher, dass es Frauen sind, die Teilzeitjobs besetzen, die bei wirtschaftlicher Verschlechterung als erste abgebaut werden. Besonders hart trifft es Alleinerziehende, wo durch den Verlust der Arbeit die Weichen für den Weg ins soziale Abseits gestellt sind.
Häusliche Gewalt
LW: Im Zuge der Debatte von 2001 über die häusliche Gewalt wurde, wie schon erwähnt, im vorigen Jahr die Gesetzvorlage über die Wegweisung verabschiedet. Wie steht es um die Anwendung der neuen Gesetzgebung?
F. Nicklaus-Faber: Unsere pessimistischen Prognosen wurden übertroffen. Nach nur vier Monaten ist es bereits zu 64 Ausweisungen von männlichen Gewalttätern gekommen. Gerechnet wurde mit durchschnittlich 20 bis 25 Fällen pro Jahr. Die Situation ist umso schwerwiegender, als dass bei diesen 64 Interventionen rund 100 Kinder betroffen waren. Es muss mehr als bedenklich stimmen, wenn diese Zahlen auf ein Jahr hochgerechnet werden. Da wird ein äußerst komisches Bild auf unsere Gesellschaft geworfen.
(Luxemburger Wort-Interview mit der Präsidentin des Chancengleichheitsausschusses Ferny Nicklaus-Faber zur heutigen Orientierungsdebatte im Parlament / Das Interview führte LW-Journalist Marc Schlammes.)