Die sozialen Bindungskräfte wieder stärken
Das vorrangige Anliegen der neuen Regierung nach den Wahlen vom 14. Oktober 2018 wird darin bestehen, den sozialen Zusammenhalt wieder zu stärken.
Die sozialen Bindungskräfte wurden schwächer, das trotz einer guten Konjunktur, die ungenutzt blieb für die Stärkung des sozialen Zusammenhalts. Die Schere zwischen Arm und Reich ging auseinander. Das belegen die Statistiken des Statec, das geht aus den Studien der Chambre des Salariés, der Caritas und des Forschungsinstituts Liser hervor.
So ist unser Land zunehmend mit dem Phänomen der Working Poor konfrontiert, d.h. Menschen, die einer Arbeit nachgehen aber trotzdem am Monatsende die beiden Enden nicht zusammen bekommen.
Die CSV setzt sich daher für die Erhöhung des Mindestlohns, vor allem im Nettobereich ein. Wer Vollzeit arbeitet, muss genug für den Lebensunterhalt verdienen und nicht vom Gang zum Sozialamt abhängig sein. Der Mindestlohn muss regelmäßig an die allgemeine Lohnentwicklung sowie die Realität der Lebenshaltungskosten angepasst werden.
Insgesamt gilt: Die Löhne und Altersbezüge müssen mit der Entwicklung der Lebenshaltungskosten Schritt halten. Die Indexierung der Löhne und Altersbezüge bleibt deshalb ein fester Bestandteil der Politik der CSV.
Stärkung der sozialen Bindungskräfte bedeutet ebenfalls, darauf zu achten, dass die Digitalisierung der Arbeitswelt in geordnete Bahnen verläuft. Die Digitalisierung ist eine Chance für die Humanisierung der Arbeitswelt. Das aber nur unter einer Voraussetzung, die unbedingt gegeben sein muss: Die bewährten und hart erkämpften Grundprinzipien der Arbeitnehmerrechte dürfen im Zuge der Digitalisierung nicht ausgehebelt, sondern müssen weiter gestärkt werden. Hier sind die Sozialpartner und besonders die Gewerkschaften gefordert
Zur neuen Arbeitswelt gehören flexiblere Arbeitszeiten. Die CSV will die Lebensarbeitszeit neu organisieren, um es den Beschäftigten zu erlauben, Beruf und Familienleben besser miteinander zu vereinbaren. Dazu gehört ein klares Regelwerk, um einen Teil seiner Arbeitszeit zuhause zu leisten (mit eindeutigen Bestimmungen zum Recht auf Nicht-Erreichbarkeit) sowie die Einführung von Arbeitszeitkonten mit umfassenden Regelungen zum Schutz der erworbenen Ansprüche.
Die CSV will den Elternurlaub so gestalten, dass er, unabhängig von Einkommensunterschieden, den Bedürfnissen aller Eltern gleichermaßen Rechnung trägt. Das ist ein Gebot der Fairness.
Bei den Diskussionen um mehr Arbeitszeitsouveränität und der Humanisierung der Arbeitswelt stehen die Gewerkschaften in der ersten Reihe. Sie können dabei auf die Bereitschaft der CSV zur Zusammenarbeit zählen.
Die CSV steht zur Sozialpartnerschaft, die ganz wesentlich für den sozialen und wirtschaftlichen Erfolg unseres Landes verantwortlich ist. Und die CSV steht zum gewerkschaftlichen Pluralismus, der die Sozialpartnerschaft in unserem Land kennzeichnet und der seit vielen Jahrzehnten wesentlich zu ihrem Erfolg beiträgt. In diesem Sinne wollen wir das Gesetz über die Personaldelegationen überarbeiten, um die demokratische Teilhabe aller Arbeitnehmer im Betrieb zu gewährleisten
Um den neuen Entwicklungen in der Arbeitswelt Rechnung zu tragen mit einer sich rasch verändernden Betriebslandschaft und differenzierteren Arbeitsbeziehungen gilt es, in der kommenden Legislatur die Kollektivvertragsgesetzgebung zu überarbeiten.
Stärkung der sozialen Bindungskräfte bedeutet für die CSV schließlich vor allem auch konkret die Kinderarmut zu bekämpfen. Unsere soziale Philosophie unterscheidet sich von der neoliberalen Philosophie der aktuellen Regierung. Wir wollen sozialschwache und kinderreiche Familien gezielt unterstützen.
Die aktuelle Regierung hat die Erziehungszulage abgeschafft, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, dass diese eine soziale Komponente hatte und auch berufstätigen Eltern ausgezahlt wurde, die nicht über ein gewisses Einkommen verfügten. Die CSV will daher ein Alternativmodell zur abgeschafften Erziehungszulage für sozialschwache Familien einführen.
Die Reform des Garantierten Mindesteinkommens war notwendig. Aber die CSV war und ist nicht mit dem Paradigmenwechsel einverstanden, der damit einherging und der zwar auf modern macht, aber unsere Gesellschaft in die fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurückführen will. Nicht mehr das Recht auf soziale Absicherung, auch in der schlimmsten Lebenslage, steht im Mittelpunkt, sondern die Aktivierung jenes kleinen Teils der Empfänger, die ohne REVIS kein Einkommen hätten.
Auf der Grundlage der Berechnungen des Statec, was das Minimum für ein dezentes Leben ist, will die CSV die Revis-Beträge überarbeiten. Des Weiteren soll der gesetzgeberische Rahmen so angepasst werden, dass Mütter, die den Revis beziehen, nach der Geburt ihres Kindes während der Dauer eines Jahres, nicht für den Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen brauchen.
Die CSV will Regierungsverantwortung übernehmen, um der Solidarität und dem sozialen Fortschritt einen neuen Impuls zu geben. Wir wollen die sozialen Bindungskräfte wieder stärken, um der Entwicklung in Richtung zunehmender Spaltung, Aggressivität und Extremismus in der Gesellschaft entschlossen eine neue Politik entgegenzusetzen, die auf das Miteinander setzt.
Marc Spautz
CSV-Nationalpräsident, Abgeordneter