Landwirtschaftspolitik im Spannungsverhältnis zwischen Ökologie und Industrie lautete im Rahmen einer Veranstaltung des CDU-CSU-Freundeskreises das Thema eines Referats von Fernand Boden, Minister für Landwirtschaft, Weinbau und Ländliche Entwicklung. Minister Boden erläuterte die Entwicklung der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik, ihre Perspektiven sowie die Situation der luxemburgischen Landwirtschaft. Er nahm des Weiteren Stellung zu der aktuellen Krise im Landwirtschaftsbereich.
Zwischen Landwirtschaft und Industrie, so Minister Boden eingangs seiner Ausführungen, bestehe ein grundsätzlicher Unterschied. Die Landwirtschaft arbeite mit einer lebenden Materie während die Industrie Rohstoffe verarbeite. Demzufolge sei es bei einer industriellen und gewerblichen Produktion relativ einfach, Veränderungen in den Herstellungsverfahren vorzunehmen. Im landwirtschaftlichen Bereich würde die Einführung neuer Herstellungsmethoden indes langwierigere und komplexere Prozesse voraussetzen.
Ausweitung der biologischen Produktion
Es gelte dies bei den aktuellen Problemen zu berücksichtigen. So müsse bei einem Betrieb, der von herkömmlicher Produktion zu Biolandwirtschaft wechsele, eine schwierige Übergangsphase in Kauf genommen werden. Minister Boden präzisierte, dass es in Luxemburg, das 2100 Landwirtschaftsbetriebe zählt, augenblicklich 30 Biobauern gibt während 20 Landwirte die Bereitschaft bekundet haben, ihre Produktion umzustellen. Ein Prozent der landwirtschaftlichen Produktion in Luxemburg entspreche den Kriterien der Biolandwirtschaft.
Es sei das Ziel, so Fernand Boden, diesen Anteil bis 2010 auf fünf Prozent zu steigern. Das Landwirtschaftsministerium unterstütze diesen Trend vor allem in den Bereichen Beratung und Vermarktung. Angesichts der starken Nachfrage nach Bioprodukten würde überdies die Frage erörtert, inwiefern die Möglichkeit besteht den Anteil der Bioproduktion über fünf Prozent hinaus, zu steigern.
Die leistungsfähige europäische Landwirtschaft: auch weiterhin eine Notwendigkeit
Der pauschalisierende Vorwurf, dass für die BSE-Krise sowie die Maul- und Klauenseuche der wissenschaftliche und technologische Fortschritt mitverantwortlich wären, könne man so nicht gelten lassen. Vor dem Hintergrund, dass 800 Millionen Menschen unterernährt sind, könne nur eine moderne Landbewirtschaftung die Versorgung der zunehmenden Weltbevölkerung gewährleisten.
Europa, das in einigen Bereichen der Nahrungsmittelerzeugung bereits in grossen Abhängigkeitsverhältnissen sei, würde auch weiterhin eine leistungsfähige und breitgefächerte landwirtschaftliche Produktion brauchen. Es gelte auf mögliche Engpässe vorbereitet zu bleiben, die beispielsweise durch Naturkatastrophen in anderen Teilen der Welt, die auf Landwirtschaft spezialisiert sind, auftreten können.
Die Landwirtschaft sei ebenfalls notwendig für die Pflege der Kulturlandschaft. Es seien vor allem die Bauern, die durch ihre Arbeit Vielfalt, Abwechslungsreichtum und Einzigartigkeit der Landschaften gewährleisten. Würde diese Arbeit Staat und Gemeinden obliegen, wäre dies eine beträchtliche Belastung der Budgets.
Berücksichtigung der Ziele und Prioritäten zu Beginn der gemeinsamen Agrarpolitik
Die gemeinsame Agrarpolitik habe die europäische Landwirtschaft rationalisiert und intensiviert. In ihrer Folge sei es zu bedenklichen Entwicklungen gekommen (Überdüngung, Zerstörung von zusammenhängenden Biotopen). Der früheren europäischen Landwirtschaftspolitik könne dies jedoch nicht zum Vorwurf gemacht werden. Es gelte vielmehr die damaligen Ziele und Prioritäten in Betracht zu ziehen.
Vor allem habe es bei den Anfängen der gemeinsamen Agrarpolitik gegolten die, bis in die fünfziger Jahre nicht selbstverständliche Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln zu gewährleisten. Gleichzeitig seien die Architekten des europäischen Landwirtschaftsmodells dem Interesse des Verbrauchers nach preisgünstigen Lebensmitteln nachgekommen.
Die Konzentration auf eine sichere und preisgünstige Lebensmittelversorgung durch eine Landwirtschaft, die nach industriellem Muster organisiert wurde, habe jedoch die Möglichkeit von Umweltschäden und Qualitätseinbussen, die im extremen Fall gesundheitsschädigend sein können, unberücksichtigt gelassen.
Beseitigung des ursprünglichen Denkfehlers
Der aufgrund fehlender Kenntnisse begangene Denkfehler der europäischen Agrarpolitik habe darin bestanden, dass versucht wurde, die landwirtschaftliche Produktion am Beispiel der industriellen Produktion zu gestalten.
Die europäische Landwirtschaftspolitik arbeite jedoch seit 1992 intensiv an der Beseitigung dieses Denkfehlers und seiner Folgen. Subventionen seien zusehends weniger an die Produktion gebunden, sondern mehr und mehr an Dienstleistungen. Die Landschaftspflegeprämie wird bspw. an Bauernbetriebe ausgezahlt, die bei ihrer Produktion die Landschaftsvielfalt berücksichtigen.
Modernes europäisches Landwirtschaftsmodell
Fernand Boden verwies in diesem Zusammenhang ebenfalls auf die Agenda 2000, die ein zukunftsorientiertes europäisches Landwirtschaftsmodell aufzeige. In Stichworten zusammengefasst zeichnet sich eine moderne und zukunftsfähige europäische Landwirtschaft aus durch Multifunktionalität, Nachhaltigkeit, Wettbewerbsfähigkeit, Schonung der Ressourcen sowie durch Qualitätsorientierung aus. Sie ist des Weiteren ein aktiver Faktor bei der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung des ländlichen Raums.
Voraussetzung für den Erfolg dieses Modells sind u.a.:
– Die stärkere Integration der Landwirte in die Vermarktungsstrukturen. Die Einbindung der Landwirte, die ebenfalls im Sinne einer verbraucherfreundlichen Transparenz ist, kann am besten erfolgen, wenn Vermarktungs- und Verarbeitungsbetriebe in der Produktionsregion angesiedelt sind.
– Die Senkung des Niedrigpreisdrucks auf landwirtschaftliche Produkte. Auch für Nahrungsmittel gilt, dass Qualität ihren Preis hat. Gefordert ist hier der Handel und insbesondere der Grosshandel. Qualitätsware muss gegenüber preisgünstigeren Produkten einen angemessenen Platz haben. Der Wettbewerb zwischen den Grosshandelsketten darf nicht ausschliesslich über den Preis, sondern muss ebenfalls über die Qualität der Produkte erfolgen.
– Die Konsumenten, die beim Kauf von Lebensmitteln bewusst auf Qualität achten und gegebenenfalls bereit sind, für qualitativ hochwertige Produkte wie die “Produits du terroir” einen höheren Preis zu zahlen.
Die Qualitätskriterien von Markenprodukten wie bspw. Herkunft, Herstellungsmethoden und Tierfutter müssen für den Verbraucher klar erkennbar und verständlich sein. Wichtig sei auch die Vermarktung. In diesem Bereich gebe es in Luxemburg noch Nachholbedarf. Durch eine gezielte Promotion der qualitativ hochwertigen luxemburgischen Erzeugnisse können neue Absatzmärkte erschlossen werden.
Maul- und Klauenseuche: Bei Impfung Konsequenzen bedenken
Mit Blick auf die Maul- und Klauenseuche wies Minister Boden darauf hin, dass die EU- Regelungen generelle Impfungen untersagen, insbesonders weil geimpfte Tiere nicht von kranken Tieren unterschieden werden können. Augenblicklich würde zwar mit Hochdruck an der Entwicklung von sogenannten markierten Impfstoffen (die eine solche Unterscheidung erlauben) gearbeitet, da diese jedoch noch nicht zur Verfügung ständen, könnten geimpfte Tiere auf dem Markt nicht abgesetzt werden Es würde sich daher auch die Frage stellen, was mit den geimpften Tieren geschehen solle.
Eine Impfung ohne Keulung, d.h. Schlachtung der Tiere zwecks Zerstörung der Kadaver, sei mit zahlreichen Problemen, Konsequenzen und Restriktionen verbunden. Ein nationaler Alleingang würde den Export von Vieh aus Luxemburg für die Dauer von mindestens einem Jahr ausschliessen. Des Weiteren wäre der Export von Milch- und Fleischprodukten stark in Frage gestellt und nur unter strengen Auflagen möglich.