Gleichstellung der Frau – eine Realität?

Die CSV-Abgeordnete Ferny Nicklaus-Faber über Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern: “Trotz wesentlicher Fortschritte, noch immer keine Selbstverständlichkeit”.

Der internationale Frauentag vom 8. März bot, wie jedes Jahr seit 1996, die Gelegenheit, sich im Rahmen einer parlamentarischen Orientierungsdebatte Gedanken über die Situation der Frauen in unserer Gesellschaft zu machen. Es geht aus der diesjährigen Bestandsaufnahme über die wirtschaftliche und soziale Beteiligung der Frauen hervor, dass Gleichberechtigung und Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern, trotz wesentlicher Fortschritte, noch immer keine Selbstverständlichkeit sind.

Die wachsende Beteiligung der Frauen am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Leben soll uns nicht fälschlich zu der Annahme führen, dass sich bereits ein natürlicher Gleichgewichtszustand zwischen den Geschlechtern eingestellt hat, so dass Gleichberechtigung kein Thema mehr ist. Frauen sind noch immer eine Ausnahme in Führungspositionen, sei es in der Politik oder in der Wirtschaft. Es gibt so gut wie keine Frau, die Bankdirektorin oder die Vorsitzende eines multinationalen Konzerns ist. Frauen, die es fertig bringen Führungspositionen zu übernehmen, müssen besonders hart kämpfen um dorthin zu kommen. Die vor kurzem verstorbene französische Journalistin, Schriftstellerin, Politikerin und Frauenrechtlerin Françoise Giroud hat einmal behauptet, man könne erst von reeller Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern ausgehen, wenn es Frauen gestattet ist, ebenso viel Inkompetenz an den Tag zu legen wie Männer.

Dieser Zustand lässt sich zum größten Teil durch die Struktur unserer Gesellschaft erklären, die immer noch stark von einem männlichen Leitbild geprägt ist, das die Bedürfnisse der Frauen kaum wahrnimmt. Der Arbeitsmarkt zum Beispiel bleibt gekennzeichnet von dem männlichen Leitbild kontinuierlicher und uneingeschränkter Vollzeittätigkeit. Die ideale Arbeitskraft sollte ganztags und durchgängig verfügbar sein. Erwerbstätige Frauen mit Kindern können schwer diese Norm erfüllen.

Im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen können sie sich in den allermeisten Fällen dem Verantwortungsbereich Familie nicht entziehen. Frauen bringen in der Regel viermal mehr Zeit für Familie und Haushalt auf als Männer. Diese ungerechte Teilung häuslicher und familiärer Pflichten und Verantwortungen hat zur Folge, dass Frauen nicht die gleichen Chancen haben wie Männer, ihre individuelle Wahl der Lebensführung zu verwirklichen.

Die ungleichen Start- und Rahmenbedingungen zwischen Männern und Frauen erklären auch, dass Frauen anfälliger für Armut sind.

Es gibt keine Alternative zu einem grundlegenden Mentalitätswandel. Jeder ist gefordert. Sowohl die Politik, die die Einbindung der Chancengleichheit in sämtliche politischen Konzepte und Maßnahmen mit allen Mitteln fördern soll, als auch jeder Einzelne von uns, dessen Pflicht es ist, sowohl Verhalten wie Vorstellungen in Bezug auf die Gleichberechtigung beider Geschlechter in Frage zu stellen.

Ferny Nicklaus-Faber

CSV-Abgeordnete