Die Zahlen sind erschreckend: Internationale Studien besagen, dass zwischen 17 und 38% Frauen Gewalt durch ihren Partner ausgesetzt sind. In Luxemburg verloren im vergangenen Jahr drei Frauen und drei Kinder ihr Leben durch häusliche Gewalt. 800 Frauen und Kinder mussten sich vor gewalttätigen Partnern in ein Frauenhaus flüchten.
Gewalt in der Familie, den eigenen vier Wänden, ist in der Regel Gewalt gegen Frauen und Kinder. Sie ist jedoch auch Gewalt gegen ältere Menschen und Behinderte. Sie betrifft jedes soziale Milieu und jede Altersgruppe. Sie existiert in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen ebenfalls in Luxemburg. Von den Frauen, die im Jahr 2000, oft in Begleitung ihrer Kinder, Aufnahme in einem Frauenhaus fanden, hatten 50% die luxemburgische Nationalität, 30% waren Angehörige eines EU-Staates, 20% waren Bürgerinnen eines Drittstaates.
Gewalt innerhalb der Familie ist überall ein Tabu. Vieles deutet darauf hin, dass sie im überschaubaren Luxemburg, wo “jeder jeden kennt”, ein besonders starkes Tabu darstellt.
Keine Privatsache Doch häusliche Gewalt ist keine Privatsache. Sie ist nicht nur ein familiäres Problem, sondern, wie jede Form von Gewalt, auch und vor allem ein gesellschaftliches Problem. Sie stellt eine politische Herausforderung dar, weil der Staat die Pflicht hat, seine Bürger und Bürgerinnen zu schützen. Das Recht von Frauen und Mädchen auf körperliche Unversehrtheit ist ein integraler Bestandteil der Menschenrechte.
Die CSV-Abgeordnete und Präsidentin der Chancengleichheitskommission Ferny Nicklaus-Faber skizzierte am 13 März 2001 anlässlich einer Orientierungsdebatte zum Thema der häuslichen Gewalt die Folgen für die Opfer: “Bei den geschlagenen Frauen hinterlässt die Gewalt physische und psychische Wunden. Diese Frauen werden viel eher depressiv, sie haben Angstzustände, körperliche Verletzungen, sie haben eher Alkohol- und Drogenprobleme und sie sind auch viel stärker selbstmordgefährdet.” Täter vor ihre Verantwortung stellen Vor dem Hintergrund, dass häusliche Gewalt ein schwerwiegendes gesellschaftliches und politisches Problem ist, deponierte Frauenministerin Marie-Josée Jacobs am 17 Mai vergangenen Jahres ein Gesetzesprojekt, das dazu beitragen soll, das gravierende Problem der häuslichen Gewalt zu beseitigen.
Das Gesetzesprojekt zur Bekämpfung der häuslichen Gewalt zeichnet sich durch drei Schwerpunkte aus: Der Täter wird zur Verantwortung gezogen. Vorbeugungsmassnahmen und präventive Aspekte sollen häuslicher Gewalt den Nährboden entziehen. Die Sensibilisierung der Gesellschaft soll einen Mentalitätswandel bewirken und die zum Teil noch bestehende unterschwellige Toleranz gegenüber familiärer Gewalt beseitigen.
Durch die Verschärfung der Strafen für physische, psychische und sexuelle Gewalt sowie ihre Ausweitung auf die Lebenssituationen von Personen, die zusammenleben ohne verheiratet zu sein, werden die Täter stärker als bisher zur Verantwortung gezogen.
Des Weiteren erhält die Polizei die Möglichkeit, den Täter aus der gemeinsamen Wohnung zu verweisen. Bisher müssen die Frauen und Kinder Zuflucht in Frauenhäusern suchen, was für sie eine Reihe von negativen Konsequenzen hat. Sie werden brutal aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen. Die Frauen sind oft gezwungen sich eine andere Wohnung und einen neuen Arbeitsplatz zu suchen. Die Kinder sind, in einer für sie bereits traumatischen Situation, zu einem Schulwechsel gezwungen. Die Situation des Täters bleibt hingegen unverändert. Die Konsequenzen seiner Handlungen trägt das Opfer.
Starke Symbolwirkung Die im Gesetzesprojekt von Marie-Josée Jacobs vorgesehenen Regelungen werden hingegen zur sozialen Isolierung des Täters führen. Das geplante Hausverbot wird eine abschreckende Wirkung entfalten. Es stellt den Täter an den Pranger und ist ein deutliches Signal, dass Gewalt in der Familie ein Verbrechen ist. Die Resultate eines ähnlichen Gesetzes in Österreich zeigen, dass das Risiko der sozialen Ächtung dazu führt, dass viele Männer ihr Verhalten überdenken und ändern.
Frauenministerin Marie-Josée Jacobs benannte in einem Luxemburger Wort Interview vom 18 Februar 2002 die entsprechende Zielsetzung wie folgt: “Wir glauben, dass dieses Gesetz vor allem eine starke Symbolwirkung haben wird. Denn wenn plötzlich der Nachbar von gegenüber von der Polizei abgeholt wird, so ist das etwas ganz anderes als wenn die Frau klammheimlich ins Frauenhaus gebracht wird. Und es ist ein Weg zu zeigen, dass der Täter der wirklich Verantwortliche ist.” Die Ministerin machte in dem gleichen Interview ebenfalls deutlich, dass die entschlossene Fortsetzung einer auf Gleichberechtigung und Chancengleichheit abzielenden Politik, der häuslichen Gewalt auf einer anderen, vorgelagerten Ebene vorbeugt.
Gewalt in der Partnerschaft ist kein “Ausrutscher”, der auf einen momentanen und isolierten Kontrollverlust zurückzuführen ist. Wie auch andere Formen von Gewalt hat sie tiefere Ursachen: Die noch immer bestehende Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, ein Frauenbild das zum Teil noch immer in unserer Gesellschaft fortbesteht, die Unfähigkeit mit Konflikten auf eine Weise umzugehen, die nicht gewalttätig ist.
Gleichberechtigung beugt Gewalt vor Neben der Vermittlung von Kompetenzen, die es ermöglichen, Konflikte gewaltfrei zu lösen, sieht Familien- und Frauenministerin Marie-Josée Jacobs in der Erziehung zur Gleichberechtigung und der Herstellung von realer Chancengleichheit einen wichtigen Bestandteil der Prävention von familiärer Gewalt. Außer der Familie ist es besonders die Schule, die in diesem Bereich gefordert ist.
Das Gesetzesprojekt zur Bekämpfung der häuslichen Gewalt entspricht einer Forderung des CSV-Wahlprogramms von 1999. In ihrem Programm ist nachzulesen, dass die CSV dafür sorgen wird, dass “nicht die Opfer aus ihrem gemeinsamen Zuhause flüchten müssen, sondern, dass die Täter für ihre Taten bestraft werden.” Mit der Ahndung von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz durch das Gesetz vom 6. April 2000 verabschiedete das Parlament bereits eine verwandte Forderung des CSV- Wahlprogramms. Die CSV nimmt die Diskriminierung von Frauen und die Gewalt gegen Frauen nicht hin. Wie bei dem Gesetz vom 6. April 2000 steht auch das Gesetzesprojekt zur Bekämpfung der häuslichen Gewalt für eine CSV-Politik, die die Gewalt gegen Frauen, sowie die Ausbeutung und Unterdrückung von Frauen konsequent bekämpft.
Maurice Bauer beigeordneter CSV-Generalsekretär