NICHTS GEGEN DIE SCHWEIZ
Er sei “zu antischweizerischen Gefühlen völlig unfähig” und halte das Bankgeheimnis “nicht per se für unmoralisch”, so Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker in einem Interview der schweizer Zeitung BILANZ mit dem Chefredaktor Martin Schläpfer über den Anfang vom Ende des Bankgeheimnisses, die umstrittenen Beschlüsse der EU und den massiven Druck auf die Schweiz.
BILANZ: Herr Premierminister, wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass 2010 das Bankgeheimnis europaweit verschwindet? Jean-Claude Juncker: Ihre Fragestellung ist eine typisch schweizerische und auch eine typisch luxemburgische. Die EU und auch wir arbeiten daran, dass die Vorbedingungen für den so genannten Informationsaustausch erfüllt werden. In diesem Fall würde dies das Ende des Bankgeheimnisses bedeuten.
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BILANZ: Doch wenn es keine Einigung mit der Schweiz gibt, behalten Sie sich vor, die geplante EU-Richtlinie scheitern zu lassen.
Jean-Claude Juncker: Das stimmt nicht ganz. Es gibt eine weltweite Tendenz, vom Bankgeheimnis abzurücken. Nun könnten sich die Schweiz und Luxemburg aufplustern und sagen: Der Rest der Welt ist uns egal. Mir ist dies aber nicht egal, und ich muss diese Bewegung ernst nehmen, obwohl es sich vielleicht nur um eine Modeerscheinung handelt. Wenn der Druck anhalten sollte: Können wir dann einfach sagen, das Bankgeheimnis verschwindet weltweit, doch in Luxemburg und der Schweiz bleibt es bestehen?
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BILANZ: Glauben Sie denn, dass weltweit alle Steueroasen trockengelegt werden können? Jean-Claude Juncker: Wenn wir eine Lösung treffen, die uns international so isoliert, dass unsere Finanzzentren dauerhaft Schatten erleiden, während andere fröhliche Feste feiern, der mutet jenen Ländern mit Finanzzentren wie Luxemburg zu viel zu.
BILANZ: Im Klartext: Feira ist letztlich gar nicht umsetzbar.
Das habe ich nicht gesagt, aber ich kann die objektiven Probleme nicht verschweigen. Ich bin mit der Lösung einverstanden, aber die Bedingungen müssen sich am internationaler Umfeld orientieren. Es wäre in höchstem Mass erstaunlich, wenn wir im Zeitalter der Globalisierung nicht darauf aufmerksam machen würden, dass es so etwas wie ein Nicht-EU-Ausland gibt.
Interview aus BILANZ 27.7.2000 (Kurzausschnitt)