Claude Wiseler im Luxemburger Wort-Kurzinterview zur aktuellen Budgetdebatte.
Luxemburger Wort: Herr Wiseler, als Sie vor einem Jahr den Haushaltsbericht für 2002 vorlegten, war die Welt der Luxemburger Staatsfinanzen noch rundherum in Ordnung. Hat sich Ihre Bestandsaufnahme überlebt?
Claude Wiseler: Keineswegs. Meine Botschaft lautete: Ein kleines Land mit zum Teil monolithischen Wirtschaftsstrukturen ist fragil. Es ist anfällig für die Bewegungen der Weltkonjunktur. Deshalb ist besonders in guten Zeiten Vorsicht und Weitsicht geboten: durch das Anlegen von Reserven, durch die Speisung der Investitionsfonds.
In meinen Schlussbetrachtungen sprach ich von einer doppelten Herausforderung, mit der Luxemburg konfrontiert ist. Zum Ersten muss die Politik der ökonomischen Diversifikation und des nachhaltigen Wachstums fortgeführt werden. Zum Zweiten müssen wir in der Haushaltspolitik aufpassen, keine Neuausgaben zu tätigen, die hinterher nicht mehr reduzierbar sind, sondern eher riskieren, eine Ausgabenlawine auszulösen. Die Message anno 2001 war klar: Wir müssen alles tun, um bereit zu sein für den Fall, wo es langsamer läuft.
Engpässe waren kaum vorauszusehen
LW: Genau das ist mittlerweile eingetreten. War diese Entwicklung nicht vorauszusehen?
C. Wiseler: Kaum. Auch in anderen Ländern sah man die Dinge nicht so kommen, wie man es jetzt vielerorts erlebt. Noch im April/Mai dieses Jahres rechneten die internationalen Wirtschaftsinstitute mit einer kurzfristigen Belebung der Konjunktur. Auch die Einnahmen der hiesigen Steuerverwaltung im ersten Halbjahr 2002 deuteten nicht auf Einbrüche hin.
LW: Sie halten die Anpassungen im Etatentwurf 2003 also für opportun?
C. Wiseler: Ja, natürlich. Schon allein aus Gründen der budgetären Wahrhaftigkeit mussten Modifikationen vorgenommen werden. Man sollte sich nichts vormachen: Luxemburg durchlebt zurzeit eine schwierige Periode. Das hat mit der Weltwirtschaftslage zu tun, aber auch mit den laufenden Verhandlungen um die EU-Steuerharmonisierung. Eigentlich bin ich ganz froh, dass es die jetzige Regierung ist, die dieses wichtige Dossier managt.
Andererseits glaube ich, dass das Land unter dem Gesichtspunkt der Staatsfinanzen gut vorbereitet ist, um die Engpässe zu überbrücken. Tatsache ist aber, dass die doppelte Herausforderung von der ich vorhin sprach, nach wie vor gilt.