Wer nach Luxemburg kommt – ob als Tourist oder als Einwanderer – merkt schnell, dass sich die Luxemburger in einer Sprache unterhalten, die ihnen im Regelfall wenig bekannt und noch weniger verständlich ist. Und doch ist es die Sprache der Luxemburger, jene, an der unmissverständlich der größte Teil unseres nationalen Bewusstseins festgemacht wird: Lëtzebuergesch. Op nun “Houlëtzebuergesch” oder “Minetter”, oder auch eine der unzähligen Mundarten des Nordens oder der Moselgegend – all diese Sprachmuster sind Ausdruck der gleichen Verbundenheit mit dem Land, in dem wir leben. Die Luxemburger zusammen mit den mittlerweile fast 40 Prozent Ausländern, die sich in unserem Land niedergelassen haben, und das ohne nennenswerte Verständigungs- und Integrationsprobleme. Und doch. Das weitere Wachstum unseres Landes wird den Anteil der Nicht-Luxemburger in unserer Bevölkerung unweigerlich weiter wachsen lassen. Nur eine Zahl sei angeführt, um zu veranschaulichen, wie dieser Prozess vor sich gehen wird: jeden Tag stossen während der Arbeitszeit rund 100.000 Grenzgänger zu den 440.000 im Land lebenden Menschen hinzu. Ziemlich genau 100.000 sind in den letzten 20 Jahren auch nach Luxemburg eingewandert. Denken wir uns weitere 100.000 Einwanderer hinzu – die in den kommenden 20 Jahren sehr wahrscheinlich nach Luxemburg kommen werden, und die sich gewissermaßen “auf Zeit” bereits jetzt jeden einzelnen Tag als Pendler in Luxemburg aufhalten – dann wird die Gesamtbevölkerung nur noch zu knapp über der Hälfte aus Luxemburgern bestehen, während die knappe andere Hälfte sich aus Nicht-Luxemburgern zusammensetzen wird. Dies ist bereits jetzt von 8 Uhr morgens bis Feierabend der Fall. Spekulationen über einen demographischen Wandel sind in dieser Hinsicht müßig. Das ADR ergeht sich denn auch in abenteuerlichen Behauptungen, denen zufolge es mit ihm kein weiteres massives Bevölkerungswachstum geben wird. Aha! Das ADR wird also wahrscheinlich Mauen um die Grenzen errichten, oder die Lohnsteuer auf 75% heben, um zu verhindern, dass weitere Menschen zu uns kommen, um hier zu leben und zu arbeiten und so zum gemeinsamen Wohlstand des Landes beizutragen. Wie das Komitee (das sich zugegebenermaßen “demokratisch” und nicht “demographisch” nennt…) aber die Renten seiner treuesten Anhänger finanzieren will, bleibt unbekannt. Vielleicht mit all dem Geld, was sich aus dem Verkauf von später leerstehenden Schulen und Kultureinrichtungen wird verdienen lassen, die nicht mehr gebraucht werden, wenn das ADR die Rückkehr in den Agrarstaat vollbracht hat? Es hat keinen Zweck, hierüber zu sinnieren. Das ADR wird immer behaupten, die Uhren könnten auch im umgekehrten Uhrzeigersinn laufen, und einige werden das auch glauben. Die wirkliche Politik steht allerdings vor wirklichen Herausforderungen, und die müssen trotz ADR angegangen werden. Kein anderes Flächenland kennt eine solche Einwanderungsintensität – was daran liegt, dass auch kein anderes europäisches Land den wirtschaftlichen Erfolg Luxemburgs erfährt. Die große Herausforderung der kommenden Jahre wird demnach sein, integrationspolitisch wirksam dafür zu sorgen, dass sich alle hierzulande lebenden Menschen gleichermaßen dem Land verbunden fühlen. Und dazu gehört eine gemeinsame Sprache. Nicht eine, die zwangsläufig benutzt wird, weil sie nun einmal auch eine der offiziellen Sprachen des Landes ist, sondern diejenige, die von Luxemburgern und Einwanderern der zweiten und dritten Generation gleichermaßen als Kommunikationsmittel gebraucht wird. Also Luxemburgisch. Die luxemburgische Sprache hat in der Vergangenheit bereits viel für den gesellschaftlichen Zusammenhalt tun können, ohne dass eine besonders prägnante politische Aktion die Integration hierzulande umrahmt hätte. Doch mit einer weiter zunehmenden Proportion der Nicht-Luxemburger muss nunmehr gezielt darauf hingewirkt werden, dass die luxemburgische Bevölkerung sich nicht zunehmend eingeengt fühlt, und dass die neuen Einwanderer schnell eine positive Beziehung zum Land und den Leuten entwickeln. Die Erlangung der Staatsbürgerschaft ohne ausreichende Kenntnisse der Landessprache wäre in dieser Hinsicht ein völlig falscher Ansatz gewesen: so, wie Luxemburg funktioniert und die Luxemburger ihrer Nation und ihrer Staatsbürgerschaft verbunden sind, kann niemand wirklich Luxemburger sein, der diese Sprache nicht beherrscht. Man stellt sich ja auch keinen Briten ohne Englischkenntnisse oder einen Schweden vor, der keine lokale Tageszeitung lesen kann. Integrationspolitik muss zukünftig verstärkt mitten im Leben der Nicht-Luxemburger angesetzt werden. Luxemburgischkurse müssen auch während der Arbeitszeit verpflichtend angeboten werden, damit sie wirksam sein können: wer nach erschöpfender Arbeit abends nach Hause kommt und sich noch um seine Familie kümmern will, nimmt verständlicherweise dann kein Lehrbuch mehr zur Hand. Dass parallel zum Erlernen der Landessprache der Zugang zur Staatsbürgerschaft weiter flexibilisiert und auch ernsthaft über den Doppelpass nachgedacht wird, ist durchaus sinnvoll. Doch alle begleitenden Maßnahmen zur Integration müssen von der wesentlichen Prämisse ausgehen, die überall in der Welt gilt: gelungene Integration ist sprachliche Integration!
Frank Engel, Generalsekretär der CSV Fraktion