Biltgen: Weder Zensur, noch rechtsfreier Raum

Justizminister fordert friedlichen, respektvollen und toleranten Umgang beim Thema Religion

 

Vor dem Hintergrund der weltweiten Kontroverse um den Mohammed-Schmähfilm „The Innocence of Muslims“ bzw. die Mohammed-Karikaturen in der französischen Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ stellt sich die Frage, ob solche Veröffentlichungen in Luxemburg von der Meinungs- und Pressefreiheit gedeckt wären. Das „Luxemburger Wort“ befragte Justiz-, Kommunikations- und Kultusminister François Biltgen.

Deckt die Meinungs- und Pressefreiheit in Luxemburg auch die Veröffentlichung von Inhalten, die geeignet sind, religiöse Sensibilitäten zu verletzen?

Erstens bin ich generell – und ich sage das auch in meiner Funktion als Kultusminister – gegen jede Art von religiöser Diskriminierung oder bewusster Verletzung religiöser Gefühle bzw. des Glaubens von Menschen.

Das Zweite ist die rechtliche Lage: Genauso spreche ich mich aber auch gegen jede staatliche Zensur aus. Deshalb habe ich vor ein paar Jahren als Minister ein modernes Pressegesetz ausgearbeitet, das – anders als das alte – keine spezifischen strafrechtlichen Sanktionen gegen die Presse vorsieht. Das Pressegesetz ist nicht mehr repressiv.

Drittens leben wir auch nicht in einem rechtsfreien Raum. Das Strafgesetz gilt für jeden. Es gibt darin zwei Artikel, die wichtig sind: Artikel 454, der jede Diskriminierung u.a. auf Grund einer religiösen Zugehörigkeit verbietet und allgemeine Gültigkeit hat. Und in Bezug auf die Medien ist der Artikel 457-1 relevant, der festhält, dass man strafrechtlich belangt werden kann, wenn man in – was für einer Form auch immer – Inhalte verbreitet, die zu Hass oder Gewalt gegen eine physische oder moralische Person, eine Gruppe oder Gemeinschaft aufrufen.

Deshalb muss jeder Fall einzeln betrachtet werden. So hat es ja auch schon Prozesse auf dieser Grundlage gegeben.

Wäre eine öffentliche Vorführung etwa des berüchtigten Mohammed-Films in Luxemburg rechtlich erlaubt?

Als Minister habe ich in dieser Frage keine Kompetenz. Wir leben in einem freien Land, wo Freiheit, Meinungsfreiheit einschließend, herrscht, und der Minister keine Zensurgewalt hat. Aber jeder sollte wissen, dass er belangt werden kann, wenn er gegen die genannten strafrechtlichen Bestimmungen verstößt.

Gibt es einen Paragraphen, der es verbietet, Religionen oder Weltanschauungen zu beleidigen?

Es gibt keinen Blasphemieartikel bei uns. Ich bin stolz auf das bestehende Pressegesetz, das die Meinungsfreiheit garantiert, und deshalb kann es keine Zensur geben. Doch derjenige, der Inhalte verbreitet, muss sich fragen, ob diese gegen den Artikel 457-1, Paragraph 3, verstoßen.

Jedoch hat nicht der Minister darüber zu entscheiden, sondern die Justiz, wenn Klage eingereicht wird oder die Staatsanwaltschaft selbst aktiv wird.

Wichtig ist, dass auch in Luxemburg die Menschen einerseits weder in dumme, religionsfeindliche Hetze verfallen, noch andererseits in unerträgliche Überreaktionen verfallen. Deshalb ist es wichtig, dass wir hier, im Sinne des gesellschaftlichen Zusammenhalts, einen friedlichen, respektvollen und toleranten Umgang auch beim Thema Religion miteinander pflegen.

Ich bin stolz, dass in Luxemburg – anders als im Ausland – Ruhe gewahrt wurde. Dies spricht im Allgemeinen auch für die muslimische Gemeinschaft in Luxemburg, die sich stets bemüht, im Einklang mit der öffentlichen Gesetzgebung und im Interesse der öffentlichen Ordnung zu handeln.

Quelle: Lëtzebuerger Wort

Interview: Wolf von Leipzig

Foto: Serge Waldbillig (Archiv)