Eine Frage des Werts

Wie erneuerbare Energien nachhaltig gefördert werden können. Fräi politesch Tribune vum Jeff Boonen, President vun der CSV-Norden am Lëtzebuerger Land

 

Energiepolitik ist Teil der Klimapolitik. Wollen wir die Klimagase bis 2030 um 55 Prozent senken, müssen wir den Verbrauch der Energielieferanten Kohle und Öl quasi auf null setzen. Dieses Ziel haben alle verantwortlichen politischen Parteien erkannt und schlagen Maßnahmen vor, wie die Energietransition gelingen kann: Ausbau der Produktion von Wind- und Sonnenenergie, verstärkte Nutzung von elektrischer Energie in der Mobilität, Wasserstoffproduktion (grüner Wasserstoff), usw.

Diese Maßnahmen werden politisch unterstützt und mit Förderprogrammen umgesetzt. Zum Beispiel werden mit hohen Einspeisevergütungen für elektrische Energie während festgelegter Laufzeiten Investoren ermutigt, in die Produktion von erneuerbarem Strom zu investieren.

Hoch subventionierte Einspeisevergütungen sind aus zwei Gründen attraktiv: Die Regierung sieht mittelfristig die Anzahl an Anlagen sowie die verfügbare elektrische Energie ansteigen, und die Investoren kommen in den Genuss hoher Renditen.

Dennoch birgt diese Subventionspolitik eine Gefahr: Es kommt zu einem Überangebot an Energie am Markt – verstärkt durch eine sehr variable Stromproduktion durch Wind und Sonne – , die zu kurzfristigen starken Schwankungen führen kann: Die Folge davon sind sinkende Marktpreise, Strom wird günstiger.

Nach Ablauf der Förderung sind dann nur noch wenige Anlagen rentabel. Erste Solaranlagen und Biogasanlagen, die Anfang der 2000er-Jahre in Luxemburg bezuschusst wurden, können heute nicht zum Marktpreis produzieren, und stellen die Produktion ein.

Hier werden Parallelen zur Agrarpolitik der letzten 60 Jahren erkennbar. Marshall-Plan und hohe Preissubventionen haben während der 1970er- und 1980er-Jahre zu einer Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion geführt. Europa konnte dadurch seine eigenen Lebensmittel produzieren, und das ehrgeizige Ziel, nach dem Zweiten Weltkrieg die Selbstversorgung von Nahrungsmitteln sicherzustellen, wurde erreicht. Das Angebot überstieg die Nachfrage und die Preise für Lebensmittel fielen.

Bei jeder anschließenden Agrarreform wurde versucht, die Subventionen umzugestalten, um weniger Markeffekte zu haben. Dennoch können Landwirte heute nicht mehr ohne öffentliche Gelder produzieren, und die Preise für Lebensmittel entsprechen nicht den Produktionskosten beziehungsweise ihrem Wert.

Natürlich sind billige Lebensmittel und auch billige Energie attraktiv für die Wirtschaft und die Gesellschaft. Langfristig muss aber das Ziel im Vordergrund stehen, einen Marktwert zu erreichen, der den Produktionskosten entspricht.

Somit stellen sich 2 Fragen: Wie können wir das Gleichgewicht zwischen Kosten von erneuerbaren Energien und Energiepreis herstellen? Und wie kompensieren wir etwaige höhere Energiekosten für Bürger mit niedrigem Einkommen, die einen Preisanstieg proportional stärker zu spüren bekommen?

Das Gleichgewicht kann erreicht werden, indem wir die Folgekosten (Klimaemissionen) für Erdöl und Kohleenergie mit in den Gestehungspreis mit einbeziehen.  Dies muss durch eine substanzielle Erhöhung des CO2-Preises geschehen.

Um die Auswirkungen auf die Haushaltskasse von Bürgern mit einem niedrigeren Einkommen abzufedern, muss ein spezifisches Unterstützungsprogramm für besagte Bevölkerungsgruppe aufgelegt werden – gegebenenfalls mit Zuwendungen aus den Einnahmen der CO2-Steuer.

In einer ökosozialen Marktwirtschaft, für die die CSV sich einsetzt, sollten solche praxisorientierte und zielgerichtete Lösungen möglich sein. Der Staat muss die Rahmenbedingungen am Markt so gestalten, dass langfristig erneuerbare Energien kostendeckend produziert werden können und gleichzeitig niemand in der Gesellschaft finanziell darunter zu leiden hat.

Lëtzebuerger Land, 13. August 2021