Es dürfte kaum verwundert haben, dass sich in den vier Empfehlungen, die der Europäische Rat in seine Bewertung des von Luxemburg vorgelegten nationalen Reformplans gepackt hat, auch der Index auftaucht.
Zwar wurde im Eifer des Gefechts etwas voreilig geschlussfolgert, Brüssel verlange einmal mehr vom kleinen EU-Land die radikale Abschaffung seiner automatischen Bindung der Löhne und Renten an die Lebensteuerung, was so nicht ganz stimmt.
Die Ermahnung geht eher dahin, dass wir auf eine synchrone Entwicklung der Löhne mit der Produktivität der Volkswirtschaft achten sollten, d.h. dass die Löhne nicht schneller wachsen als die wirtschaftliche Leistungskraft – was an und für sich eine Binsenweisheit ist.
Doch, wenn von Lohnentwicklung die Rede ist, wird bei uns sofort eine Indexdebatte daraus, weil die gesetzlich verordnete gleitende Lohnskala nirgendwo einen ähnlich hohen Stellenwert wie in der Luxemburger Wahrnehmung hat. Das Thema ist und bleibt emotionsgeladen, ganz einfach, weil in der öffentlichen Meinung die Indexierung – oder wie wir liebevoll sagen: „der Index“, was eigentlich etwas anderes ist – gleichbedeutend mit Lohnsteigerung und damit unverzichtbar ist.
Ökonomisches Unding
In unserer weit geöffneten und zu einem Großteil von außen beeinflussten, um nicht zu sagen ferngesteuerten Wirtschaft kommt noch erschwerend hinzu, dass im übrigen Ausland (bis auf Belgien) es die Indexierung in dieser Form nicht gibt und sie deshalb auch kurzerhand zum ökonomischen Unding erklärt wurde. Als das findet sie sich dann auch im Diskurs des einheimischen Patronats wieder, das immer wieder gegen die Indexierung anrennt. Da bekanntlich nun aber Druck auch Gegendruck erzeugt, ist es nicht verwunderlich, dass die Index-Fronde sich dadurch nur noch in ihrer Haltung bestärkt fühlt und die bloße Erwähnung des Worts ausreicht, um die Gemüter in Wallung zu bringen.
Es wäre schon viel erreicht, wenn wir uns zu einer weniger emotionsgeladenen, dafür aber sachlicheren Betrachtungsweise in Sachen Index durchringen würden. Dies umso mehr, als das in der politischen Realität längst geschehen ist. Die gesetzliche Lage ist klar: In der Regel gilt die automatische Anpassung aller Löhne und Renten im 2,5%-Takt an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten. Nur wenn sich die Lage zuspitzt und die Indexierung, die im Normalfall durchaus tragbar für die Wirtschaft ist – sonst würde unser Land ja denkbar schlecht dastehen! –, müssen ihre negativen Effekte ausgeschaltet werden. Und dies kann nur durch eine Abbremsung oder eine einstweilige Abschaltung des Index geschehen, die im heutigen Sprachgebrauch mal als Modulation, mal als Manipulation bezeichnet wird.
Der Kalenderzufall will es, dass die nächste Index-Entscheidung just in die Zeit fällt, wo der (kommunale) Wahlkampf seine höchsten Wellen schlagen wird – ein zeitliches Zusammentreffen, wie es nicht schöner für Demagogen sein kann. Die derzeitige Regelung, die den nächsten Tranchenerfall voluntaristisch auf den kommenden Oktober fixiert hat, verlangt eine Anschlusslösung, die entweder darin bestehen wird, dass die automatische Indexierung wieder eingeschaltet oder aber der widrigen äußeren Umstände wegen auf eine erneute Modulation zurückgegriffen wird. Die könnte dann in der Festsetzung eines neuen Erfallsdatums bestehen, könnte aber auch nachhaltiger ausfallen, indem man sich der andern Alternativen besinnt, als da sind die Herauslösung des Ölpreises aus dem Index oder die Deckelung bzw. die Abbremsung der Indexierung nach oben hin.
Ob der Zeitpunkt für solche Überlegungen im Herbst günstig oder nicht ist, ändert nichts an der Tatsache, dass so oder so eine Entscheidung fällig sein wird. Denn noch vor dem Wahlgang erfolgt die Vorstellung des 2012er-Budgets. Und dieses muss dem übernächsten Index-Erfallstermin oder eventuellen Änderungen am Preisthermometer Rechnung tragen.
Lucien Thiel
Präsident der CSV-Fraktion im Parlament