Die Inkraftsetzung des Lissaboner Vertrags hat den Beginn einer neuen Phase der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik eingeläutet.
Im Artikel 42. 7 dieses Vertrags wurde erstmals eine wechselseitige Bündnispflicht aller EU-Mitgliedstaaten im Falle eines bewaffneten Angriffes eingeführt. Das Prinzip der Beistandsverpflichtung war ja bekanntlich auch Kernpunkt des Vertrages der Westeuropäischen Union (WEU). Auch gehörte es zu den Aufgaben der WEU, die Einheit Europas zu fördern.
Frage der Kompetenzen
Mit Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon am 1. Dezember 2009 hat die WEU gewissermaßen ihre historische Rolle erfüllt. Die Vertragsstaaten haben daher am 31. März 2010 beschlossen, gemeinsam den geänderten Brüsseler Vertrag zu Ende Juni 2011 zu kündigen. Die WEU, auch Luxemburg war Vollmitglied, hat nach über 60 Jahren somit ihre Aufgabe erfüllt, weil im Rahmen des Vertrages von Lissabon die letzten Funktionen der WEU (u.a. Planungskapazitäten sowie das Forschungs- und das Satellitenzentrum) auf die EU übertragen wurden. Die Auflösung der WEU wirft allerdings auch einige Fragen auf, so u.a. betreffend die parlamentarische Kontrolle im Bereich der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitiken, besonders auch, weil dem Europäischen Parlament keinerlei Kompetenzen übertragen wurden. Fakt ist: die Europäische Verteidigungspolitik bleibt nach Lissabon eine intergouvernementale Politik. Und diese Regierungszusammenarbeit zwischen den EU-Staaten braucht eine interparlamentarische Kontrolle, die von den nationalen Parlamenten gesichert wird. Die nationalen Parlamenten haben demnach eine wichtige Kontrollfunktion und ein quasi Mitbestimmungsrecht. Die nationalen Parlamente stimmen ab über die Verteidigungshaushalte ihrer Regieurng und entscheiden über den Einsatz von Soldaten ihres Landes bei internationalen Missionen.
Eine interparlamentarische Versammlung hat den Vorteil, dass sie sich aus nationalen Parlamentariern zusammensetzt. Durch dieses Doppelmandat besteht eine direkte Rückkopplung zu den nationalen Parlamenten, verbunden mit einem besseren Durchblick und Informationsaustausch über die Schwerpunkte der Sicherheits- Und Verteidigungspolitik.
Interparlamentarisches Forum
Mit der Auflösung der WEU verlieren die nationalen Parlamente ein unabhängiges Organ, welches ohne Zweifel eine parlamentarische Rolle der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik garantierte. Eine Kontrolle, die auch nicht durch gelegentlich einberufene parlamentarische Eurokonferenzen ersetzt werden kann. Daher plädiert die CSV, dass diese Kontrolle in einem permanenten interparlamentarischen Forum wieder aufgefangen wird. In diesem Forum könnten sowohl Deputierte aus National- und Europaparlament als auch Länder, die Nicht-Mitglied der EU sind als assoziierte Delegierte teilnehmen. Eine Struktur, die im Rahmen des Europarlamentes funktionieren könnte, wobei alle Aspekte der Europäischen Sicherheit- und Verteidigungspolitik zur Diskussion zu stellen sind.
Norbert Haupert
CSV-Abgeordneter
Profil, 27. November 2010