Überschuldung – Vorbeugung genießt Priorität
Das Gesetz zur Vorbeugung gegen Überschuldung, das von den Abgeordneten im Parlament kürzlich verabschiedet wurde, soll es erlauben, dass auch die Bürger, die in die Spirale der Verschuldung geraten sind, Mittel und Wege finden, finanziell zu gesunden und dennoch ein menschenwürdiges Leben zu führen, so Jean-Marie Halsdorf in einem Luxemburger Wort Interview Ende Oktober. Das Gespräch führte LW-Redakteur Jean-Paul Schneider. An dieser Stelle wollen wir die wichtigsten Elemente dieses Gespräches nochmals in Erinnerung rufen. (siehe auch Rubrik “aus der Chamber”: Gesetzesentwurf zur Vorbeugung der Überschuldung)
Bereits 1991 hatte die Regierung eine Kommission ins Leben gerufen, die die Schaffung einer konventionierten Beratungsstelle gegen Überschuldung ermöglichen sollte, über Jahre hinweg schaltete das Familienministerium zudem Sensibilisierungskampagnen in den Medien. Rechtlich gesehen, galten bislang die Artikel 1147 im Allgemeinen und 1244 bezüglich der Zahlungsfristen des bürgerlichen Zivilgesetzbuches sowie Artikel 728 der neuen Zivilprozessordnung betreffend die Lohnpfändung. Bei diesen Maßnahmen handelte es sich jeweils nur um punktuelle Schritte ohne jeglichen kohärenten gesetzlichen Rahmen, geschweige denn Kriterien zur Vorbeugung gegen Überschuldung. Dies hat sich seit dem 12. Oktober mit der Verabschiedung einer neuen gesetzlichen Grundlage geändert.
Der CSV-Abgeordnete Jean-Marie Halsdorf erläuterte im Interview die Schwerpunkte und das Wirkungsfeld des Gesetzes zur Vorbeugung gegen Überverschuldung.
Wann spricht man von Verschuldung?
Verschuldung ist der, wer regelmäßige Ausgaben über einen längeren Zeitraum tätigen muss, wobei die Einnahmen und die Summe der Verschuldung miteinander verglichen werden.
Wann ist ein Bürger überschuldet?
Hierzu gibt es verschiedene Darlegungen. Liegt eine Person mit schwachem Einkommen monatlich bei 20 Prozent Schulden, so kann dies schon gefährlich werden, über 30 Prozent sprechen wir von exzessiver Verschuldung. Wenn das Verhältnis der Ausgaben zu den Einnahmen immer mehr ansteigt, muss man von Überschuldung sprechen. Eine Relation von über 60 Prozent regelmäßiger Ausgaben gegenüber den Einnahmen wird ohne weiteres als Überschuldung bezeichnet.
Er kann also seine ursprünglichen Versprechen über einen längeren Zeitraum nicht mehr halten, weil diese, finanziell gesehen, immer mehr anwachsen bzw. deren Begleichung ihm regelrecht davonläuft, und somit sein qualitatives Lebensniveau langsam aber sicher absinkt, ohne dass er etwas dagegen unternehmen kann.
Wer ist überschuldet?
Überschuldung trifft man in allen soziokulturellen Schichten der Gesellschaft an. Seit 1993 wurden zirka 2000 Akten behandelt. In der Tat muss man von 5000 oder vielleicht sogar mehr überschuldeten Familien ausgehen, weil die meisten ihre Situation erst offen legen, wenn es zu spät ist.
Was sind die Ursachen für Überschuldung?
Die Leichtigkeit der Konsumkreditvergabe durch die Banken, der Kreditkartenkommerz als solcher, aber auch Schicksalsschläge; die Unfähigkeit des Einzelnen im Umgang mit Geld sowie die allgemeine Auffassung der Leute, den Wert eines Menschen an den materiellen und sozialen Errungenschaften zu messen.
Welche Maßnahmen sieht das neue Gesetz vor, um Überschuldung zu vermeiden?
Private Haushaltsvoranschläge erstellen, Kredite mit kurzer Laufzeit bei Konsumgütern sowie längerer Fortdauer bei Hypothekendarlehen beantragen, Vorsicht im Umgang mit Kreditkarten usw., diese “goldenen” Regeln gelten in allen EU-Ländern, und die diesbezüglichen Gesetzgebungen gehen des Öfteren in die gleiche Richtung. Das nunmehr verabschiedete Gesetz zur Vorbeugung gegen Überschuldung orientiert sich an der Philosophie, dem Schuldner dennoch ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.
Das Gesetz nun sieht die Vorbeugung bzw. Bereinigung der Überschuldung durch zwei Instrumente vor: zum einen eine konventionelle Regelung der Schuldenlast vor einer Vermittlungskommission, zum anderen eine gerichtliche Regelung vor dem Friedensgericht. Um in den Genuss einer dieser beiden Kollektivprozeduren zu kommen, muss der Schuldner jeweils die Residenzklausel erfüllen, d.h. er muss auf luxemburgischem Staatsgebiet wohnen, sich dauerhaft finanziell in Schwierigkeiten befinden und keine geschäftliche Tätigkeit im Sinn von Artikel 1 des Handelsgesetzbuches ausüben.
Wie funktionieren die konventionelle und gerichtliche Regelung?
Die konventionelle Phase der Regelung wird eingeleitet durch einen Antrag, den der Schuldner bei der Informations- und Beratungsstelle für Überschuldung (Service d’information et de conseil en matière de surendettement) stellt. Ab diesem Zeitpunkt läuft die Prozedur über einen Zeitraum von sechs Monaten, und die Ansprüche auf den Gütern des Schuldners werden eingestellt. Ein Gesundungsplan wird ausgearbeitet, den die Vermittlungskommission dem Schuldner und seinen Gläubigern unterbreitet.
Scheitert dieser Weg der Schuldentilgung, d.h. wird der Plan nicht angenommen, nur dann kann der Friedensrichter, dessen territoriale Kompetenz per Gesetz festgelegt ist, belangt und eine gerichtliche Regelung eingeleitet werden.
Der Richter spricht unter Einbeziehung der ihm vorliegenden Fakten ein Urteil, aufgrund dessen er einen Gesundungsplan definiert und diesen dem Schuldner auferlegt. Er setzt auch eine Frist zur Tilgung der Schulden fest, die sieben Jahre nicht überschreiten darf.
Die gerichtliche Prozedur kann von der Beratungsstelle, vom Schuldner selbst sowie von jeder anderen Partei ausgelöst werden. Die Beantragung der konventionellen Regelung liegt einzig und allein im Ermessen des Schuldners.
Was hat sich noch verändert?
Mit dem verabschiedeten Gesetz erhielt ebenfalls der “Service d’Information er de Conseil en Matière de Surendettement” einen gesetzlichen Rahmen. Auch wurde ein Gesundungsfonds eingerichtet.