Demoskopen diagnostizieren es, Leserbriefe scheinen es zu belegen: Politik und Parteien wird die Vorbereitung der Zukunft und die Lösung ihrer Probleme nicht zugetraut. Für den Eindruck, der Politik mangele es an Zukunftsvorstellungen und den Parteien an Lösungskompetenz gibt es gute Gründe. Viele Verantwortungsträger laufen zu Höchstform auf wenn es darum geht, die Zukunftskonflikte in allen Farben zu malen. Ihnen wird zu Recht vorgeworfen, sie redeten über die Zukunft, um nicht zu den Problemen der Zeit befragt zu werden. Andere konzentrieren ihr mehr oder weniger ausgeprägtes politisches Talent darauf, die Missstände der Gegenwart möglichst farbenfroh zu beschreiben und Lösungsvorschläge zu konzipieren die heute zwar umsetzbar aber schon morgen nicht mehr finanzierbar sind. Ihnen wird nicht zu Unrecht vorgehalten, sie hätten der nächsten Generation nur die Perspektive der Sintflut anzubieten. Muss das so sein: auf der einen Seite gegenwartsblinde Zukunftsphilosophen und auf der anderen Seite zukunftsblinde Gegenwartsdemagogen? Nein, das muss nicht so sein. Die Probleme die wir heute nicht lösen werden sich nicht mit der Zeit erledigen. Sie wachsen weiter. Wer es nicht schafft, in den nächsten Jahren die Verkehrsverdichtung und die Mobilitätsbarriere in den Griff zu kriegen, der lässt die nächsten Jahrzehnte ins Verkehrschaos rasen. Wenn die großen Probleme der Zukunft nicht dann behandelt werden wenn sie noch klein sind also heute -, dann werden sie so riesig werden, dass sie sich dem späteren Zugriff entziehen. Wer in diesen fetten Jahren soziale Leistungen anmahnt die wir heute locker finanzieren, für deren Weiterführung wir uns aber morgen verschulden müssen, der ist sich des Zuspruches der Wähler zwar gewiss, aber er wird von der Jugend, wenn sie im zahlenden Erwachsenenalter angekommen sein wird, gerügt und verdammt werden. Oppositionsparteien unterscheiden zwischen heute und morgen. Eine Regierung darf das nicht. Für viele Oppositionspolitiker ist heute alles drin und morgen alles möglich. Für die Regierungspartei CSV gilt das so nicht : das was heute drin ist misst sich an den Möglichkeiten die wir morgen brauchen. Die Opposition hat es einfacher. Trotzdem wollen wir sie nicht ablösen. Damit morgen nicht nur alles möglich, sondern auch noch etwas drin ist. Zukunft findet immer statt auch heute.
Jean-Claude Juncker Premierminister