2010 ist das europäische Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung. Armut beschränkt sich nicht auf die Dritte und Vierte Welt: Fast 80 Millionen Europäer leben unterhalb der Armutsgrenze.
von Michel Wolter, CSV-Parteipräsident
Armut macht nicht an unserer Landesgrenze halt! Auch in Luxemburg leben Menschen am gesellschaftlichen Rand. Obwohl das soziale Netz bei uns dichter geknüpft ist als anderswo, gibt es auch bei uns Einzelpersonen, Familien und Kinder die vom allgemeinen Wohlstand und den Möglichkeiten, die unsere Gesellschaft bietet, nicht oder nur ungenügend profitieren können.
Das europäische Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung macht Sinn, umso mehr Wirtschaftskrise, Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit auch unser Land treffen. Daher finden die Aktionen, die im Rahmen des europäischen Jahres unter der Leitung von Familienministerin Marie-Josée Jacobs organisiert werden, die Unterstützung der CSV. Unsere Anerkennung finden auch die sozialen Träger, deren Projekte und Beratungsdienste maßgeblich zur Armutsbekämpfung beitragen. Ihre Arbeit schärft das Bewusstsein dafür, dass Solidarität nicht die ausschließliche Aufgabe des Staates ist. Sie ist die Aufgabe von uns allen. Jeder trägt Verantwortung und jeder bestimmt mit, in welchem Maß das Solidarische, das „Zesummen“ unsere Gesellschaft prägt.
Von den Zielen, die im Rahmen des europäischen Jahres definiert wurden, seien an dieser Stelle zwei hervorgehoben: die Bekämpfung der vererblichen Armut sowie der Zugang zu erschwinglichem Wohnraum.
Kinder, die in einem belasteten, von Mängeln geprägten Umfeld aufwachsen, tragen ein weitaus größeres Risiko als andere Kinder in der Schule zu scheitern. Oft riskieren sie später auch im Berufsleben ohne Perspektive dazustehen. Daher muss hier der Hebel angesetzt werden: Es gilt, die Eltern, die oft ohne Erwerbstätigkeit sind, in ein Arbeitsverhältnis zu begleiten. Es gilt, Unterstützungsstrukturen zu stärken, die eine gezielte psychosoziale und pädagogische Hilfestellung für Familien in Not bieten. Es gilt, in der Schule und in den Betreuungsstrukturen zu handeln, wohlwissend, dass auch der aufopferungsvollste Einsatz von Lehrern und Erziehern nicht alle Probleme löst und die Eltern nicht aus ihrer Verantwortung entlässt.
Der Zugang zu erschwinglichem Wohnraum: Für viele junge Menschen und Familien in Luxemburg riskiert er einen überhöhten Anteil der Einkommensmasse in Beschlag zu nehmen. Es ist dies ein Problem, mit dem längst nicht nur Bezieher von niedrigeren Einkommen konfrontiert sind, auch wenn es sich bei ihnen in noch verschärfter Form stellt. Abhilfe schafft zum Teil die im Herbst 2009 geschaffene „Agence imobilière sociale“, die Wohnraum an einkommensschwächere Mitbürger weitervermittelt. Doch um die Preisspirale am Wohnungsmarkt zu brechen, drängen sich weitere Schritte auf, besonders eine breite, alle Aspekte umfassende Grundsatzdebatte.
Schließlich findet in unserem Land der Beginn des europäischen Jahres gegen Armut im Vorfeld von wichtigen Weichenstellungen und Entscheidungen statt. Die CSV, die traditionell für das Miteinander des Sozialen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit steht, wird bei den anstehenden Diskussionen auf den sozialen Ausgleich achten. Die notwendigen Reformen müssen sozial gerecht sein und den Bedürfnissen der künftigen Generationen entsprechen. Das Soziale ist keine Momentaufnahme, es muss auf Dauer angelegt werden.