In den Ländern der Europäischen Union leben 84 Millionen Bürger im Ausgrenzungsrisiko. Im Armutsranking belegt Luxemburg den 7. Platz – hinter den Niederlanden, aber vor Deutschland, Frankreich und Belgien. Betroffen sind fast 18% der Bürger. Trotz vieler innovativer Gesetze bleibt das aktive Engagement gegen Armut und Ausgrenzung eine wichtige politische Priorität. Bei der Debatte in unserer Abgeordnetenkammer zum Thema Armut sprach Mill Majerus für die CSV. Er unterstrich dabei zehn grundlegende Handlungsmaximen unserer Partei.
Alle sitzen mit im Boot. Die Freiheit, die Attraktivität und die Kompetitivität einer Gesellschaft messen sich an ihrem Engagement, alle Bürger einzubeziehen und aktiv zu beteiligen. Es geht einerseits um die Würde des Einzelnen und um das wichtige Prinzip der Chancengleichheit. Andererseits darf man auf niemanden verzichten, wenn es um das Wohl der Gemeinschaft geht.
Eine breite Palette von unterschiedlichen Maßnahmen. Einseitige Lösungen wirken kaum. Das Engagement gegen Armut und Ausgrenzung erfordert globale und transversale Aktionskonzepte. Viele unterschiedliche Maßnahmen müssen entwickelt und miteinander vernetzt werden: Transferleistungen (z.B. Kindergeld oder RMG), Beschäftigung, Wohnungshilfen, Gesundheit, Erziehung, Ausbildung, Beratung und Mediation.
Es ist nötig, das Übel an der Wurzel zu packen. Kurzfristige Maßnahmen allein reichen nicht. Sie würden nur die „Symptome” des Übels behandeln. Ursachenforschung tut Not. Sie begründet langfristige Aktionsprogramme, die zu nachhaltigen Ergebnissen führen. Als Beispiel seien die Wohnungshilfen genannt.
Strukturelle Probleme erfordern auch strukturelle Lösungen. Viele meinen noch immer, Armut sei vorrangig selbstverschuldet. Insofern brauche man vorerst auch individuell ausgerichtete Hilfen. Eine genauere Analyse belegt jedoch, dass nicht nur Einzelne, sondern ganze Gruppen von Bürgern dem Armutsrisiko verstärkt ausgeliefert sind. Dies gilt z.B. für Kinder von Alleinerziehern (Armutsrisiko: 50%). Demnach brauchen wir strukturelle Maßnahmen und gezielte Präventionsstrategien. Als Beispiele kann man folgende Bereiche nennen: Schulpolitik (Kinder aus Migrationsfamilien), Wohnungshilfen (Familien mit bescheidenem Einkommen), Beschäftigung (junge und alte Arbeitssuchende), Gesundheit (Kinder aus sozial benachteiligten Familien).
Die transgenerationelle Armutsspirale durchbrechen. Armut und Ausgrenzung „vererben“ sich von einer Generation auf die nächste. Im Sinne der Chancengerechtigkeit ist dies unzulässig. Es ist notwendig, die betroffenen Familien gezielt zu unterstützen, damit ihre Kinder möglichst früh gefördert werden: gesundheitlich, motorisch, mental, psychisch und sprachlich. Vorzügliche Instrumente sind dabei unsere „Maisons Relais“ sowie der „Chèque Service Accueil“.
Mehr Sachleistungen erwünscht. Mit Sachleistungen schaffen es der Staat oder die Kommunen, besonders Kinder, Jugendliche oder Pflegebedürftige unmittelbar zu erreichen: Betreuung, Pflege, Mahlzeiten, Freizeitangebote, Wohnung, Transport. Selbstverständlich dürfen dabei die betroffenen Familien nicht aus der ihnen eigenen Verantwortung entlassen werden. Finanzielle Transfers tragen stärker dem Prinzip der Autonomie Rechnung. Sie bleiben unverzichtbar.
Breitere Schultern vertragen schwerere Lasten. Die Unterscheidung zwischen breiten und schmalen Schultern ist in Zeiten der Rezession unumgänglich. Wenn Sparmaßnahmen unverzichtbar werden, dann sollten sie vorerst zu Lasten der Großverdiener gehen und in einem bescheideneren Maß auch der „Mittelklasse“ (zu der wohl die meisten von uns zählen) zugemutet werden dürfen. Insofern verteidigt die CSV das Prinzip einer „sozialen Selektivität“. Es bedeutet, dass Menschen, die ohnehin arm drin sind, nicht zudem zu den ersten und ärgsten Opfern der Krisis werden dürfen.
Die Akteure besser vernetzen. Im Kampf gegen Armut und Ausgrenzung verfügt Luxemburg über effiziente Instrumente und zahlreiche gut qualifizierte Akteure (unter ihnen viele ehrenamtliche Heferinnen und Helfer). Zum einen gilt es, die Angebote sinnvoller aufeinander abzustimmen. Zum andern wünscht sich die CSV eine wissenschaftliche Evaluierung der unterschiedlichen Maßnahmen. So könnten die Auftraggeber prüfen, ob die erwarteten Ziele auch effektiv erreicht werden.
Das Engagement gegen Armut braucht die aktive Mitverantwortung der Betroffenen. Wer sich für von Armut bedrohte Mitmenschen einsetzt, sollte dies möglichst auch mit ihnen zusammen tun. Dies ist nicht nur eine Sache des Respekts. Wer effizient vorgehen will, sollte nicht auf die Erfahrung und die Kompetenz der Betroffenen verzichten. Viel lernen kann man dabei aus den Erfahrungen von Einrichtungen wie „ATD-Quart Monde“ oder „Stëmm vun der Strooss“.
Solidarität ist unteilbar. Beim Thema Armut müssen wir über die engen Grenzen Luxemburgs hinausschauen. Uns am nächsten sind dabei 150.000 Grenzgänger, ohne die vieles in unserem Land nicht zu leisten wäre (z.B. Bauarbeiten, Pflege, Gastgewerbe, Finanzgeschäfte). In unserem gemeinsamen „Europäischen Haus“ sind Länder wie Bulgarien oder Rumänien besonders hart betroffen (das Armutsrisiko dort gilt für über 40% der Bürger). Auch und besonders in Krisenzeiten fordert die CSV eine nachhaltige, faire und gerechte Kooperationspolitik. Länder wie Mali oder Burkina Faso sind und bleiben angewiesen auf unsere Solidarität.
« On m’a souvent demandé : Qui est votre héros ? Et je réponds : Je ne choisis pas mon héros en fonction de la position qu’il occupe. Mes héros sont ces hommes et ces femmes qui se sont impliqués pour combattre la pauvreté où qu’elle soit dans le monde. » (Nelson Mandela)
Die integrale Rede von Mill Majerus finden die Leser unter: https://csv.lu/lb/actualites/5658.html
Quelle: CSV-Profil, 5. Mäerz 2011