„Es bleiben immer noch Benachteiligungen“

Aus einem Luxemburger Wort Gespräch mit der CSV-Deputierten Ferny Nicklaus-Faber über die wirtschaftliche und soziale Situation der Frauen.

LW: Hat die Orientierungsdebatte eigentlich noch ihren Platz im parlamentarischen Alltag? Vergangenes Jahr hatte es vereinzelt kritische Töne gegeben.

F. Nicklaus-Faber: Die Debatte hat ganz sicher noch ihre Daseinsberechtigung. Würde es nämlich die Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern heute schon geben, bräuchten wir kein Frauenministerium mehr und auch keinen Chancengleichheitsausschuss. Und gerade das Parlament ist doch der richtige Ort, um bestehende Problemfelder zu bearbeiten und auf gesetzlichem Weg richtungsweisend vorzugehen.

LW: Mit der “wirtschaftlichen und sozialen Rolle der Frauen” hat ihre Kommission in diesem Jahr ein weites Feld bearbeitet. Wo wurden die Schwerpunkte gesetzt?

F. Nicklaus-Faber: Wir haben versucht, das gesamte soziale und wirtschaftliche Spektrum zu beleuchten und den Rang der Frau zu erfassen: Erziehung, Aus- und Weiterbildung, Arbeitsmarkt, Einkommen, Familien- und Berufsleben, politische Präsenz. Dabei gestaltete sich die Arbeit aufgrund teils fehlender geschlechtsspezifischer Angaben nicht einfach.

LW: Stichwort politische Präsenz. Auf Eine Quotenregelung konnte sich bei der Reform der Wahlgesetzgebung nicht geeinigt werden.

F. Nicklaus-Faber: Das stimmt schon. Aber ich sehe eine Quotenregelung als nicht dermaßen wichtig an. Wesentlicher erscheint mir, dass den Frauen die Möglichkeit der politischen Formation geboten wird. Das heißt jetzt nicht, dass Männer eine gewisse politische Grundausbildung nicht brauchen. Bei Frauen könnte sie befreiende Wirkung haben und ihre Zurückhaltung vor der Welt der Politik nehmen.

LW: Wie sieht es mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie aus?

F. Nicklaus-Faber: Man kann sagen, dass die Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben eher für Frauen ein Problem darstellt – eben weil Familie und Haushalt auch heute noch eher in ihren Zuständigkeitsbereich fallen. Die Zahlen am Arbeitsmarkt belegen beispielsweise, dass viele Frauen ab 30 Jahren beruflich kürzer treten. Und die Möglichkeit der Teilzeitarbeit wird nahezu ausschließlich von Frauen genutzt. Teilzeitarbeit, Elternurlaub – den auch wiederum vornehmlich Frauen in Anspruch nehmen – sowie die Betreuungsstrukturen, die auf kommunaler Ebene geschaffen werden, erleichtern zunehmend den Spagat zwischen Beruf und Familie.

LW: Es hat sich also etwas getan in den vergangenen Jahren?

F. Nicklaus-Faber: Es ist nicht zu leugnen, dass von staatlicher Seite Anstrengungen unternommen wurden, Beispiel Elternurlaub. Auf der anderen Seite bleibt indes die Feststellung, dass das Arsenal von der visierten Bevölkerungsschicht bei weitem nicht ausgeschöpft wird. Nehmen wir den “congé pour raison familiale” bei Kindern unter 15 Jahren. Es handelt sich hier um sechs halbe freie Tage, auf die ein Elternteil beispielsweise bei plötzlichem Krankheitsfall seines Kindes Anspruch hat.

Auch wird die angespannte wirtschaftliche Lage meines Erachtens nicht dazu beitragen, dass die Zahl der Anträge auf Elternurlaub in nächster Zeit ansteigen wird. Dabei hat bislang gerade ein Drittel den “congé parental” beansprucht.

LW: Wo müssen denn in absehbarer Zukunft die Hebel angesetzt werden?

F. Nicklaus-Faber: Im spezifischen Fall der Vereinbarung Beruf/Familie könnte ich mir vorstellen, dass die Unternehmen Betreuungsstrukturen für Kinder einrichten. Im Ausland ist dies bereits Realität.

Generell haben wir bei unseren Vorarbeiten festgestellt, dass Frauen in der Wirtschaft benachteiligt bleiben. Dies gilt beim Lohn, der bei gleicher Arbeit immer noch um zwölf Prozent unter dem Niveau der Männer liegt. Das gilt weiter für den beruflichen Aufstieg, nur 16 Prozent Frauen sind in Verwaltungsräten vertreten. Und schließlich gehen nur wenige Frauen den Weg in die berufliche Selbständigkeit. Ich könnte mir vorstellen, dass der Mechanismus der Mikrokredite, der sich in den Drittweltländern bewährt hat, als Sprungbrett in die Selbstständigkeit dienen könnte.

Die Kommission ist aber auch zur Feststellung gelangt, dass viele Frauen, aus einer Reihe von Ursachen heraus, eher Gefahr laufen als Männer, in eine prekäre Lage abzurutschen.

LW: Sie sprechen von prekärer Lage. Heißt das, dass Frauen in besonderem Masse von Armut betroffen sind?

F. Nicklaus-Faber: Im Gegensatz zu vielen Männern merkt man Frauen nicht unbedingt an, dass sie arm sind. Die weibliche Armut ist nicht auf Anhieb sichtbar – aber sie existiert. Die Mischung aus professionellen und privaten Problemen – Beispiel Verlust des Arbeitsplatzes, Scheidung – kann sehr rasch dazu führen, dass eine Frau in einen Teufelskreis hineingerät, aus dem es schwer wird wieder auszubrechen.

(aus Luxemburger Wort März 2003)