Zum Jahresende wird die Abgeordnetenkammer stets mit dem legislativen Kernstück unseres demokratischen Gemeinwesens, der Gesetzesvorlage zum Staatshaushalt, befasst. Hier geht es um zukunftsrelevante Entscheidungen, um sachorientierte Politik, die mit Rationalität und Machbarkeitsdenken angegangen werden sollte.
Es wäre schlechter politischer Stil, wenn kleinliche Krittelei und politischer Hickhack die argumentative und sachliche Diskussion ins Abseits drängen würden. Bisweilen hat man allerdings den Eindruck, dass einvernehmliche Lösungen nicht zustande kommen, weil die Diskussionen eher gegeneinander als miteinander geführt werden. Phonstarke Widerrede oder eigenwillige Rechthaberei ersetzen aber keineswegs schlüssige Argumente. Der eigentlichen Sache ist da wenig gedient.
Der Haushaltsplan im Überblick Man kann, sowie es auch im diesjährigen Haushaltsbericht dargelegt wurde, davon ausgehen, dass die nationale Finanzlage gesund und gefestigt ist. Die umsichtige und resolut zukunftsorientierte Budgetpolitik der Regierung hat sicherlich das ihre hierzu beigetragen. Sehr maßhaltend im Ausgabenbereich, hat sie, bei steigenden Einnahmen, ein sehr ambitioniertes Investitionsprogramm durchgezogen, ohne, nach dem Gießkannenprinzip, wahlträchtige “Beglückungspolitik” zu betreiben.
Andererseits ist aber auch hervorzuheben, dass der vielschichtige Forderungskatalog, der an die Regierung herangetragen wurde, in vernünftigen Grenzen blieb, und dass die zur Verfügung stehenden Finanzmittel dem vorerwähnten Investitionsprogramm zugeführt werden konnten. Dies dank der festen Haltung der Regierung und dem Verantwortungsbewusstsein eines Großteils der Interessengruppen.
Schwachstellen nicht übersehen Trotz der zu Recht als günstig eingestuften Finanzlage, wäre es aber gewiss unverantwortlich, deren Schwachstellen zu übersehen oder als nicht relevant abzutun.
Drei davon seien hier angesprochen, nämlich: ? Unser vorrangig auf das Bank- und Finanzwesen ausgerichtetes Wirtschaftssystem. – Eine Konjunkturflaute, auch von kurzer Dauer, ein drittrangiges Finanzbeben könnten sich auf unsere monolithische Wirtschaftsstruktur negativ auswirken.
? Die Größenordnung des Landes – Ein Land in der Größenordnung Luxemburgs, ohne namhafte industrielle Rückendeckung, ist durch internationale wirtschaftliche und finanzielle Turbulenzen besonders gefährdet. Um diesen, sofern erforderlich, entgegenzuwirken und die Druckperiode zu überstehen, sind sehr umfangreiche Finanzreserven erforderlich.
? Unser Sozialversicherungssystem – Dieses, wohl eines der leistungsfähigsten der Welt, ist stark abhängig von der Entwicklung des Arbeitsmarktes. Obschon die zur Verfügung stehenden Reserven groß sind, könnte in Krisenzeiten das jetzige Leistungsniveau gefährdet werden.
Der Wind weht für unser Land aber nicht in Richtung Krisengefahr. Auch wenn die wirtschaftliche Wachstumsprognose etwas zurückgestuft werden muss (von 5% auf 4%), so kann von Rezession keine Rede sein. Unsere Wirtschafts- und Finanzlage ist zweifellos in der EG-Spitzengruppe anzusiedeln. Es ist jedoch unerlässlich, dass die jetzige, auf Wachstum ausgerichtete Politik weitergeführt wird, dass auch in Zukunft finanzielle Reserven angelegt werden, dass der Arbeitsmarkt weiterwächst und die Öffentlichen Investitionen, die 12% der diesjährigen Budgetausgabe übersteigen, auf hohem Stand verbleiben. Dies alles, um den vielfältigen Erfordernissen in den Bereichen Unterricht, Mittelstand, Justiz und Wohnungsbau, um nur diese zu erwähnen, gerecht zu werden. Zum Investieren aber braucht man Geld, viel Geld, und wir müssen davon ausgehen, dass die Ansprüche mit den Jahren steigen werden.
Es ist aber keineswegs so, dass die Staatskasse überläuft und die Geldschwemme nicht fassen kann.
Unsere finanzielle “Sauerstoffreserve” stammt nämlich teilweise noch aus Mehreinnahmen der vergangenen Jahre. Diese werden, sofern erforderlich, zum Begleichen der durch Wachstum bedingten Mehrausgaben mit herangezogen.
Zukunftsperspektiven Es ist nicht vorauszusagen, wie der Bevölkerungstand unseres Landes sich mit den Jahren entwickeln wird. Liegt die “verkraftbare” Höchstschwelle bei 500 000 Einwohnern, bei 600 000, oder mehr? Ein genaues Anpeilen dieser Höchstzahl dürfte allerdings weder möglich noch nützlich sein. Worauf es in Wirklichkeit ankommt sind nämlich die politischen Maßnahmen, mit denen man – bei welcher Bevölkerungszahl auch immer – dieses Wachstum begleitet. Es gilt dieses Wachstum zu gestalten, keineswegs aber darf es uns beherrschen. Gleichzeitig müssen wir uns bewusst sein, dass Luxemburg nicht auf fortwährendes Wachstum Anspruch erheben kann.
Es wäre fatal, wenn man sich unvorbereitet einer eventuellen Trendwende zu stellen hätte. Insofern ist eine Haushaltspolitik, die gute Zeiten nutzt, um Reserven anzulegen, mit deren Hilfe eine Konjunkturflaute ohne wirtschaftlichen Einbruch durchgestanden werden kann, sicherlich die Politik auf die es ankommt. Die Regierung hat also eine doppelte Herausforderung zu meistern: einerseits den Weiterbestand des Wirtschaftswachstums zu begleiten und andererseits auf den Konjunkturrückgang, mit eventueller Wirtschaftsflaute, vorbereitet zu sein.
Claude WISELER Abgeordneter