Ein Quäntchen Autonomie

Der CSV-Deputierte Claude Wiseler zu schulpolitischen Fragestellungen.

In den unerbittlichen Schulrhythmus eingebunden, gilt es in diesen Tagen, wie alljährlich für manche Sekundarschüler, die Examensbank zu drücken und in geraffter Zeitvorgabe, ein Konzentrat des über ein Jahr angehäuften Wissens möglichst vollständig und fehlerfrei zu Papier zu bringen. In einigen Wochen bangen Wartens und Erwartens werden die meisten wohl dann erlöst aufatmen und mit ihrem Abschlussdiplom in der Tasche, den Weg in die Arbeitswelt oder in weiterführende Studien einschlagen.

Manche werden sich aber auch die Frage stellen, was die abgelegten Prüfungen sowie die erworbenen Diplome ” wert ” sind, wie weit sie die Wirklichkeit des Wissens und Könnens wiederspiegeln, in wiefern das aufgenommene Wissen dem entspricht, das in Beruf und Hochschulen benötigt wird.

Dass die Luxemburger Diplome auch heute noch die Türen der Hochschulen öffnen und dass die Luxemburger Studenten auch durchwegs im Ausland mit guten Resultaten aufwarten können, bestätigt die Erfahrung.

Doch die Resultate der Pisa-Studie zwingen uns einiges zu hinterfragen und Grauzonen auszuleuchten.

Programminhalte

So zum Beispiel drängt sich die Frage auf, ob die Programminhalte unseres Sekundarunterrichts den jeweiligen Unterrichtsbedürfnissen entsprechen. Klar scheint, dass unsere Lehrpläne heillos überlastet sind und dass es in den letzten Jahren überaus schwierig war, hier Abhilfe zu schaffen. Es scheint demgemäss unabdingbar, die Schulprogramme von Grund auf zu überarbeiten, sie zu entschlacken und sich auf Wesentliches zu beschränken.

Man kann davon ausgehen, dass die Programmüberfrachtung ein Hauptproblem unserer Schule darstellt. Sie überfordert manche Schüler und lässt nicht genügend Zeit, die Aufnahme des Basiswissens und das praktische Umgehen mit diesem Basiswissen abzusichern. Und gerade hier hat ja die Pisa-Studie Alarmsignale gesetzt. Es sind nicht die theoretischen Kenntnisse, sondern die Anwendungsbefähigung des Gelernten, die als defizitär abgestempelt wurde. So ist, um nur ein Beispiel des Sprachenunterrichts anzuführen, nicht das Fehlen an Grammatikkenntnissen, sondern das Sprachverständnis und die Defizite des Sprachgebrauchs, die Schwierigkeiten bringen.

Partizipative Methoden

Dies bedeutet zudem, dass unser Unterricht anderer pädagogischer Methoden bedarf. Partizipative Methoden, die den Schüler zum aktiven Gestalter machen und somit Passivität in Motivation und Lernbereitschaft umwandeln, sind heute mehr denn je gefragt. Dies bedingt natürlich, dass die Lehrer der verschiedenen Unterrichtsbereiche mitmachen und die notwendige berufliche Weiterbildung angeboten bekommen.

Das Stichwort zum Erfolg dürfte hier die unerlässliche Motivation sein: Motivation beim Lehrkörper, Motivation bei den Schuldirektionen, Motivation bei allen Mitarbeitern unseres Schulsystems.

Motivation und Autonomie

Obwohl ein Grossteil unserer Lehrer durchwegs motiviert sein dürfte, muss man jedoch feststellen, dass unser Schulsystem als solches nicht unbedingt motivationsfördernd ist. Schulautonomie ist aus diesem Grund eine Notwendigkeit, denn ein Mehr an Freiheit, an Innovationsspielraum und an Verantwortung bedeutet sicherlich ein Mehr an Motivation. Sollten die Privatschulen gegenüber den öffentlichen Schulen bevorteiligt sein, so könnte dies nur an dem gewissen Quäntchen Autonomie liegen das ihnen erlaubt, innovativ und somit motiviert zu sein. Das brauchen dringend ebenfalls die öffentlichen Schulen.

Transparenz und Evaluation

Doch Autonomie bedarf der Transparenz und der regelmäßigen Eigenevaluation. Dass das Evaluieren der Eigenleistung zur Selbstverständlichkeit auf allen Ebenen des Schulbereichs werden muss, scheint heute nicht mehr umstritten. Wahrscheinlich wird jedoch ihre Umsetzung in die Praxis weit schwieriger zu gestalten sein, als ihre blauäugige, verbale Bejahung.

Allen Schülern, die in diesen Wochen ihre Examen schreiben, die hart gearbeitet haben um gut abzuschneiden, soll hier viel Glück, vor allem aber auch eine gute Hand bei den anstehenden Entscheidungen, gewünscht werden.

Claude Wiseler

Abgeordneter