von Dr.-Ing. Marcel Oberweis
Die Bekämpfung des Klimawandels steht seit Jahren im Mittelpunkt der europäischen Energie- und Umweltpolitik. Laut den Angaben des Weltenergierates werden sich der globale Primärenergieverbrauch und dementsprechend die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2040 um etwa 40 Prozent erhöhen. Damit sich die negativen Auswirkungen auf das Klima verringern, werden sich die Menschen um den Ausgleich zwischen den Erfordernissen eines umweltverträglichen Energieverbrauchs und des Erhalts der Biodiversität sowie den Erfordernissen der sozialen Gerechtigkeit und des Wohlstandes für Milliarden Menschen in den Entwicklungsländern bemühen müssen.
Die Europäische Union hatte sich bereits im Dezember 2008 auf eine integrierte Strategie „verantwortungsvolle Energieversorgung und integrierter Klimaschutz“ geeinigt. Es muss demnach allen Beteiligten einleuchten, dass die ökologische Ausrichtung der Energieversorgung das ausgewählte Ziel sein muss Die rezenten Zahlen belegen, dass die EU-Treibhausgasemissionen um 17,3 Prozent im Jahr 2009 gegenüber dem Jahr 1990 verringert wurden, leider kann Luxemburg nicht über solche Erfolge berichten. Man hatte sich ebenfalls dafür ausgesprochen, den Anteil der erneuerbaren Energien an der Gesamtenergieversorgung auf 20 Prozent bis zum Jahr 2020 zu erhöhen. Für Luxemburg wurde besagter Anteil auf 11 Prozent fixiert, gegenwärtig beträgt er etwa 1 Prozent. Die Wasserkraft, die Biomasse, die Solarenergie und die Windenergie werden wohl in Luxemburg genutzt, aber dem weiteren Ausbau werden viele Argumente entgegengehalten. Demgegenüber wird mit Stolz vermeldet, dass 60 Prozent der neuen, zusätzlichen Stromerzeugung in Europa im Jahr 2009 auf erneuerbare Energien entfallen sind.
Noch beruht die gegenwärtige Versorgung an elektrischer Energie in der Europäischen Union weitgehend auf der Nutzung von Kohle, Atomenergie und Erdgas. In vielen Mitgliedsländern u.a. Dänemark und Deutschland steigt jedoch der Anteil der erneuerbaren Energien stetig an. Neben den bisher errichteten Windenergieanlagen auf dem Festland wird die Nutzung der Windenergie im Küstenbereich der Nord- und Ostsee verstärkt durchgeführt. Im südlichen Teil der Europäischen Union wird verstärkt auf die Solarenergie gesetzt, derweil die Biomasse, insbesondere die nachwachsenden Rohstoffe der 2. Generation, in einem verstärkten Maß in den Ländern in Ost- und Mitteleuropa in die Energieversorgung eingebracht wird. Die Technologien sind verfügbar und werden durch die „economy of scale“ immer wirtschaftlicher, sodass die zukünftige emissionsfreie, sichere und wirtschaftliche Energieversorgung garantiert wird.
Die gegenwärtige großflächige Versorgung mit elektrischer Energie unterliegt somit einem Wechsel; setzte man bisher auf die Erzeugung in wenigen Großkraftwerken, so kommt den dezentralen Erzeugern mittlerer Leistung eine wachsende Bedeutung zu. Sieht man sich die Protestaktionen gegen den Neubau von Kohle- resp. Erdgaskraftwerke aufgrund mangelnder Akzeptanz in der Bevölkerung an, dann verbleibt nur der Weg über die verstärkte dezentrale Elektrizitätsversorgung durch die erneuerbaren Energien. Die Europäische Kommission schätzt die Investitionen im Bereich des Kraftwerksneubaus auf etwa 1000 Milliarden Euro bis Zum Jahr 2030.
Es soll hier im Speziellen auf die Einbindung der Windenergieanlagen im off-shore-Bereich hingewiesen werden, die fernab der Verbraucherschwerpunkte errichtet werden. Im Küstenbereich von Nord- und Ostsee stehen bereits die ersten off-shore-Windenergieanlagen, weitere befinden sich in der Planung und im Bau. Im ersten Halbjahr 2010 wurden 118 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 333 MW errichtet, davon 12 5MW-Anlagen etwa 45 km vor der Küste von Borkum. Dänemark, Großbritannien, Deutschland, Belgien und die Niederlanden errichten weitere Windparks; Luxemburg wird sich auch finanziell beteiligen. Die Errichtung der Windenergieanlagen im Küstenbereich stellt eine technische Errungenschaft dar, einen wertvollen Baustein in der Architektur der zukünftigen Versorgung an elektrischer Energie.
Die Übertragung der erzeugten elektrischen Energie zum Festland geschieht mit praktisch verlustlosen Hochspannungs-Gleichstromkabeln, denn es leuchtet ein, dass die Drehstromkabel diese Aufgabe nicht übernehmen können. Um die hohen Quantitäten an elektrischer Energie in das Landesinnere weiter zu den Verbraucherschwerpunkten durchzuführen, bedarf es demzufolge neuer leistungsfähiger Übertragungsnetze sowie intelligenter Energiespeicher. Die Europäische Kommission kalkuliert die Investitionen in die Übertragungsleitungen inklusiv Umspannstationen auf 400 Milliarden Euro für die kommenden Jahre. Darüber hinaus müssen wir die grenzüberschreitenden Kuppelleitungen resolut ausbauen, sodass die dezentralen Anlagen in das europäische Verbundnetz einspeisen können. Aber nicht nur off-shore-Windenergieanlagen werden einspeisen, auch die riesigen Solarkraftwerke in Südeuropa. Möglicherweise wird die überschüssige elektrische Energie, produziert in den Parabolrinnen-Solarkraftwerken in den afrikanischen Ländern, auch in das Verbundnetz eingebracht. Leider schotten die meisten EU-Staaten ihren nationalen Energiemarkt noch gegenüber den Konkurrenten stark ab, sodass der Fluss an elektrischer Energie behindert wird. Hier möchte die Europäische Kommission u.a. Spanien und Frankreich auffordern, ihre Grenzen zu öffnen.
Leider ist die erzeugte elektrische Energie nicht direkt speicherbar, es herrscht vielmehr ein Gleichgewicht zwischen der Nachfrage und der Erzeugung, ansonsten kann die Frequenz nicht stabil bleiben und das System außer Tritt fallen. Den Angaben der Deutschen Energieagentur zufolge wurden etwa 15 Prozent der in Deutschland im Jahr 2009 erzeugten elektrischen Energie aus der Windenergie wegen der nicht vorhandenen Speichermöglichkeiten nicht genutzt. Es bieten sich mittlerweile neue Möglichkeiten an u.a. der Transport der überschüssigen elektrischen Energie über die Hochspannungskabel zu den Wasserspeicherbecken in Norwegen. Hier wird mittels der elektrischen Energie das Wasser aus einem Stausee in ein oben liegendes Becken hochgepumpt. Wenn dann Windflaute herrscht resp. Spitzenleistung benötigt wird, wird das Wasser wieder zu elektrischer Energie mittels einer Turbine in elektrische Energie umgewandelt. Eine ähnliche Funktion wird die jetzt im Bau befindliche 200 MW-Wasserpumpturbine im Pumpspeicherkraftwerk in Vianden übernehmen. Hier soll nach Fertigstellung die überschüssige elektrische Energie aus den Windenergieanlagen des Küstenbereichs das Wasser des Unterbeckens in das Oberbecken hochpumpen, um anschließend hochwertige Spitzenleistung bereitzustellen.
Es bieten sich auch noch andere Energiespeicher u.a. Superkondensatoren und Akkumulatoren, welche jedoch kostenintensiver sind. Obwohl sich das Bild der nachhaltigen, sicheren und grenzüberschreitenden Versorgung an elektrischer Energie mit hohen Anteilen an erneuerbarer Energie abzeichnet, stellen wir ebenfalls Widerstand gegen die Errichtung von Anlagen zur Gewinnung von sauberer Energie sowie den Ausbau der grenzüberschreitenden Übertragungsleitungen fest. Die sich im Aufbau befindliche Anbindung nach Frankreich, die für viel Gespräch sorgt, kann man auch als eine vielversprechende Anbindung hin zu den Solarkraftwerken im Süden Europas und den Windenergieanlagen in Frankreich und der iberischen Halbinsel ansehen. Der Blick auf die vernetzte europäische Versorgung von elektrischer nachhaltiger Energie bedingt jedoch den Bau von Tausenden km neuer Hochspannungsleitungen. Es sollte auch beachtet werden, dass die zu errichtenden Hochspannungsleitungen die Abschaltung der Kernkraftwerke und der umweltverschmutzenden Kohlekraftwerke überdauern werden. Darüber hinaus gilt, dass die erneuerbare Energie vorrangig in das Verbundnetz eingespeist wird und die thermischen Kraftwerke dementsprechend zurückgeführt werden müssen. Einen gravierenden Nachteil stellt somit der noch fehlende Binnenmarkt für elektrische Energie in der Europäischen Union dar. Obwohl erste zaghafte Schritte unternommen werden, stagniert der Ausbau. Der pentalaterale Energieverbund, in welchem auch Luxemburg eingebunden ist, wurde eingerichtet; leider kommt der Vernetzungsprozess nur langsam voran.
Die Politik muss diesen nachhaltigen Innovationsprozess begleiten und gegebenenfalls ankurbeln. Es sind Veränderungen angesagt und die Bürger müssen begreifen, dass hohe Investitionen verlangt sind, denn der aktuelle Lebensstandard kann nicht zum Nulltarif gehalten werden. In dieser kruzialen Auseinandersetzung bezüglich der nachhaltigen Energieversorgung benötigen wir die Bereitschaft der Gesellschaft, neue Wege zu beschreiten, ohne jedoch das Gegenwärtige zu „verteufeln“.
Es werden innovative Lösungen gebraucht und Innovationen gefordert. Die klimafreundliche Energieversorgung durchführen, muss wohl unser gemeinsames Ziel sein, aber es bedarf der Zustimmung der Bevölkerung. Nur dann kann dieses europäische Wagnis mit hohem Mehrwert für die Gesellschaft gelingen.