Die CSV Deputierte Ferny Nicklaus-Faber kommentiert in einem LW-Interview die brisante Thematik “häuslichen Gewalt” und kommentiert die im Juli verabschiedete Vorlage betreffend das Prinzip der Wegweisung in der nationalen Gesetzgebung.
Am 1. August dieses Jahres verstarb Marie Trintignant. Die bekannte französische Schauspielern war den schlimmen Blessuren erlegen, die sie in der Nacht zum 27. Juli bei einer gewalttätigen Auseinandersetzung erlitten hatte. Als Hauptverdächtiger für die Folgen schweren Verletzungen gilt ihr Lebensgefährte, der unter Mordverdacht in Untersuchungshaft genommen wurde.
Der Fall Trintignant sorgt(e) in den Medien für Schlagzeilen. Mit dem tragischen Schicksal der Schauspielerin gelangte die Problematik der häuslichen Gewalt ins Rampenlicht. Dabei ist der Tod Trintignants kein unglücklicher Einzelfall. Internationale Schätzungen gehen davon aus, dass in Europa jede fünfte Frau Formen häuslicher Gewalt ausgesetzt ist. LW-Journalist Marc Schlammes befragte die CSV Deputierte zu dieser brisanten Thematik. Nach Ansicht von Ferny Nicklaus-Faber bilden die vorhandenen Statistiken …
nur die Spitze des Eisberges:
“Sie beruhen auf den Fällen, wo die Opfer den Mut hatten, an die Öffentlichkeit zu gehen. Die Dunkelziffer muss um einiges höher angesiedelt werden”. Denn häusliche Gewalt sei ein Tabuthema, gibt die Vorsitzende des Chancengleichheitsausschusses der Abgeordnetenkammer zu bedenken, die Familie werde schließlich eine Zelle der Geborgenheit und Sicherheit angesehen. “Dabei spielen sich die Szenen zwischenmenschlicher Gewalt zumeist in den eigenen vier Wänden ab, unter Ausschluss der Öffentlichkeit”.
Keine Ausnahme
Luxemburg macht da keine Ausnahme. Ein Blick in die Frauenhäuser und den regen Zulauf, den sie kennen würden, genüge, um festzustellen, dass “violence domestique” auch hier zu Lande eine gesellschaftliche Realität sei, stellt Ferny Nicklaus-Faber fest. Die Politik hätte die Augen jedoch nicht vor dieser Wirklichkeit verschlossen, erinnert die CSV-Politikerin an eine Motion aus dem Jahr 1999 und die Orientierungsdebatte, die 2001 im Parlament geführt wurde, Eine Debatte, die letztlich den Weg geebnet hätte hin zur Gesetzesvorlage über die häusliche Gewalt.
Täter muss Wohnung verlassen
Quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit war der Entwurf am 15. Juli zu sehr später Stunde am Krautmarkt mit 59 Ja-Stimmen bei einer Enthaltung verabschiedet worden, Der Entwurf sieht vor, dass, wie in der Regierungserklärung vom August 1999 festgehalten, künftig der Täter die Wohnung verlassen muss. Die Regierung habe sich mit ihrem Projekt an der österreichischen Gesetzgebung inspiriert, erklärt Ferny Nicklaus-Faber, die Berichterstatterin zum Gesetzprojekt war. In der Alpenrepublik habe sich das Prinzip der Wegweisung bewährt; Frauen sei die Angst genommen worden, nach dem Schritt zur Polizei die gemeinsame Wohnung zu verlassen und mittellos auf der Straße zu landen.
Klage einreichen
Die Anwendung sieht vor, dass eine Frau, die Opfer häuslicher Gewalt wurde, eine Klage bei der Polizei einreicht. Aufgrund des Protokolls der Ordnungskräfte kann die Staatsanwaltschaft durch einstweilige Verfügung die Wegweisung aussprechen. Die Mindestdauer wurde auf zehn Tage festgelegt, kann jedoch bis zu einer Zeitspanne von drei Monaten ausgeweitet werden. Innerhalb dieser Frist wird das Opfer dann von so genannten “Services d’aides aux victimes” begleitet, die landesweit aufgebaut werden und die Folgen der Wegweisung vorbereiten sollen. Dazu gehören in erster Linie die Einleitung der Scheidungs- und Trennungsprozedur und die damit verbundene Reorganisation des Lebens, beispielsweise die Wohnungsfrage.
Möglichkeit zur Therapie
Die Kommissionspräsidentin unterstreicht aber auch, dass es mit der Wegweisung des Täters allein nicht getan sein dürfe. Wichtig sei, dass diesen Männern die Möglichkeit zur Therapie geboten werde, beispielsweise in Selbsthilfegruppen. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass sie als Wiederholungstäter in einer nächsten Beziehung erneut zuschlagen. Derartige Behandlungsstrukturen würden derzeit hier zu Lande noch nicht existieren; Ressortministerin Marie-Josée Jacobs habe sie jedoch in Aussicht gestellt.
Auch soll, wie von seiten des Staatsrates angeregt, der Kontakt des Vaters zu seinen Kindern nicht vollständig gekappt werden. Das Besuchsrecht soll gewahrt werden, denn eine endgültige Trennung sei letztlich auch schlecht für die Entwicklung der Kinder, räumt Ferny Nicklaus-Faber ein. Dies umso mehr, als die Kinder die Hauptleidtragenden bei Auseinandersetzungen zwischen ihren Eltern seien.
Die im Juli votierte Gesetzgebung wird aller Voraussicht nach im Herbst in Kraft treten.Parallel hierzu wolle das Familienministerium mit Aufklärungsinitiativen ihren Inhalt darlegen, wies Ferny Nicklaus-Faber abschließend auf die nächsten Schritte hin. Generell erhofft sie sich eine präventive Wirkung von der Möglichkeit der Wegweisung: Sie soll verdeutlichen, dass die Gesellschaft die häusliche Gewalt nicht länger als Tabuthema hinnehme.
(aus Luxemburger Wort 28.08.2003 / mas)