Die aktuelle Krise verlangt nach einer intelligentem Energieversorgung

Die aktuellen Spannungen in den Ländern in Nordafrika und dem Nahen Osten werfen auch ihre Schatten auf die Europäische Union. Nicht nur stranden Tausende Flüchtlinge an den Gestaden der Mitgliedstaaten und bereiten Kopfzerbrechen, vielmehr merken die Menschen an den Zapfsäulen, dass sich die Umwälzungen auch im Energiesektor bemerkbar machen. Während den vergangenen Jahren wurden viele Appelle in Sachen Energieeinsparung und Abkehr von den fossilen Energieträgern angemahnt, indes der Ruf verhallte ungehört.

Die aktuelle Krise verlangt nach einer intelligentem Energieversorgung 

Die aktuellen Spannungen in den Ländern in Nordafrika und dem Nahen Osten werfen auch ihre Schatten auf die Europäische Union. Nicht nur stranden Tausende Flüchtlinge an den Gestaden der Mitgliedstaaten und bereiten Kopfzerbrechen, vielmehr merken die Menschen an den Zapfsäulen, dass sich die Umwälzungen auch im Energiesektor bemerkbar machen. Während den vergangenen Jahren wurden viele Appelle in Sachen Energieeinsparung und Abkehr von den fossilen Energieträgern angemahnt, indes der Ruf verhallte ungehört. Es wird der Menschheit mittlerweile bewusst, dass der unentwegt sich erhöhende Energieverbrauch an fossilen Energieträgern und die sich durch deren Verbrennung anhäufenden schädlichen Treibhausgase in der Atmosphäre zu einer unerträglichen Belastung der Lebensressourcen Boden, Luft und Wasser führen. Dabei ist die Europäische Union angesichts sehr geringer Reserven an fossilen Energieträgern, insbesondere Erdöl und Erdgas, auf Gedeih und Verderb den Produzentenländern ausgeliefert.

Nicht nur dass sich der weltweite Verbrauch an Erdöl, angeheizt durch die aufstrebenden Schwellenländer, auf nahezu 89 Millionen Barrel pro Tag erhöht hat, vielmehr steigt nunmehr auch der Preis auf nahezu 120 $ pro Barrel an. Finanzexperten warnen vor einem Anstieg auf über 200 $ pro Barrel, wenn Saudi Arabien, welches 9 Millionen Barrel pro Tag produziert, ins Wanken kommt. Es sei vermerkt, dass die Europäische Union einen täglichen Verbrauch von 14 Millionen Barrel aufweist. Bei näherer Betrachtung lässt sich unter Berücksichtigung der nachgewiesenen weltweiten Erdölreserven ausrechnen, dass die statische Reichweite für das Erdöl nur noch 40 Jahre beträgt, der „oil peak“ liegt den Aussagen der Experten bereits hinter uns. Beim Erdgas werden etwa 65 Jahre veranschlagt, ebenfalls eine überschaubare Zeitspanne. Man möge sich bewusst werden, dass die OPEC knapp 45 Prozent der Welterdölproduktion beisteuert und über 80 Prozent der Erdölreserven verfügt. Libyen steht mit nachgewiesenen 44 Milliarden Barrel Erdöl an 8. Stelle bezüglich der weltweiten Erdölreserven und die tägliche Produktion erreichte in etwa 1,8 Millionen Barrel pro Tag vor der Krise, wovon 80 Prozent nach Europa verschifft wurden. Aufgrund der aktuellen Spannungen ist die Produktion bereits auf ein Viertel gesunken. Laut den Aussagen der Weltbank können die anderen OPEC-Mitglieder im Fall des totalen Ausfalls seitens Libyens dieses Defizit wohl kurzfristig auffangen, mittelfristig jedoch können sie dies nicht, angesichts der steigenden Nachfrage. Der Erdölpreis wird weiter ansteigen und die Inflationsängste drängen sich auf; im Gefolge kommt es zu einer Verlangsamung der nun aufkeimenden weltweiten Wirtschaft nach den beiden Krisenjahren. Aufgrund dieser Tatbestände und des steigenden Erdölverbrauchs, bedingt durch die Erholung der Weltwirtschaft, wird es unweigerlich zu Lieferengpässen kommen. Die Europäische Kommission hat des Öfteren darauf hingewiesen, dass die Europäische Union hinsichtlich des Erdölverbrauchs im Jahr 2030 zu 90 Prozent von Importen abhängig wird. Beim Erdgas sieht die Lage nicht weniger rosig aus, dessen Abhängigkeit wird auf 80 Prozent steigen. Gravierender noch wirkt sich aus, dass die Importe größtenteils aus Ländern stammen, in welchen eine hohe politische Instabilität besteht; die Protestbewegungen in Tunesien, Ägypten, Libyen und im Vorderen Orient führen uns dies täglich vor Augen.

Anlässlich des Energiegipfels der Europäischen Union am 4. Februar 2011 stand die zukünftige Ausgestaltung der europäischen Energiepolitik, angesichts der Spannungen in Tunesien und Ägypten im Mittelpunkt der Gespräche.1)2) Es wurden u.a. die Harmonisierung der unterschiedlichen Systeme zur Förderung der Nutzung der erneuerbaren Energien, der Ausbau der europäischen Energieübertragungsnetze für die elektrische Energie und das Erdgas sowie die Erhöhung der Energieeffizienz eingehend beleuchtet. Im Dezember 2007 hatte die Europäische Union bereits darauf hingewiesen, dass es ihr Ziel sei, den Anteil der erneuerbaren Energien auf 20 Prozent am Gesamtenergiemix im Jahr 2020 anzuheben. Allein diese ambitiöse Initiative verlangt die Verdopplung der Investitionen von derzeit 35 Milliarden Euro auf jährlich 70 Milliarden Euro. Wenn dies gelingt, dann wird eine Verringerung von etwa 600 bis 900 Millionen Tonnen CO2 erreicht. Die Tatsache anerkennend, dass hohe Mengen an produzierter erneuerbarer Energie nicht in die Übertragungsnetze durch das Nichtvorhandensein an verfügbarer Transportkapazität eingespeist werden können, möchte man umgehend neue Transportleitungen errichten. Die Europäische Kommission gab zu bedenken, dass im Bereich der elektrischen Energie etwa 45.000 km neue Leitungen bis zum Jahr 2020 gebaut resp. nachgerüstet werden müssen und dies im Sinne der sicheren und intelligenten Versorgung: Weg von der Dezentralisierung und hin zur Dezentralisierung. Durch diese Investitionen soll die aus der Windenergie gewonnene elektrische Energie aus den Nord- und Ostwindparks zu den Verbraucherschwerpunkten geleitet werden. Ebenfalls soll die aus den Solarfeldern im Süden Europas gewonnene elektrische Energie eingespeist werden. Auch im Bereich der Erdgasversorgung sollen neue Erdgaspipelines u.a. die Nabucco-Leitung, gespeist mit Erdgas aus den Staaten in Mittelasien, umgehend in Angriff genommen werden. Dies bedingt Kapitalbindungen in Höhe von 200 Milliarden Euro und laut dem Energiegipfel, werden sich die Verbraucher auf steigende Preise im Energiesektor einstellen müssen, dies laut dem Motto: „Die Zeit der billigen Energie gehört der Vergangenheit an“. Es sei jedoch hinterfragt, wohin denn, während den vergangenen Dekaden, die Milliarden Euro-Gewinne der multinationalen Energiekonzerne gewandert sind? Hätten diese Mehreinahmen nicht in den Ausbau der Übertragungsnetze investiert werden müssen? Diese Herkulesaufgabe kann und darf nun nicht auf die Schultern des Verbrauchers gelegt werden. Die Politik steht hier auch in der Bringschuld und die Unternehmen müssen ihre Aufgabe durchführen. Wieso wurde denn die Parole des Anteils von 20 Prozent erneuerbarer Energien am Energiemix ausgegeben, wenn nicht parallel ein Dekret zum Bau der Übertragungsnetze vereinbart wurde?

Die europäische aber auch die luxemburgische Energiepolitik steht hier am Scheideweg; sie muss die richtige Entscheidung treffen und alle Partner in den Prozess einbinden. Der EU-Kommissar für Energiefragen, Günther Oettinger meinte diesbezüglich: „Wir müssen mehr in die erneuerbaren Energien investieren, und wir brauchen intelligente, kosteneffektive Finanzierungsformen. Wenn Mitgliedstaaten zusammenarbeiten und erneuerbare Energien dort produzieren, wo es kostengünstiger ist, profitieren Unternehmen, Verbraucher und Steuerzahler davon.“

Neue Wege in Richtung mehr Gerechtigkeit beschreiten

Wenn die Europäische Union den Pfad der Unabhängigkeit einschlagen möchte, dann muss sie umgehend den Bürgern einschärfen, dass dies nur durch die Steigerung der effizienten Energienutzung geht, dies u.a. durch verbesserte finanzielle Anreize in den Bereichen Wohnungen und Verkehr. Es lohnt sich weitaus mehr, diese Geldmittel in der Europäischen Union zu investieren, als sie an die Erdöl- und Erdgasförderländer zu vergeben. Darf daran erinnert werden, dass allein durch Sanierungsmaßnahmen in den Gebäuden bis zu 80 Prozent des Verbrauchs eingespart und demzufolge auch die Treibhausgasemissionen vermindert werden können. Leider hört man nunmehr die gleichen Beschwichtigungsreden, es komme doch alles nicht so schlimm, der Markt werde es schon richten. Bisher haben wir aus den Versorgungskrisen in den Jahren 1973, 1979, 2000 sowie 2008 relativ wenig gelernt. Vielleicht werden wir nunmehr klug? Es wurde des Öfteren darauf hingewiesen, dass das Zeitalter der erneuerbaren Energien angebrochen ist und sich tief greifende Änderungen in der Energiewirtschaft aufdrängen. Die konventionellen Energieträger werden kontinuierlich durch die erneuerbaren Energien ersetzt, denen jedoch die unangenehme Eigenschaft des nicht „Stationären“ anhaftet. Die fluktuierende Produktion verlangt demzufolge nach Energiespeichern im Verbundsystem. Der geplante Ausbau zur Nutzung der Windenergie auf den Meeren und der Solarenergie in den südlichen EU-Staaten sowie den angrenzenden Maghreb-Staaten verlangt ein intelligentes Länder übergreifendes Zusammenwirken.

Damit die Windenergie der Meere genutzt werden kann, haben sich neun EU-Länder in einem Konsortium zusammengeschlossen. Neben dem Bau der off-shore-Windenergieanlagen werden auch Tausende km Hochspannungsleitungen die erneuerbare Energie zum Kontinent bringen. Um den Ausgleich zwischen Nachfrage und Angebot zu regeln, werden neue Speicherkraftwerke im Landesinnern errichtet, hierzu zählt auch der Ausbau des Pumpspeicherkraftwerkes in Vianden um 200 MW. Dieses System bietet auch eine Chance im Kampf gegen den Klimawandel. Derzeit sind nur Speicher mit einer elektrischen Leistung von 100.000 MW installiert. Es werden in den kommenden Jahren Investitionen in Höhe von 280 Milliarden Euro für neue Stromspeicher u.a. Pumpspeicherkraftwerke, Druckluftanlagen und Batteriespeicher benötigt.3) Zu diesen faszinierenden Projekten zählt ebenfalls das Projekt Desertec, welches die Produktion von elektrischer Energie aus der Solarenergie mittels Parabolrinnenkraftwerken im Süden Europas und den Staaten im Maghreb erlaubt. Diese Energie soll vor allem den Menschen im Norden Afrika den gewünschten Wohlstand bringen und der Überschuss wird mittels HGÜ-Freileitungen in die Europäische Union transportiert. Die Gesamtkosten für das Desertec-System werden auf 400 Milliarden Euro geschätzt. Die Technologien für dieses System sind übrigens schon im Einsatz.

Schlussfolgerungen

Die Europäische Union tut gut daran, die wachsende Energieunabhängigkeit und die Verringerung der Treibhausgasemissionen zu Top-Themen emporzuheben. Gefordert sind nunmehr die Anstrengungen, um den Gemeinsamen Energiebinnenmarkt aufzubauen, dies ist das Gebot der Stunde. Ein weiteres Hinausschieben wäre töricht und politisch desaströs. Die Energieabhängigkeit erlaubt es der Europäischen Union nicht, als ein erfolgreicher Akteur auf der Weltbühne aufzutreten – die aktuelle Krise verlangt somit nach einer intelligenten Energieversorgung. Man möge sich letztendlich vor Augen halten, dass es auf der Erde, also einem geschlossenen System, kein unendliches Wachstum geben kann, denn die Ressourcen, die diesen Wohlstand hervorrufen, sind auch nur endlich.                          

Marcel Oberweis

 

Quellenhinweise:

www.euractiv.de/ressourcen-umwelt-00/artikel/energiegipfel

Milliarden für neue Stromspeicher (Jürgen Flauer im Handelsblatt 18./19. Februar 2011)