Gelobte Sprachenvielfalt

Es ist allgemein bekannt, dass die Vielfalt der Sprachen und Kulturen der Reichtum Europas und insbesondere Luxemburgs sind. Eine Reflexion von Guy Schaeffer über die Problematik der Sprachenvielfalt.

Es ist allgemein bekannt, dass die Vielfalt der Sprachen und Kulturen der Reichtum Europas und insbesondere Luxemburgs sind.
Weniger bekannt ist, dass die Sprachenvielfalt auch in manchen Bereichen Nachteile bedingt.

Die Europäischen Institutionen müssen viele Entscheidungen treffen, welche von äußerster Wichtigkeit für die Entwicklung Europas sind. Tausende Menschen verschiedener Nationalitäten sind am Prozess der Vorbereitung, Diskussion, Verhandlung, Beschlussfassung und Ausführung beteiligt. Dieser Prozess könnte wesentlich effizienter gestaltet werden, wenn die Kommunikation aller Teilnehmer in einer gemeinsamen, von allen beherrschten Sprache, geführt würde. Ein Gespräch mittels Übersetzer hat nicht die Qualität einer direkten Diskussion. Durch eine gemeinsame Sprache könnte man riesige Ausgaben für Übersetzer vermeiden. Durch die Zunahme offizieller Sprachen der EU werden schlussendlich mehr Übersetzer gebraucht als Leute die aktiv am Prozess mitarbeiten. Außerdem könnte eine gemeinsame Sprache die Entschlussfassung beschleunigen und die Qualität der Entscheidungen verbessern. Die Sprachenvielfalt behindert zweifellos die Effizienz der Europäischen Institutionen.

Die Sprachenvielfalt darf kein Hindernis sein

Bedingt durch die Globalisierung sind Wirtschaft und Forschung auf internationale Kommunikation angewiesen. Die Sprachenvielfalt ist in diesen Bereichen ein Hindernis. Deshalb setzt sich in der Praxis Englisch als gemeinsame Kommunikationssprache durch. Dies verschafft den Amerikanern und Engländern einen bedeutenden Vorteil da die überwiegende Mehrheit der Europäer Englisch (wesentlich) schlechter beherrscht.
Im Schulwesen stehen kleine Länder vor einem Problem ohne optimale Lösung. Da die Beziehungen zu den Nachbarländern von äußerster Wichtigkeit sind, muss ein (übermäßig?) großes Gewicht auf den Fremdsprachenunterricht gelegt werden. Da die Anzahl der Schulstunden beschränkt ist, muss man die Studienzeit für die anderen Fächer (zu ?) stark beschränken.

Heutzutage werden im Großherzogtum Luxemburg tausende oder sogar zehntausende Stunden für das Erlernen der Fremdsprachen eingesetzt. Der Fremdsprachenunterricht wird so stark gefördert, dass sogar der Unterricht der Muttersprache stark vernachlässigt wird. Könnten wir uns auf eine einzige internationale Kommunikationssprache konzentrieren, würde ein ansehnliches Volumen an Schulstunden verfügbar. Diese wären willkommen für eine Vertiefung der wissenschaftlichen und technischen Fächer, für Berufs- und Allgemeinbildung oder eine spezifische Hilfestellung für Schüler mit Problemen. Vielen Schülern, die heutzutage wegen mangelnder Begabung oder Interesse, am Sprachenunterricht scheitern, könnte zu einem (höheren) Schulabschluss verholfen werden.

Viele Europäer kennen eine oder mehrere Fremdsprachen. Die Kenntnisse der Fremdsprachen sind jedoch im allgemeinen oberflächlich. Dies bewirkt, dass vor allem die oberflächliche, kommerzielle, amerikanische Kultur sich in Europa durchsetzt. Die reiche, tiefgründige Kultur der europäischen Völker kann kaum über die Sprachbarrieren vermittelt werden. Nur durch eine gemeinsame Kommunikationssprache, welche alle beherrschen, könnten alle Europäer aus diesem kulturellen Reichtum schöpfen.

Kultur nicht von der Originalsprache trennbar

Viele Leute glauben, dass die Kultur nicht von der Originalsprache trennbar sei und deshalb nicht durch eine gemeinsame Sprache vermittelt werden könne. Das ist jedoch nicht richtig. Die Bibel verliert ihren Wert nicht dadurch, dass wir eine deutsche, französische oder englische Übersetzung lesen. Das Studium der Originaltexte in Hebräisch oder Griechisch ist für Bibelforscher und Bibelübersetzer aufschlussreich. Für Leute, welche sich für den christlichen Glauben interessieren, ist eine Übersetzung vollkommen ausreichend. Die Werke des William Shakespeare sind nicht nur im alten Englisch wertvoll. Erst eine Übersetzung ins moderne Englisch (oder eine andere Sprache) macht sie für die meisten Menschen zugänglich.

Eine gemeinsame Kommunikationssprache wäre noch wichtiger für Europa als die gelobte Sprachenvielfalt. Sie könnte die Effizienz der Europäischen Institutionen steigern, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft und Forschung verbessern und unser Schulsystem von einer schweren Bürde befreien. Alle Leute könnten ungehindert aus der reichen Europäischen Kultur schöpfen. Schlussendlich würde die Sprachbarriere zwischen den Völkern beseitigt und so die Integration entscheidend vereinfacht.

Diese gemeinsame Sprache soll nicht die Muttersprache ersetzen. Die Muttersprache ist ein Teil der nationalen Identität und bedeutet den Menschen sehr viel. Wer längere Zeit in einem Land lebt sollte zumindest einige Kenntnisse der Landessprache erwerben. Die Muttersprache spielt auch eine besondere Rolle im Denken der Leute. Die geistigen Fähigkeiten eines Kindes entwickeln sich mit dem Erlernen der Muttersprache. Für jeden sind je nach Bereich sowohl seine Muttersprache als auch eine oder mehrere Kommunikationssprachen sehr wichtig.

Die beste Sprache auswählen

Leider wollen die Europäischen Politiker den Nutzen einer gemeinsamen Kommunikationssprache nicht einsehen. Die Europäische Kommission empfiehlt, jeder sollte zwei beliebige Fremdsprachen erlernen (bevorzugt die der Nachbarländer). Mit dieser Politik können in hundert Jahren noch nicht alle Europäer miteinander diskutieren. Anstatt mehrere Fremdsprachen (oberflächlich) zu erlernen, wäre es besser die Anstrengungen auf eine gemeinsame Sprache zu konzentrieren und diese wirklich zu beherrschen.

Es ist dringend nötig in dieser wichtigen Frage eine Entscheidung zu treffen. Es wäre gut die objektiv beste Sprache auszuwählen. Englisch ist nicht die einzige Möglichkeit. Manche Experten behaupten sogar Englisch sei eine schlechte Lösung. Esperanto hat gegenüber dem Englischen zwei wichtige Vorteile. Esperanto ist viel leichter zu erlernen und ist neutral (d.h. verschafft keinem Land einen Vorteil auf Kosten der anderen). Esperanto ist eine lebendige Sprache und erlaubt es auch sehr komplexe Aussagen präzise auszudrücken. Mehrere Millionen Menschen verteilt über fast alle Länder der Erde sprechen Esperanto. Im Internet findet man zirka 838.000 Seiten über Esperanto (Begriff “Esperanto” mit der Suchmaschine Google). Die Esperantobewegung beweist schon seit mehr als einem Jahrhundert, dass kultureller Austausch und konstruktive Zusammenarbeit über diese internationale Kommunikationssprache möglich sind.

Es ist wichtig unsere Schüler bestens auf die Zukunft also auch auf die zukünftige gemeinsame Sprache vorzubereiten. Solange keine Entscheidung getroffen wurde, können die Verantwortlichen keine Reform der Schulsysteme in die Wege leiten.
Wir dürfen die Augen nicht vor den Problemen der Sprachenvielfalt verschließen. Uns geht es heute relativ gut. Das ist jedoch kein Beweis, dass die Sprachenvielfalt der Reichtum Europas ist. Vielleicht geht es uns trotz dem Fehlen einer konsequent geförderten internationalen Kommunikationssprache (noch) gut.

Die fortschreitende Globalisierung (Wirtschaft, Terrorismus, Kriminalität, Immigration, Medien, Politik, …) und die wachsende Bedeutung der EU machen eine internationale Kommunikationssprache immer wichtiger. Wir sollten möglichst schnell eine gute Lösung, wenn möglich die Beste, in die Wege leiten.

Guy Schaeffer
Mitarbeiter imr CSV Reflexionskreis Bildung