Kassensturz

“Es war eine positive Nachricht, die Finanzminister Luc Frieden Freitag vor acht Tagen in der Budget- und Finanzkommission verkünden konnte. Im Vergleich zu den ersten fünf Monaten des Vorjahres fällt das Steueraufkommen um 300 Millionen Euro höher aus.” Parteipräsident Michel Wolter schreibt im CSV-Profil, 19. Juni 2010

Den sozialistischen Fraktionspräsidenten verleitete diese Nachricht gar zur Feststellung, dass wir nicht auf der Titanic sind. Wir freuen uns über diese Feststellung, die die Richtigkeit des vorsichtigen CSV-Kurses in der Finanzpolitik bestätigt.

Darüber hinaus: Aufatmen? Erleichterung? Rund 15 000 Arbeitslose und ihre Familien sind nicht dieser Ansicht. Ebenso wenig die Teilnehmer an den Beschäftigungsinitiativen, die Kurzarbeiter oder die Grenzgänger, die ihren Job verloren haben.

Kopfschütteln wohl auch bei den Betriebsleitern, die sich um die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Unternehmen in einem grenzüberschreitenden Wirtschaftsraum sorgen. Sie werden sich wohl ebenfalls Fragen stellen, über den Realitätsbezug jenes Gewerkschaftsführers, der behauptet, erst bei zehn Prozent Inflation und drei bis vier Indextranchen pro Jahr könnte von einem Problem geredet werden.

Leider ist es auch so, dass die Schieflage der öffentlichen Finanzen nicht durch zum Teil einmalige Steuereinnahmen in Höhe von 300 Millionen Euro beseitigt wird. Die Schuldenlast steigt weiter an. Bei den Sanierungsanstrengungen können keine Abstriche vorgenommen werden. Strukturelle Probleme, wie die zukünftige Finanzierung der Pensionsleistungen und der Gesundheitsversorgung sind weiter ungelöst.

Vor dem Hintergrund dieser, durch die Finanz- und Wirtschaftskrise drastisch verdichteten Problemlage, müssen wir uns zu einer objektiven Bestandsaufnahme durchringen. Diese muss im Dialog mit den Sozialpartnern erfolgen. Sie muss den internationalen Analysen und Studien über die wirtschaftliche und soziale Entwicklung unseres Landes Rechnung tragen, auch wenn deren Schlussfolgerungen uns nicht genehm sind.

Notwendig ist ein Kassensturz, der keine Untergangsstimmung verbreitet, der aber mit dem ebenso trügerischen wie weitverbreiteten (und von manchen Politikern gepflegten) Eindruck aufräumt, dass eine Vollkaskoversicherung uns vor allen Risiken und Problemen schützt, mit denen sich unsere Nachbarn plagen.

Bei den Bürgern ist der Tunnelblick, der nicht wahrnimmt was links und rechts passiert, weniger ausgeprägt, als manche Politiker gemeinhin annehmen. Dass bei den Bürgern großes Interesse an einem unvoreingenommenen Meinungsaustausch über unsere gemeinsame Ausgangslage und die Zukunftsgestaltung unseres Landes besteht, haben vor Monatsfrist die CSV on Tour-Versammlungen eindrucksvoll bewiesen.

Volle Säle, hunderte von interessierten und diskussionsfreudigen Teilnehmern sind der Beleg, dass die Politik nie falsch liegt, wenn sie sich anstrengt, um das Gespräch mit den Bürgern zu suchen. Es ist bedauerlich, dass keine andere Partei ihren Elfenbeinturm verließ und sich zu einer ähnlichen Initiative aufraffen konnte.

Sei’s drum. Die „on Tour“-Versammlungen haben jedenfalls dazu beigesteuert, die CSV weiter darin zu bestärken, gerade in diesen Zeiten alle Anstrengungen auf ein Ziel auszurichten: Einen optimalen Beitrag zu leisten, um Land und Leute ohne sozialen Bruch und für die Zukunft gerüstet aus der Krise zu führen. 

Michel Wolter, CSV Parteipräsident, 1. Juli 2010