Die Städte umweltfreundlich gestalten

Wohnungsproblematik in Luxemburg – neue Wege beschreiten
von Dr.-Ing. Marcel Oberweis

Die Städte umweltfreundlich gestalten

* Dr.-Ing. Marcel Oberweis

Die Nachhaltigkeit in der Raumbesiedlung liefert den Stoff, aus dem wir zukünftig die Städte und Dörfer bauen, die Landschaften aufwerten, die Energie dezentral herstellen

Die Urbanisierung in der Europäischen Union ist sehr weit fortgeschritten, wohnen hier bereits 73 Prozent der Bevölkerung in den Städten und den sie umgebenden Räumen. 75 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs und 80 Prozent der von den Menschen verursachten Treibhausgasemissionen werden in den urbanen Zentren verursacht, die Europäische Union beteiligt sich nur mit etwa 14 Prozent. Die Städte und die Ballungszentren spielen deshalb eine immer größere Schlüsselrolle im Kampf gegen den Klimawandel und den Verlust der Biodiversität; neben diesen Einflüssen gesellt sich noch der Lärm. Ein Element von hoher Wichtigkeit stellt demzufolge die nachhaltige Entwicklung dar, mittels welcher die „richtige“ Lebensart aufgesucht wird. Neue Pfade betreten und die Lebensqualität der kommenden Generationen im Blick haben, stellen den notwendigen Rahmen für die komplexe vernetzte Diskussion dar.

Wohnungsproblematik in Luxemburg – neue Wege beschreiten

Der Energieverbrauch in den Privathaushalten liegt laut der rezenten Studie der Universität Luxemburg etwa 30 bis 40 Prozent höher als derjenige in der Schweiz und in Österreich. Nahezu 30 Prozent der in Luxemburg eingesetzten Energie (Elektrizität, Erdgas und Erdöl) werden in den Privathaushalten verbraucht. Es leuchtet ein, dass der Staat und die Gemeinden gezielt die Energieeinsparung und die Energieeffizienz fördern müssen. Durch den Einsatz von dezentralen Biomasse-Blockheizkraftwerken  werden Wärme und elektrische Energie auf eine umweltfreundliche Weise erzeugt, wobei die erste durch die aufzubauenden Nahwärmenetze genutzt wird. Die Treibhausgasemissionen werden verringert und die Kyoto-Bilanz verbessert.

Die Umsetzung der europäischen Direktive aus dem Jahr 2002 hinsichtlich der Wärmeschutzverordnung hat noch nicht zum Umdenken angeregt, beträgt doch der durchschnittliche Energieverbrauch etwa 130 kWh/m2 pro Jahr in einem traditionellen Haus. Dieser Wert sinkt auf 15 bis 20 kWh/m2 pro Jahr bei einem Passivhaus und auf etwa 35 bis 40 kWh/m2 pro Jahr bei einem Niedrigenergiehaus. Und trotzdem, von allen errichteten Wohnhäusern während der Zeitspanne von 1997 bis 2007 sind nur 0,5 Prozent vom Typ Passivhaus und 2 Prozent vom Typ Niedrigenergiehaus. Laut Marco Schank, Minister für Wohnungsbau, fördert der Staat den Bau eines Passivhauses mit 40.000 Euro und eines Niedrigenergiehauses mit 15.000 Euro. Für die Sanierung eines Altbaus stehen Fördergelder in Höhe von 20.000 Euro pro Haus zur Verfügung. Es bedarf deshalb hoher Anstrengungen, steht doch bereits eine weitere noch strengere Wärmeschutzverordnung, die Europäische Gebäuderichtlinie 2010/13 über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden an, um in das nationale Recht umgesetzt zu werden. Sie verstärkt auch die Rolle des Energieausweises. Mit ihr soll das Energieeinsparpotenzial stärker ausgelotet und neue dauerhafte Arbeitsplätze in Handwerk und Handel sowie im Dienstleistungsbereich geschaffen werden. Neben der Verringerung des Energieverbrauchs in den Haushalten werden wir demzufolge eine neue Kultur „Bauen und Wohnen sowie Mobilität“ schaffen, hier wird die Vergabe der „gring Hausnummer“ ebenfalls eine wesentliche Rolle spielen; der Nachhaltigkeitsgedanke muss der Maßstab der luxemburgischen Klima- und Energiepolitik werden. 

Intelligente Technik und innovative Konstruktionen

Gefordert sind nunmehr die Raumplaner, die Architekten, die Ingenieure und die Bauherren. Die versiegelten Flächen, die hoch verdichtete Bebauung, die fehlende Verdunstung, der Mangel an Grünflächen und der geringe Luftmassenaustausch führen zu einem Wärmestau in den Städten und verringern die Lebensqualität der Menschen, auch im Umland der Städte. Die Abhilfe kann nur durch die nachhaltige Raumbesiedlung, die  solare Gebäudegestaltung und der effiziente Energieverbrauch. Das Konzept der Nachhaltigkeit verlangt somit den Einsatz von intelligenter Technik und innovativen Konstruktionen sowie umweltverträgliche Baumaterialien. Ohne Zweifel wird die Zukunft den Plusenenergiesiedlungstrukturen gehören, in denen mehr Energie bereitgestellt als deren verbraucht wird. Da der sparsame Umgang mit der Ressource Boden in Luxemburg ein wichtiges Element in der Raumplanung und der Stadt- und Dorfentwicklung darstellt, muss die Planung so gestaltet werden, dass wir die ausgewiesenen Siedlungsflächen in den Gemeinden optimal nutzen. Es sei erinnert, dass 169 ha für den Bau von Wohnungen in den ausgewiesenen Zonen während den Jahren 2004 bis 2007 verbraucht wurden, demzufolge etwa 1,1 ha pro Woche.

Betrachtet man den ökologischen CO2-Fußabdruck, so weist Luxemburg mit dem Wert von 7 gegenüber dem europäischen  Mittelwert von 2,7 eine extrem hohe Belastung seiner Lebensgrundlagen auf. Die vom WWF und der europäischen „Climate Fondation“ rezent vorgestellte Studie hat schonungslos aufgezeigt, dass Luxemburg in Sachen Klima- und Energiepolitik eines der Schlusslichter in der Europäischen Union ist. Auf der Bewertungsskala von A (sehr gut) bis F (sehr schlecht) befinden wir uns mit Rumänien, Malta, Polen, Griechenland Bulgarien, Zypern und Finnland in der Klasse F. Dieser Rüffel müsste uns doch vor Augen führen, dass die Zeit gekommen, das Ruder in Richtung der Entkarbonisierung unserer Gesellschaft einzuläuten.

Zusätzlich soll neben der Siedlungsplanung auch dem Verkehr ein hohes Augenmaß gewidmet werden. Leider überwiegt der Individualverkehr noch immer gegenüber dem Öffentlichen Personennahverkehr. Der „sanften Mobilität“ muss in den Städten und Dörfern die nötige „sichere“ Priorität eingeräumt werden. Die Automobilbranche hat diesen Zeitgeist erkannt und liefert bereits die ersten Modelle mit Hybridantrieb. Dem batteriegetriebenen Elektromobil gehört die Zukunft und die Experten rechnen mit Millionen Exemplaren binnen der kommenden zehn Jahre in der Europäischen Union. Parallel werden wir die dezentrale Energieversorgung für die Bereitstellung der elektrischen Energie mittels der „smart grids“ in einem verstärkten Maß unterstützen.

Die nachhaltige Stadtentwicklung kann nur gelingen, wenn die unterschiedlichen Dimensionen sozial, wirtschaftlich, ökologisch sowie kulturell so verzahnt werden, dass die natürlichen Ressourcen nicht überstrapaziert werden. Ein wichtiges Instrument stellt die Suffizienzstrategie dar, mittels welcher erkannt wird, dass wir auf einem Planeten mit begrenzten Ressourcen leben; wir müssen die Grenzen unserer Belastungen anerkennen. Die Stadtentwicklung muss sich deshalb an den unterschiedlichen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzungsansprüchen ausrichten, gilt es doch einzelne Interessen abzuwägen und sie zu einem zukunftsfähigen Ausgleich zu führen. Darüber hinaus kann es nicht angehen, die vorhandenen Natur- und Landschaftsräume durch die Zersiedlung zu zerstören. Hier sind die Stadtplaner und die Urbanisten gefordert, die bauliche Verdichtung zu optimieren und den Übergang von der Stadt in den ländlichen Raum optimal zu gestalten. Die integrierte Betrachtung von Siedlungs- und Verkehrsplanung soll Räume hoher Lebensqualität entstehen lassen. Gemäß der durchdachten Verzichtsstrategie wird es zum Paradigmenwechsel in der Energie-, der Ressourcen- und der Umweltpolitik kommen müssen. Der sich in der Ausarbeitung befindliche Nationale Aktionsplan für die Energie und Umwelt wird die konkreten Schritte in die gewünschte Richtung ausweisen; es bedarf jedoch vor allem der Sensibilisierung aller Menschen für die Belange der Umwelt.