In der sozialen Mitte

Die Parteien entdecken die Mitte. Das Raufen um die Mitte hat begonnen. Alle wollen sich zur Mitte hin verändern.
Die Parteien entdecken die Mitte. Das Raufen um die Mitte hat begonnen. Alle wollen sich zur Mitte hin verändern. Vor allem populistische Gruppen, die sich dort scheinbar eine ertragreiche Position erhoffen. So oder ähnlich lässt sich die derzeitige Diskussion beschreiben. Liberale und Sozialisten, Grüne und andere politische Bewegungen beschreiben ihre Politik nunmehr und mit Nachdruck als Politik der Mitte. Politik der Mitte ist zum Modewort geworden, doch Politik der Mitte ist keine Neuerscheinung. Die politische Mitte festigte sich in Europa im 20. Jahrhundert, dies vor allem auch als Antwort auf die furchtbaren Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus. Die politische Mitte war Bestandteil der Reaktion auf die sich abzeichnenden liberalen und sozialistischen Machtballungen. Es war der Versuch, einen humanen Weg zwischen Marxismus und Kapitalismus zu definieren. Allen Widerständen zum Trotz entwickelten sich die besonders von Marxisten und anderen linken Kräften sowie von liberal-kapitalistisch orientierten Bewegungen bekämpften neuen Parteien zu einer starken politischen Kraft. Die damals definierten Konzepte der sozialen Marktwirtschaft und vor allem des sozialen Dialogs sind auch heute noch die Grundlagen für die Weiterentwicklung der Gesellschaft und für Gerechtigkeit, Wohlstand und sozialen Fortschritt. Auch die CSV ­ von Beginn an eine echte Volkspartei ­ entstand in diesen Zeiten. Das Modell der sozialen Marktwirtschaft und die Idee des sozialen Dialogs und des Bekenntnisses zur aktiven sozialen Partnerschaft prägten die politischen Grundeinstellungen. Die CSV braucht die politische Mitte also nicht erst zu entdecken. Seit Jahren gestaltet die CSV ihre Politik in der sozialen Mitte. Die Gründungsidee zielte darauf, Brücken zu schlagen: Brücken zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, zwischen gesellschaftlichen und sozialen Gruppen, zwischen den Geschlechtern sowie zwischen Christen und Nichtchristen. Eine starke Mitte bietet dabei zu dem eine wichtige Garantie gegen Rückfälle in jedwede menschenverachtende Ideologien. Die Wirkungen, die die christlich-sozialen und christdemokratischen Volksparteien, entfalteten, machten sie vor allem zu einer Kraft der Zukunft. Dies in einer Zeit großer Veränderungen. Die von der Globalisierung und dem rasanten technischen Fortschritt nunmehr geprägte Umbruchs- und Entwicklungsphase, die unsere Gesellschaft derzeit erlebt, ist abermals von großen Veränderungen und neuen Herausforderungen geprägt. Wir stehen wieder vor der Aufgabe, den besten und geeigneten Weg in die Zukunft zu finden. Angesichts der oberflächlichen Parolen, mit denen manche nunmehr versuchen die Mitte zu besetzen, braucht die Diskussion klare Maßstäbe. Denn “politische Mitte” ist kein Etikett, das nach Belieben umgehängt werden kann. Es reicht nicht, den Begriff im Mund zu führen. Mitte verpflichtet. Es ist vor allem auch das Bekenntnis zu einer Wertegemeinschaft, die sich klar vor extremistischen Ansätzen und Umtrieben abgrenzt. Kein künstliches ideologisches Konstrukt für die Gesellschaft, sondern das christliche Menschenbild, das dem Einzelnen in seiner Einzigartigkeit und mit seinem ganzen Potenzial an Entfaltungsmöglichkeiten und Mitverantwortlichkeit in den Mittelpunkt stellt! Politik der Mitte ist das Bestreben, die Gesellschaft auf ein gemeinsames Ziel hinzuorientieren, wo das Miteinander, die Partnerschaft und die Gerechtigkeit, wo Solidarität und Toleranz, wo gegenseitiger Respekt und Verantwortung im Blickpunkt stehen. Und wo gleichzeitig die Schwachen, die Kranken, die Alten und die am Rande stehenden, ein menschenwürdiges Leben in Mitten der Gesellschaft ermöglicht wird. Ein Gesellschaft, die niemanden ausgrenzt.

Erna Hennicot-Schoepges

Parteipräsidentin