Interview mit Premierminister Jean-Claude Juncker zur Irakkrise, ausgestrahlt im ARD/ZDF-Morgenmagazin am 31 Januar 2003 um 8 Uhr.
Moderator: Ich bin jetzt mit dem Ministerpräsidenten von Luxemburg, mit Jean-Claude Juncker verbunden. Schönen Guten Morgen.
Jean-Claude Juncker: Guten Morgen.
Moderator: Der EU-Ratspräsident Simitis sagte gestern, ich zitiere: “Dieser Brief ist nicht förderlich für eine gemeinsame Position”. Wie bewerten Sie diesen Aufruf?
Jean-Claude Juncker: Der Aufruf, was seine Substanz, seinen Inhalt anbelangt, geht in Ordnung, weil er entspricht im wesentlichen der gemeinsamen Festlegung der 15 EU-Außenminister vom vergangenen Montag in Brüssel. Der Brief selbst, die Tatsache dass man ihn geschrieben, dass einige ihn geschrieben haben, wird in Washington, wahrscheinlich auch in Bagdad, den Eindruck erwecken, als sprächen die Europäer nicht mit einer Stimme. Insofern war dies vom Standpunkt der Kohäsion, der gemeinsam Außen- und Sicherheitspolitik betrachtet, ein Brief an dessen Opportunität man berechtigte Zweifel haben kann.
Moderator: Sie haben vorher auch nichts davon gewusst?
Jean-Claude Juncker: So wie der griechische Ratsvorsitzende Simitis, so wie die Europäische Kommission, so wie Schröder und Chirac, habe ich von dem Zustandekommens des Briefes nichts gewusst. Der wurde mir auch nicht zu unterzeichnen vorgelegt.
Moderator: Würden Sie sagen, dass dieser Brief unter Umständen eine Reaktion auf eine falsche Politik oder eine unkluge Politik von Frankreich und Deutschland ist?
Jean-Claude Juncker: Die Unterzeichner haben inzwischen alle erklärt, dies wäre nicht ein Brief, der gegen Berlin oder Paris gerichtet wäre, sondern an die amerikanische Öffentlichkeit. Sollte in derselben der Eindruck entstehen, als hätte Amerika besonders gute Freunde und einige andere, die etwas humpelnd in die transatlantische Solidarität einbrechen, dann wäre dies sicherlich ein Eindruck in der amerikanischen Öffentlichkeit dem ich gerne widersprechen würde. Chirac und andere haben erklärt – ich sage dies auch – dass wir inhaltlich voll hinter den Positionen, die in diesem Brief gezogen werden stehen, weil sie entsprechen der gemeinsamen Festlegung der EU-Außenminister. Man fragt sich, wieso man in einem gesonderten Brief noch einmal unterstreichen muss, zu fünf, sechs, sieben oder acht, was ohnehin die 15 Mitgliedsregierungen zum Ausdruck gebracht haben.
Moderator: Haben Sie das Gefühl, dass hier in Deutschland zumindest, dass dieser Brief weniger die Amerikaner erreicht, indem da noch einmal Solidarität gezeigt wird, sondern vor allen Dingen die Europäer auseinander dividiert?
Jean-Claude Juncker: Es ist im Interesse keines Regierungschefs dazu beizutragen dass die europäische Front, wenn es die denn gibt, bröckelt. Wir müssen sehen, dass wenn die Europäer Einfluss auf den Verlauf des Geschickes haben möchten, dass wir dann mit einer Stimme reden müssen und dass wir uns auch zu gemeinsamen Handlungen entschließen müssen. Sonderpost ergibt wenig Sinn.
Moderator: Wie ordnet sich ihrer Perspektive nach im Moment das Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und Europa?
Jean-Claude Juncker: Es gibt im wesentlichen keine unüberwindbaren Schwierigkeiten zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika. Wir haben uns gemeinsam entschlossen den multilateralen, das heißt den UNO-Weg einzuschlagen zur Bewältigung dieser Irak-Krise und mir ist keine europäische Wortmeldung bekannt, die darauf schließen würde, dass die Europäer sich von diesem gemeinsam festgelegten Weg entfernen würden. Wir müssen auf Kurs bleiben.
Moderator: Ich würde Sie ganz zum Schluss noch fragen, wie Sie in Luxemburg noch weiter reagieren werden auf diesen Brief?
Jean-Claude Juncker: Wir reagieren eigentlich so wie die griechische Ratspräsidentschaft. Wir bringen nicht unsere Überraschung über den Inhalt dieses Briefes zum Ausdruck, wundern uns allerdings sehr, dass er in der Form wie er geschrieben wurde, überhaupt geschrieben wurde, weil er wird in Amerika und auch sonst wo den Eindruck vermitteln, als wären wir unfähig, nachdem die 15 Außenminister sich festgelegt haben, als Regierungschefs genau dies zum Ausdruck zu bringen, was unsere Regierungen noch vor Tagesfrist gemeinsam festgelegt haben. Dieser Brief mag seine Wirkung haben. Er hat aber der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und ihrer Gesamtdarstellung in er Welt, ohne jeden Zweifel, nicht genützt.
Moderator: Vielen Dank für dieses Gespräch, Jean-Claude Juncker, Premierminister von Luxemburg, vielen Dank.
(Quelle SIP: 31/01/03)