Die Verkehrspolitik muss nachhaltig werden

Mit der Erfindung des Motors durch den Luxemburger Jean Joseph Etienne Lenoir im Jahr 1860 wurde den Menschen die individuelle Freiheit geschenkt. Die Entdeckung des Erdöls und die Verwendung als Antriebsenergie sowie der technische Fortschritt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, gepaart mit der von Henry Ford eingeführten Serienfertigung zu Beginn des 20. Jahrhunderts haben das Automobil zum Statussymbol der modernen Gesellschaft hochstilisiert. Die technische Entwicklung seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges hat den Bewegungsdrang der Menschen in einem hohen Maß in den Industrieländern unterstützt. Der nunmehr einsetzende Wunsch der Menschen in den Schwellen- und Entwicklungsländer hin zur individuellen Mobilität strapaziert die bereits überforderten Lebensressourcen in einem verstärkten Maß.

Laut den Aussagen des Weltklimarates steuert der Verkehrssektor etwa 23 Prozent aller energiebedingten CO2-Emissionen bei, der Straßenverkehr ist für 80 Prozent verantwortlich. Als positive Note sei hier vermerkt, dass die Eisenbahn nur 2 Prozent an diesem „Umweltfrevel“ beteiligt ist. Die Mobilität mittels der Lkw- und der PkWflotten stellt momentan die zentrale Voraussetzung für die wirtschaftliche und die gesellschaftliche Entwicklung unserer Gesellschaft dar. Bedingt durch das zunehmende Verkehrsaufkommen kommt es zu einem stetigen Ausbau der Infrastrukturen und zu gravierenden Zerschneidungen der Landschaft sowie einer hohen Flächenversiegelung. In diesem Zusammenhang muss hervorgehoben werden, dass der finanzielle durch die negativen Einwirkungen auf Mensch, Kulturschätze und Umwelt auf etwa jährlich 100 Milliarden Euro in der Europäischen Union geschätzt werden, immerhin 1 Prozent der EU-BIP.

Das Dilemma zwischen der wirtschaftlich und gesellschaftlich hohen Bedeutung, welche dem Verkehr obliegt und den erheblichen Belastungen, entwickelt sich somit zu einem Problemfeld ersten Ranges. Die Weltbevölkerung wird sich von heute 7 Milliarden auf 8,5 Milliarden Menschen im Jahr 2030 erhöhen und die Anzahl der Megastädte d.h. die Städte mit mehr als 20 Millionen Menschen, wird auf 20 ansteigen. Bereits heute leben 3,3 Milliarden Menschen in den Städten und es werden deren4,4 Milliarden im Jahr 2030 sein; gemäß den rezenten Unterlagen wächst die Stadtbevölkerung wöchentlich um eine Million. Im Gefolge dieser Verstädterung und der erhöhten Kaufkraft kommt dem Pkw eine immer bedeutendere Rolle zu; die OECD prognostiziert demzufolge eine weltweite Zunahme der Automobilflotte um etwa 1 Milliarde.  Die Förderung des Erdöls, das Rückgrat des Verkehrssektors, wird sich von derzeit 86 Millionen Barrel auf etwa 127 Millionen Barrel pro Tag bis zum Jahr 2030 erhöhen. Die mit der Förderung einhergehenden Umweltbelastungen werden nicht spurlos an der Biodiversität vorbeigehen, das rezente Beispiel im Golf von Mexiko hat bereits einen Vorgeschmack geliefert. Parallel zum Energieverbrauch steigen auch die Treibhausgasemissionen um 30 Prozent bis 2030 an, die Schwellen- und Entwicklungsländer vermelden hierbei den größten Anteil.

Dies bedeutet, dass wir eine andere Verkehrs- und Umweltpolitik einläuten müssen, wenn die gesellschaftlich notwendige Mobilität möglichst umweltverträglich gestaltet werden soll. Angesichts der Verringerung der fossilen Energiequelle Erdöl in den kommenden Jahrzehnten macht es deshalb Sinn, die Elektromobilität, aufbauend auf den erneuerbaren Energien, in die Wege zu leiten. Luxemburg möchte eine Vorzeigerolle spielen, dies wird durch die ersten Elektromobile auf den Straßen unterstrichen. Sie stellt einen zentralen Baustein dar, um den Verkehr durch Nutzung erneuerbarer Energien umweltfreundlicher zu gestalten. Sie bietet die Chance, die Umweltpolitik mit der Verkehrspolitik sinnvoll zu verbinden

Ebenfalls ist es ein langgehegter Wunsch, den Personen- und den Warenverkehr sicherer, leistungsfähiger und umweltfreundlicher zu gestalten. Im Mittelpunkt steht die Ausgestaltung des transeuropäischen Bahnverkehrsnetzes, das vorhandene Hochgeschwindigkeitsnetz mit den Partnern ICE, TGV, Thalys, Eurostar und AVE verbindet die wichtigen europäische Städte u.a. London, Paris, Brüssel, Amsterdam, Frankfurt und Madrid. Man erkennt die Absicht der politisch Verantwortlichen, durch eine neue Ära der nachhaltigen Mobilität den ökologischen Fußabdruck zu verringern. Der AVE verbindet die Städte Barcelona und Madrid in weniger als zwei Stunden und 40 Minuten, der TGV-Est die Städte Luxemburg und Paris in nur zwei Stunden und fünf Minuten, die Städte London und Paris in zwei Stunden und 20 Minuten sowie Paris und  Brüssel in weniger als einer Stunde und 50 Minuten. Auch größere Strecken u.a. Paris nach Köln über Lüttich oder Paris nach München ziehen jährlich Hunderttausende von Reisenden an.  

Ein wesentlicher Punkt der europäischen Energie- und Umweltpolitik behandelt das Ungleichgewicht, hervorgerufen durch die externen Kosten, d.h. die einzelnen Verkehrspartner decken die durch sie verursachten Schäden nur teilweise. Die Verzerrung innerhalb des Verkehrswesens ist offensichtlich, der Straßengüterverkehr verursacht eine Reihe von externen Kosten u.a. die Luft- und Lärmbelastung, die Folgekosten im Gesundheitswesen sowie die Gebäudeschäden, ohne für die Schäden aufzukommen. Die Umweltbilanz der einzelnen Verkehrsträger liefert folgende Ergebnisse – die Eisenbahn emittiert 4,79 kg CO2 auf 100 Personenkilometer, das Pkw etwa 17,6 CO2 und das Flugzeug etwa 23 kg CO2. Neben den angeführten Emissionen verursacht der Straßenverkehr noch weitere Emissionen u.a. durch die Korrosionsprodukte wie Zink und Kupfer, durch den Abrieb von Fahrzeugreifen und Bremsbelägen sowie Kupplungen, durch Substanzen Platin und Rhodium aus den Katalysatoren sowie durch die Bremsflüssigkeit. Die Europäische Union verstärkt deshalb ihren Wunsch, die Eisenbahn möge das wachsende Verkehrsaufkommen des Personen- und Güterverkehrs schultern.

Schlussfolgerungen

Wir müssen Strategien und Konzepte entwickeln, mit denen die Mobilitätsbedürfnisse im Individual- wie im Güterverkehr so befriedigt werden, dass sie mit den Anforderungen an eine nachhaltige Entwicklung vereinbar sind. Die Europäische Union hat sich eindeutig in Richtung von Emissionsstandards für die neu zugelassenen Automobile sowie die Forschung von neuen schadstofffreien Kraftstoffen ausgesprochen. Die ersten ermutigenden Resultate liegen bereits vor. Auch lädt sie die Bürger ein, der sanften Mobilität eine höhere Bedeutung beizumessen d.h. zu Fuß gehen, das Fahrrad in Anspruch annehmen und auf die öffentlichen Verkehrsmittel umsteigen, bedeuten den Paradigmenwechsel hin zur umweltfreundlichen Mobilität. Es soll ebenfalls hervorgehoben werden, dass die Verkehrspolitik der letzten Jahre dem Öffentlichen Personennahverkehr sowie dem Güterverkehr auf der Eisenbahnschiene den finanziellen Vorrang gegenüber dem Straßenverkehr zugedacht hat.

Das Ziel einer nachhaltigen Verkehrspolitik muss es daher sein, die wachsende Mobilitätsbedürfnisse und die Umwelt- & Gesundheitsanforderungen in eine vernetzte Struktur zu bringen. Die zunehmende Urbanisierung in Kombination mit der gesteigerten Motorisierung in den Städten stellt uns vor Herausforderungen, die vielschichtig sind. Wir müssen die wirtschaftlichen Anreize schaffen, getragen durch die Innovation und die Forschung, damit der technologische Fortschritt die Entwicklung der nachhaltigen Mobilität beflügeln kann. Angesichts der begrenzten natürlichen Ressourcen sowie vor dem Hintergrund der weltweiten Finanzkrise soll der intelligenten vernetzten Nutzung aller Verkehrsträger eine besondere Bedeutung zu kommen. 

Dr.-Ing. Marcel Oberweis