Covid-19 : Klare Exit-Roadmap mit menschlichen Perspektiven

Seit sieben Wochen befinden sich Land und Leute im Corona-Ausnahmezustand. Die Bewegungsfreiheit ist stark eingeschränkt. Die bürgerlichen Freiheiten auch. Umso größer ist die Solidarität der Menschen. Wir begrüßen diese ausdrücklich. Der Lockdown zeigt Wirkung. Nun müssen wir lernen, mit dem Virus zu leben. Das Land muss zurück in eine Form gesellschaftlicher Normalität finden. Vorsichtig und verantwortbar. Aber doch bestimmt. Die bereits feststellbare Wirtschaftskrise muss möglichst abgefedert werden. Eine schwere Rezession mit Sozialkrise muss verhindert werden.

Die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit muss ein Mittelweg des gesunden Menschenverstands sein. Die Maßnahmen müssen verhältnismäßig und zielführend sein. Das Land muss bestmöglich auf die Zukunft vorbereitet werden. Mit einer Exit-Strategie mit intelligenten Sofortmaßnahmen für ein möglichst sicheres Leben mit dem Virus. Und mit einer Neustart-Agenda, die jetzt vorbereitet werden muss. Damit die Krise nicht zum Dauerstillstand wird.

Konkret schlagen wir folgende Maßnahmen vor:

1. Exit-Roadmap mit Kohärenz, Klarheit und Gleichbehandlung

Die Bürger brauchen eine kohärente und nachvollziehbare Roadmap und Exit-Strategie in Richtung mehr Normalität. Natürlich mit der notwendigen Flexibilität. Doch diese darf keine Ausrede für eine unklare Kommunikation oder intransparente Kriterien sein. Die Kommunikation muss expliziter werden. Offene Fragen müssen klarer benannt werden. Zudem müssen die Bürger gleich behandelt werden. Nur dann wird die Strategie akzeptiert und auch umgesetzt.

2. Mehr Bewegungsfreiheit durch Kontrolle der Infektionsketten

Mit dem Virus leben, heißt auch mehr Bewegungsfreiheit. Dieses Mehr an Normalität geht in Corona-Zeiten nur mit einer besseren Kontrolle der Infektionsketten. Wir brauchen hier einen vernünftigen Mittelweg zwischen Gesundheits- und Datenschutz. Dies gilt sowohl für die gegenwärtige analoge Rückverfolgung als auch für eine mögliche digitale Tracing-App.

Als CSV verschließen wir uns einer solchen Tracing-App als digitales Hilfsmittel nicht. Denn sollten die Infektionszahlen wieder steigen, könnte die analoge Methode schnell an ihre Grenzen stoßen. Allerdings muss eine solche App die Prinzipien von Freiwilligkeit, Anonymität, Datenschutz, Datensicherheit und Transparenz respektieren. Die Datenspeicherung muss dezentral erfolgen. Ein gemeinsames EU-Tracing-Konzept muss weiter angestrebt werden.

Teil der Exit-Strategie muss ebenfalls eine flächendeckende Test-Praxis sowie ein ambitionierter Masken- und Versorgungsplan sein. Mit staatlicher Maskenversorgung, klaren Richtlinien und einer zentralen Einkaufs-, Produktions- und Verteilungsstrategie.

3. Europäische Bewegungsfreiheit: wieder offene Grenzen in der Großregion

Ohne offene Grenzen haben weder Europa noch unsere Großregion eine Zukunft. Die Großregion wurde in den vergangenen Jahren vernachlässigt. Wir müssen ihr wieder mehr politisches Gewicht beimessen. Kurzfristig fordern wir wieder eine Großregion mit offenen Grenzen. Bewegungsfreiheit, wie wir sie verstehen, kann nur innerhalb der Großregion gedacht und praktiziert werden. Dies gilt für Unternehmer. Dies gilt auch für Familien und Freunde.
 
4. Vorbildliche Gemeinden: klare Richtlinien, mehr Unterstützung, mehr Mittel

Die Erfolge in der Corona-Krise wären ohne den vorbildlichen Einsatz unserer Gemeinden und des Gemeindesyndikats Syvicol unmöglich gewesen. Lange Zeit hat hier der notwendige Rückenwind aus dem Innenministerium gefehlt. Dies müssen wir ändern. Die Gemeinden brauchen keine Bevormundung, aber sie müssen stärker einbezogen werden. Mit klaren Richtlinien, besserer administrativer Unterstützung und mehr finanziellen Mitteln. Gemeinden dürfen aufgrund der Corona-Krise nicht in eine finanzielle Schieflage geraten.

5. Wirtschaftskrise abfedern: ankommende Hilfen und Planungssicherheit

Längst ist aus der Sanitär- auch eine Wirtschaftskrise geworden. Nun muss die Wirtschaftskrise abgefedert werden. Damit unsere Unternehmen keine bleibenden Schäden erleiden. Die beschlossenen Direkthilfen müssen deshalb schnell und unbürokratisch bei den Betrieben ankommen. Ungerechtigkeiten müssen vermieden werden. Wir stehen als CSV für eine Gleichbehandlung von großen und kleinen Unternehmen. Vor allem Kleinstbetriebe dürfen wir nicht im Regen stehen lassen. Die Krise darf nicht länger zu einem unlauteren Wettbewerb führen.

Wir haben als CSV bereits weiterreichende Vorschläge unterbreitet: steuerliche Begünstigungen für private Vermieter, die auf ihre Miete verzichten; die Möglichkeit einer Besteuerung auf zwei Jahre nach dem „carry back, carry forward“-Prinzip; weitere Beihilfen für Kleinstbetriebe und Unabhängige; Umdenken bei der Insolvenzgesetzgebung.

Vor allem brauchen die Unternehmen jetzt Planungssicherheit und Perspektiven. Die Bedingungen und der Zeitrahmen einer Wiedereröffnung müssen klarer kommuniziert werden. Zudem braucht es ein Gesamt-Paket mit Weitsicht sowie eine Übersicht über sämtliche sektorspezifischen Beihilfen. Langfristig benötigen wir eine strategischere Standortpolitik. Luxemburg und Europa müssen unabhängiger werden. Bei Medikamenten und Schutzmaterial. Aber auch mit einer konsequenten Reindustrialisierung.

6. Sozialkrise abwehren: Sozialdialog und sozialer Zusammenhalt

Unter keinen Umständen darf aus der Sanitär- und Wirtschaftskrise eine Sozialkrise werden. Die Schere zwischen Arm und Reich darf nicht noch größer werden. Gleiches gilt für die Arbeitslosigkeit, vor der Luxemburg nicht gefeit ist. Hier muss – aufbauend auf der bemerkenswerten Solidaritätswelle in der Gesellschaft – verstärkt sozialpolitisch gegengesteuert werden. Gegebenenfalls muss das Sozialnetz verstärkt werden, um die Menschen besser auffangen zu können. Der für uns zentrale soziale Zusammenhalt der Zukunft wird davon abhängen, wie wir die sozialen Auswirkungen der Krise meistern. Zudem muss die Exit-Strategie gemeinsam mit allen Sozialpartnern ausgearbeitet werden. Consulting-Unternehmen können keinen Sozialdialog ersetzen.

7. Landwirtschaft und Weinbau: Lebensmittelsicherheit regionaler denken

Auch die Landwirtschaft ist von strategischer Bedeutung für die Zukunft des Landes. Auch sie ist systemrelevant. Ohne eine zukunftsfähige Landwirtschaft kann es keine Lebensmittelsicherheit geben. Deshalb müssen alle Direkthilfen und familienpolitischen Maßnahmen auch auf die Landwirtschaft, den Weinbau und den Gartenbau anwendbar sein. Regionalität muss stärker gefördert werden. Der Staat muss hier mit gutem Beispiel vorangehen. Die Landwirtschaft soll sich zudem weiter diversifizieren: mehr Gemüseanbau, mehr Obstproduktion, mehr Geflügelzucht, sonstige Alternativen. Die nationale Politik muss hier die entsprechenden Rahmenbedingungen setzen.

8. Priorität Gesundheit: Patient im Mittelpunkt, Pflege- und Gesundheitsberufe aufwerten

Die Gesundheitspolitik wurde in der Vergangenheit zu stark vernachlässigt. Sie muss wieder erste politische Priorität werden. Unser Gesundheitssystem muss patientenorientierter, unbürokratischer und weniger wirtschaftlich ausgerichtet werden. Die Pflege muss mit mehr Herz und weniger Stoppuhr erfolgen. Hierfür sind Anpassungen in der Pflegeversicherung und dem Spitalplan notwendig.

Wir brauchen zudem eine langfristige Aufwertung der Gesundheits- und Pflegeberufe sowie eine Neugestaltung der Ausbildung. Gleichzeitig muss unser Gesundheitssystem krisenfester werden. Unsere Krankenhäuser brauchen einheitliche Standards. Die Nomenklatur muss schnell überarbeitet werden. Und auch die psychische Gesundheit und die medizinische Vorsorge dürfen nicht länger vernachlässigt werden.

9. Schutz unserer älteren und schwachen Menschen mit mehr Augenmaß

Vor allem älteren und schwachen Menschen macht der Lockdown sehr zu schaffen. Auch hier müssen wir lernen, mit dem Virus zu leben. In den Altenheimen, Pflegeheimen, Krankenhäuser muss ein Weg zu mehr Normalität gefunden werden. Gleichwohl bleiben die Sicherheitsvorkehrungen hier von besonderer Bedeutung. Der sanitäre Schutz unserer älteren und schwachen Mitbürger bleibt richtig.

Wir haben in einer Motion, die einstimmig angenommen wurde, die Regierung aufgefordert, nationale Richtlinien für eine physische Sterbebegleitung auszuarbeiten. Wir fordern ferner verbindliche nationale Richtlinien für eine Erweiterung des Besuchsrechts bei älteren und kranken Menschen. Die notwendigen Mittel müssen hier zur Verfügung gestellt werden. Kranke Menschen dürfen mit ihren Ängsten nicht alleine gelassen werden. Auch dies ist eine Frage der Menschlichkeit.

10. Schule des Wesentlichen: Bildungsnotstand durch Coronakrise verhindern

Wir befürworten eine baldige Schulnormalität in Stufen. Doch die Rentrée muss besser vorbereitet werden. Schüler, Eltern und Lehrer haben ein Anrecht auf klare Richtlinien. Besonders in Sachen Sicherheitsvorkehrungen und Betreuung außerhalb der Schule („maison relais“). Das notwendige Material zur Einhaltung der Sicherheitsvorkehrungen muss den Schulen zur Verfügung gestellt werden. Die Verantwortung darf nicht auf Gemeinden und Direktionen abgewälzt werden. Der Unterricht für die Abschlussklassen soll ein fakultatives Angebot sein, als spezifische Hilfe bei Bedarf.

Kein Schüler darf aufgrund von Corona einen bleibenden Bildungsrückstand behalten. Der Einfluss des sozioökonomischen Hintergrundes auf den Bildungserfolg darf nicht verstärkt werden. Die Chancengerechtigkeit muss vielmehr verbessert werden. Die Schüler müssen deshalb mit dem notwendigen IT-Material versorgt werden. Schüler mit Wissenslücken müssen unbürokratische und kostenlose Nachhilfe erhalten. Diese Möglichkeit soll ab sofort fakultativ angeboten werden. Eventuelle Wissenslücken sollen bis zum Schulanfang im September so gut wie möglich geschlossen werden.

Die Schule soll sich auch nach der Krise verstärkt suf die wesentlichen Punkte des Lehrstoffs konzentrieren. Die Programme müssen entschlackt werden. Der Unterricht muss fächerübergreifender, kompetenz- und projektorientierter erfolgen. Gleichwohl dürfen Bewegung und sportliche Aktivität nicht aus dem Schulalltag verschwinden. Hier sind Aktivitätenpläne unter Einhaltung der erforderlichen Sicherheitsabstände als Vorschlag ausarbeiten. Schließlich darf die Regierung diese Krise nicht dazu nutzen, den Eltern eine Fremdbetreuung ihrer Kinder vorzuschreiben! Die CSV steht auch in der Krise für die freie Wahl der Eltern.

11. Digitalisierung und Telearbeit: Krise als Gamechanger

Home-Schooling und Home-Office gehören in der Corona-Krise für viele Menschen zum neuen Alltag. Wir haben uns bereits in der Vergangenheit für Telearbeit oder Home-Office stark gemacht. Nun haben wir aus der Not eine Tugend gemacht. Auch in der neuen Normalität nach der Krise muss das Home-Office eine größere Rolle als vor der Krise spielen. Wir brauchen zudem mehr Rechtssicherheit für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Vor allem das Recht auf Abschalten muss gewährleistet sein. Wir müssen uns zudem für langfristige steuerliche Lösungen in Sachen Telearbeit mit unseren Nachbarländern einsetzen. Ferner müssen die Infrastrukturen der Digitalisierung verstärkt werden. Gleichwohl ist eine zeitnahe Auswertung der Telearbeit erforderlich. Nach der Krise muss das Home-Office in begrenzter Form erhalten bleiben. Sowohl aus familienpolitischen als auch als ökologischen Gründen. Auch hier muss der richtige Mittelweg gefunden werden.

12. Keine Krisen-Verlängerung durch die Hintertür: ein ausgewogenes Covid-19-Gesetz

Eine Verlängerung des Krisenzustands ist für uns keine Option. Die Regierung muss deshalb so schnell wie möglich ein ausgewogenes und situationsbezogenes Covid-19-Gesetz vorlegen. Diese Gesetzesvorlage muss sanitär, gesellschaftlich, wirtschaftlich, sozial und auch verfassungsrechtlich ausgewogen sein. Eine Verlängerung des Krisenzustands durch die parlamentarische Hintertür lehnen wir ab. Gleiches gilt für unnötige Einschränkungen der Freiheiten.

Neue Normalität und Neustart durch Perspektiven der Hoffnung

Die sanitäre Krise ist noch nicht überstanden. Die Wirtschafts- und Sozialkrise auch nicht. Doch wir dürfen unser Leben nicht dem Virus überlassen. Wir müssen unsere Zukunft wieder selbst in die Hand nehmen. Und unter den erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen unsere offene Gesellschaft auch politisch, wirtschaftlich und menschlich wieder öffnen. Mit einer kurzfristigen Exit-Strategie der neuen Normalität. Mit einer klaren und für Bürger und Unternehmen verlässlichen Roadmap. Mit einem nachhaltigen Neustart nach der Krise, der nicht einfach ein Zurück zum „Business as usual“ sein kann. Vor allem aber mit Perspektiven für die Menschen und ihr Wohlbefinden. Denn nur mit Perspektiven der Hoffnung werden wir gemeinsam die Coronakrise überwinden.