Am Interview….
…de Paul-Henri Meyers
CSV-Deputéierten, responsabel fir Verfassungsfroen
Profil: Die Luxemburger Verfassung soll reformiert werden. Fast das komplette Grundgesetz wurde Ende der vergangenen Legislaturperiode zur Revision freigegeben. Welche konkreten Textänderungen sind eigentlich geplant?
Paul-Henri Meyers: 115 Artikel können einer Revision unterzogen werden. Die zuständige Parlamentskommission hat das Recht, entsprechende Vorschläge zu machen. Ich gehe allerdings davon aus, daß nicht alle Bestimmungen abgeändert werden. Es ist beispielsweise logisch, von einer Revision jener Artikel abzusehen, die bereits in den vergangenen Jahren angepaßt worden sind. Meines Erachtens nach sollen wir uns in einer ersten Phase auf die Grundrechte und die Verfassungsartikel 36 und 114 konzentrieren.
Profil: Artikel 36 besagt…
Paul-Henri Meyers:…wer in Luxemburg dazu befähigt ist, Ausführungsbestimmungen von Gesetzen zu erlassen. Zur Zeit ist dieses Recht ausschließlich dem Großherzog vorbehalten.
Das wurde übrigens in mehreren Verfahren vom Verfassungsgericht bestätigt. In der Praxis wurden jedoch immer Ausführungsbestimmungen durch Ministerialreglements erlassen. Hinzu kommen unzählige Beschlüsse von öffentlichen Dienststellen, obschon diese eigentlich nicht zu solchen Entscheidungen befähigt sind. Durch eine strikte Auslegung von Artikel 36 werden die administrativen Prozeduren schwerfällig. Daher drängt sich eine Abänderung der verfassungsrechtlichen Vorgaben auf.
Profil: Sie hatten auch Artikel 114 der Verfassung angesprochen.
Paul-Henri Meyers: Ja, hier geht es darum, klare Regeln im Falle der Ratifizierung von internationalen Verträgen zu definieren. Das ist im europäischen Kontext von großer Wichtigkeit. Wenn internationale Verträge eine Abänderung der Verfassung bedingen, brauchen wir eine Prozedur, die das auch ermöglicht und ohne, daß das Parlament aufgelöst werden muß.
Profil: Auch bei der Revision von Artikel 114 sollen also Anpassungen an aktuelle Gegebenheiten vorgenommen werden?
Paul-Henri Meyers: So kann man das sehen. Eigentlich ist die Verfassung ein rigider Rahmen, der allerdings manchmal punktuelle Anpassung erfordert.
Profil: Gibt es denn einen politischen Konsens in Sachen Verfassungsrevision? Paul-Henri Meyers: Was Artikel 114 anbelangt, so wurde in der vorherigen Legislaturperiode bereits ein Textentwurf vorgelegt. Vor diesem Hintergrund zeichnet sich ein breiter Konsens ab.
Im Zusammenhang mit Artikel 36 scheint es in der zuständigen Parlamentskommission keine unüberwindbaren Divergenzen zu geben.
Profil: Und wann ist mit der Verabschiedung der neuen Verfassungsartikel zu rechnen?
Paul-Henri Meyers: Dazu möchte ich bemerken, daß auch die Verfassungsartikel über die Grundrechte der Bürger neugefaßt werden sollen. Hier stellt sich die Frage, ob aufgrund eines Textvorschlags des Parlaments auch ein Referendum über die Grundrechte stattfinden soll. Die Kammer hat jedenfalls zwei ausländische Experten für Verfassungsrecht beauftragt, unmittelbar nach den Osterferien Vorschläge über die Struktur der abgeänderten Verfassung vorzulegen. Bevor wir einen genauen Zeitplan festlegen, müssen wir uns im klaren sein über Gewichtung und Struktur der Verfassung. Die Revision der Verfassung ist nicht im Hauruck- Verfahren zu bewältigen.
Profil: Auch die Schaffung eines Ombudsman steht im direkten Zusammenhang mit der Verfassungsrevision?
Paul-Henri Meyers: In der Verfassung steht das Petitionsrecht festgeschrieben. Jeder Bürger hat das Recht, das Parlament mit einer Petition zu befassen. Es gibt allerdings keine Angaben darüber, wie dieses Petitionstrecht konkret aussieht. Wir brauchen jedoch ein konkretes Regelwerk. Meiner Meinung haben Bürger ein Recht darauf, zu wissen was mit ihren Unterschriftenlisten geschieht Profil: Eine Aufgabe für den Ombudsman…
Paul-Henri Meyers: Eben, der Ombudsman soll den Bürgern bei der Wahrung ihrer Rechte helfen. Daher ist er beim Parlament anzusiedeln.
Profil: Wann wird der Ombudsman seine Arbeit aufnehmen? Paul-Henri Meyers: Schwer zu sagen. In der zuständigen Kammerkommission wurde bis dato noch keine grundsätzliche Diskussion geführt. Aber im Dossier Ombudsman ist es auch unerläßlich, die Meinung der Regierung zu kennen.