Überschuldung – Vorbeugung genießt Priorität
(PaW) Das Phänomen der Verschuldung bzw. Überschuldung betrifft nicht nur eine bestimmte Gesellschaftsschicht, sondern taucht in allen sozialen Klassen auf, so der CSV-Abgeordnete und Berichterstatter zum Gesetzentwurf zur Vorbeugung der Überschuldung Jean-Marie Halsdorf
gegenüber der Profil-Redaktion, mit Blick auf die weitreichenden Wurzeln der Überschuldung.
Überverschuldung stellt immer wieder einen sozialen und ökonomischen Brennstoff mit einer speziellen Herausforderung dar. Überschuldung bedingt eine kritische Lebenssituation für die Betroffenen. Das nun vorliegende Gesetz wird sicherlich nicht alle Probleme klären, aber es wird vielen eine neue Chance geben.
Nach Aussagen des CSV-Abgeordneten sollen denjenigen Personen, die in die Spirale der Verschuldung geraten sind, die notwendigen Mittel und Wege zur Verfügung gestellt werden, um finanziell zu gesunden und wiederum ein menschenwürdiges Leben führen zu können. Überschuldung soll weitgehend verhindert, Schuldner und Gläubiger beraten und die Verbraucher zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Schulden motiviert werden.
Auch wurde mehrfach hervorgehoben, dass Überschuldung kein marginales gesellschaftliches Problem ist. Es betrifft leider alle Schichten der Bevölkerung. Jedoch suchen allzu oft viele Betroffene erst dann Rat und Hilfe, wenn es schon zu spät ist. Seit 1993 wurden etwa 2000 Akte behandelt. Dennoch müsste man von 5000 oder vielleicht sogar mehr überschuldeten Familien ausgehen.
Wann ist ein Bürger überschuldet?
Hierzu gibt es verschiedene Darlegungen, so der CSV-Deputierte. Die leistenden monatlichen Gesamtausgaben sind höher als die Einnahmen. Bei schwachem Einkommen stellen 20 Prozent Schulden des Einkommens schon eine Gefahr dar. Bei einem Prozentsatz von über 30 sprechen wir von exzessiver Verschuldung. Wenn das Verhältnis der Ausgaben zu den Einnahmen immer mehr ansteigt, muss man von Überschuldung sprechen. Eine Relation von über 60 Prozent regelmäßiger Ausgaben gegenüber den Einnahmen wird als Überschuldung bezeichnet.
Ratenverpflichtungen können nicht mehr bedient werden. Das freiverfügbare Haushaltseinkommen reicht nicht mehr aus für das Bestreiten des Lebensunterhaltes und den darüberhinausgehenden Zahlungsverpflichtungen. Im Rahmen der Debatte in der Abgeordnetenkammer wurden mehrere Ursachen für Überschuldung angesprochen, so u.a. die Leichtigkeit der Konsumkreditvergabe durch die Banken, der Kreditkartenkommerz als solcher, aber auch Schicksalsschläge; die Unfähigkeit des Einzelnen im Umgang mit Geld sowie die allgemeine Auffassung der Leute, den Wert eines Menschen an den materiellen und sozialen Errungenschaften zu messen.
Die Inhalte und Schwerpunkte
Die Gesetzvorlage 4409, die von Familienministerin Marie-Josée Jacobs eingebracht und vom Plenum einstimmig angenommen wurde, sieht die Vorbeugung der Überschuldung durch zwei Instrumente vor:
? eine konventionelle Regelung der Schulden vor einer Vermittlungskommission ? und eine gerichtliche Regelung vor dem Friedensgericht.
Die konventionelle Phase wird durch einen Antrag eingeleitet, den der Schuldner bei der Informations- und Beratungsstelle für Überschuldung stellen kann. Anschließend können die Ansprüche auf den Gütern des Schuldners eingestellt werden. Ein finanzieller Gesundungsplan wird erstellt, den die Vermittlungskommission dem Schuldner und seinen Gläubigern dann zwecks Zustimmung unterbreitet.
Scheitert dieser Weg der Schuldentilgung, d.h. wird der Plan nicht angenommen, kann der Friedensrichter belangt und eine gerichtliche Regelung eingeleitet werden. Der Richter spricht unter Einbeziehung der ihm bekannten Fakten ein Urteil, indem er dann einen Gesundungsplan definiert.
Festgesetzt wird ebenfalls eine Schuldtilgungsfrist, die jedoch sieben Jahre nicht überschreiten darf. Der Richter kann gegebenenfalls die Nichtigkeit des Planes verkünden, und damit den Gläubigern gerichtliche Schritte gegen den Schuldner erlauben.
Die Beratungs- und Informationsstelle – sie untersteht dem Familienministerium – soll zusätzlich zu den Entschuldungsplänen auch vorbeugende Maßnahmen vorschlagen. Ergänzende Maßnahmen zur Bekämpfung der Überschuldung sollen bei der Regierung aufgrund der gemachten Erfahrungen und Erkenntnisse eingereicht werden.
Ein Gesundungsfonds wird geschaffen, der durch jährliche Budgetbeträge und Spenden gespeist wird.
Der Fonds kann “Konsolidierungs”-Anleihen zugestehen, die jedoch 70.000 Franken (Index 100) nicht überschreiten dürfen und innerhalb von höchstens sieben Jahren rückerstattet werden müssen.
Innerhalb von zehn Jahren kann keine weitere Anleihe angefragt werden.
Nach fünf Jahren wird der Abgeordnetenkammer ein Bewertungsbericht über die Erfahrungen der im Gesetz vorgesehenen Maßnahmen vorgelegt.