Neuerungen im Sozial- und Arbeitsrecht Das Arbeitsrecht, im weiten Sinne des Wortes, gehört sicherlich zu den Teilgebieten der allgemeinen Rechtsordnung, die am häufigsten im Umbruch liegen. Eingelagert in das Spannungsfeld von Gesellschaft und Wirtschaft, gerät es des öfteren ins Kreuzfeuer der Diskussion, wird positiv oder kritisch beurteilt, und, sofern erforderlich, neu formuliert und veränderten Umfeldbedingungen angepasst.
Die hier angesprochenen Neuerungen, die im November in der Abgeordnetenkammer verabschiedet wurden, betreffen die medizinische Betreuung der Arbeitnehmer des Privatsektors sowie den gesetzlich garantierten Mindestlohn.
? Die medizinische Betreuung der Arbeitnehmer des Privatsektors Bei den drei Gesetzestexten, die bis jetzt die Rechtsverbindlichkeit in diesen Bereichen absicherten, handelt es sich um: – das Gesetz über die Gesundheitsdienste am Arbeitsplatz (17.6.1994) ; – das abgeänderte Gesetz vom 20.5.1988 zum Schutz der Arbeitnehmer vor chemischen, physikalischen und biologischen Risiken am Arbeitsplatz, sowie – das abgeänderte Gesetz vom 24.5.1989 über den Arbeitsvertrag.
Das anhängige Projekt soll die bestehende Rechtslage vorrangig in 3 Bereichen abändern und verbessern: Die ärztliche Eignungsprüfung für Arbeitnehmer Gemäss den bestehenden Bestimmungen hat der Arbeitnehmer, der sich um einen Arbeitsplatz bewirbt, sich vor der Einstellung einer ärztlichen Eignungsprüfung durch einen Arbeitsmediziner zu unterziehen. Da diese Prüfung vor der Einstellung zu geschehen hat, kommt es aber infolge der starken Nachfrage zu immer größeren Engpässen bei der Durchführung der anstehenden Untersuchungen. So ist erwiesen, dass in etwa 45% der Fälle dieser Bedingung nicht entsprochen werden kann. Die Eingangsfassung des Projektes sah demgemäss vor, dass die Eignungsprüfungen – mit Ausnahme derjenigen in Risikobereichen – im Monat der Einstellung vorgenommen werden müssen. Der Ausschuss für Gesundheit und soziale Sicherheit der Abgeordnetenkammer hat diese Frist auf zwei Monate erweitert. Der Arbeiter kann also noch vor der Bekanntgabe des ärztlichen Gutachtens eingestellt werden. Hierdurch sind einerseits die arbeitsmedizinischen Dienste entlastet und Kurzzeitarbeiter können (außer auf Risikoposten) von dieser Prüfung entbunden werden.
Die Arbeitsstellen mit Risikogefahr Eine genaue Definition dieses Begriffs ist erforderlich, da bei Risikoarbeit das ärztliche Gutachten bereits vor der Einstellung eingereicht werden muss und periodisch neue Untersuchungen vorzunehmen sind.
Als risikogefährdet ist die Arbeitsstelle anzusehen, die den Arbeiter der Gefahr einer Berufskrankheit, eines Arbeitsunfalls am Arbeitsplatz oder der Einwirkung gesundheitsschädigender physikalischer, biologischer resp. krebserregender Stoffe aussetzt.
Des Weiteren ist als risikogefährdet diejenige Arbeitsstelle einzustufen, auf der Tätigkeiten ausgeübt werden, welche die anderen Arbeiter oder Drittpersonen gefährden. Auch Arbeitsstellen auf denen Kontrollfunktionen getätigt werden, deren Versagen die Gesundheit oder Sicherheit der Arbeiter oder diejenige von Drittpersonen in Gefahr bringen können sind der gleichen Risikostufe zuzuordnen.
Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass das vorliegende Gesetzesprojekt ausdrücklich “andere Arbeitnehmer” und “Drittpersonen” in seinen Wirkungsbereich einbezieht und somit seine Schutzfunktion auch auf diese ausdehnt.
Die Verwaltungsarbeit Ein Tätigkeitsbericht gibt Aufschluss über das Wirken der arbeitsmedizinischen Dienste im Laufe des Jahres.
Allerdings soll der Arbeitsüberhäufung an Verwaltungsarbeit dadurch begegnet werden, dass nur den Unternehmern mit mehr als 150 Mitarbeitern ein jährlicher Tätigkeitsbericht abverlangt wird, während die kleinen Unternehmen nur einen Bericht im Dreijahresrhythmus einzureichen haben.
? Abänderung von Artikel 2 des Gesetzes über das “Garantierte Mindesteinkommen”
Die augenblickliche Rechtslage sieht, um in den Genuss des garantierten Mindesteinkommens zu gelangen, folgende Bedingungen vor : – Der Bewerber muss, während den vergangenen 20 Jahren wenigstens fünf Jahre im Großherzogtum gelebt haben ; – Er muss Staatsbürger des Großherzogtums, eines Mitgliedstaates der europäischen Union oder eines Staates der den Vertrag über den europäischen Wirtschaftsraum unterzeichnet hat.
Die europäische Kommission bemängelt in dieser Textfassung die Bestimmung, gemäss der den Angehörigen der anderen EU-Mitgliedstaaten eine fünfjährige Aufenthaltsdauer im Großherzogtum aufgezwungen wird, um in den Genuss des garantierten Mindesteinkommens zu gelangen. Sie sieht in dieser Verfügung einen Verstoß gegen das Prinzip der Behandlungsgleichheit der EU-Bürger. Der abgeänderte Text entspricht den Empfehlungen der Kommission und sieht vor, dass die Residenzklausel fünfjähriger Aufenthalt in Luxemburg während den vergangenen 20 Jahren – zukünftig nur noch auf “Nicht-EU-Bürger” anwendbar ist, die weder staatenlos sind, noch die Anerkennung als politische Flüchtlinge haben.
Man kann also davon ausgehen, dass in Zukunft die Sparte der eventuellen Nutznießer des garantierten Mindestlohnes sich wesentlich erweitern wird.
Claude Wiseler Abgeordneter