„Die Wahrheit sagen“

Haushalt 2010: Lucien Thiel stellt seinen Bericht vor

VON LAURENT ZEIMET 

Ende September hatte Finanzminister Luc Frieden im Parlament den Entwurf der Regierung für das Staatsbudget 2010 im Parlament vorgestellt. Gestern war der Auftakt der Budgetdebatten. Der CSV-Abgeordnete Lucien Thiel stellte seinen Bericht vor.

 Lucien Thiel hat Krisenerfahrung. Im Dezember 2006 durfte er den Haushaltsentwurf für 2007 kommentieren. Damals mussten die Tripartite-Beschlüsse zur Haushaltskonsolidierung in die Tat umgesetzt werden. Ende März dieses Jahres oblag es dem Christlich-Sozialen, die Schlussfolgerungen der Spezialkommission zur Weltwirtschaftskrise zusammenzufassen. Knapp neun Monate später konnte sich Thiel auf diese Vorarbeit stützen, um das „Antikrisenbudget“ der CSV/LSAP-Koalition zu prüfen.

Der Prolog der Rede ist schnell zusammengefasst: Im Herbst 2008 wurde die Welt von einer Wirtschaftskrise heimgesucht – „die Schlimmste seit den dreißiger Jahren“ – Luxemburg blieb nicht verschont, die Welt reagierte mit einer antizyklischen Politik, auch Defizitfinanzierung genannt, und hat sich verschuldet. „Wir müssen den Menschen die Wahrheit sagen“, mahnt Thiel seine Kollegen. Und seine Wahrheit lautet: Die Verschuldung kann nicht ins Unermessliche steigen. Bei sieben Milliarden Euro „steht uns das Wasser bis zum Hals“. Der CSV-Politiker bescheinigt den Bürgern ein „feines Gespür“ für wirtschaftliche Vorgänge. „Sie wissen, dass man sich der Decke nach strecken muss und wir uns nicht auf Dauer leisten können, unseren Wohlstand künstlich zu erhalten.“

Stellt sich also die Frage, wann der geeignete Zeitpunkt gekommen ist, um aus der Schuldenpolitik wieder auszusteigen.

Thiel meint, das Großherzogtum solle sich an den anderen Volkswirtschaften orientieren. Vieles deute darauf hin, dass es im Laufe des Jahres 2011 soweit sei. Die Europäer würden vielleicht lieber früher als später, die Amerikaner eher etwas später „die Kurve kriegen“. 2011 also. So sieht es auch die Regierung und so sah es die CSV bereits vor den Wahlen. Dann stellt sich natürlich die Frage, wie der Ausstieg vor sich gehen soll. Lucien Thiel weiß zumindest, was zu diesem Zeitpunkt nicht angebracht wäre: Steuererhöhungen dürften nur der letzte Ausweg sein. Ansonsten würde sich die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts weiter verschlechtern, befürchtet Lucien Thiel. Ehe die Regierung daran denkt, an der Steuerschraube zu drehen, müsse eine „Radiografie bis in die letzte Ecke der Schubladen“ vorgenommen werden, um das Sparpotenzial beim Staat auszuschöpfen.

Der sparsame Staat

„Der Staat kann sparsamer sein“, gibt sich der CSV-Abgeordnete sicher. Zudem solle darüber nachgedacht werden, wieder eine Budgetnorm einzuführen, die allen Verwaltungen als Richtschnur dienen könnte, um mehr Haushaltsdiziplin zu wahren. Thiel knüpfte dann bei seinem Berichterstatter-Vorgänger Roger Negri (LSAP) an, der vor vier Jahren ein neues Haushaltsverfahren nach französischem Vorbild einforderte. Einen entsprechenden Gesetzvorschlag reichte Negri kurz vor den Wahlen ein. Norbert Haupert griff die Idee im vergangenen Jahr auch auf. Die Budgetmittel sollten zielorientierter vergeben werden, lautet die Kernidee. Thiel wies seine Kollegen darauf hin, dass der Rechnungshof ein Modell erstellte, wie ein solches Haushaltsverfahren nach Luxemburger Art aussehen könnte. „Wir sollten uns damit beschäftigen.“

Mehr Transparenz wünscht sich der Berichterstatter bei der Präsentation der Haushaltsvorlagen. Die zweigleisige Darstellung der Budgetzahlen nach nationaler und europäischer Lesart würden Verwirrung stiften, so Thiel.

Luxemburg habe nicht nur mit den Auswirkungen der Finanzkrise zu kämpfen, warnt der Berichterstatter. „Hinter der konjunkturellen Krise verbirgt sich eine strukturelle Krise.“ Diese macht Thiel an zwei Beispielen fest. Der Finanzplatz und vor allem das Bankgeheimnis stünden weiter unter Beschuss. Heute muss Finanzminister Luc Frieden in Brüssel erneut das Bankgeheimnis verteidigen. „Wir müssen die Daumen drücken, damit zumindest das Schlimmste verhindert werden kann.“ Es stehe nicht alles, aber vieles auf dem Spiel. Alleine 6 000 Arbeitsplätze seien gefährdet, wenn das Privatkundengeschäft wegbreche. „Wir tanzen auf dünnem Eis.“

Als zweite verdeckte Krise bezeichnet Lucien Thiel die langfristige Finanzierung der Altersvorsorge. Bei gleichbleibenden Rentenansprüchen müsste die Zahl der Beschäftigten bis 2060 verdreifacht werden. Dann stünden einem einheimischen Arbeitnehmer vier Pendler gegenüber.

Gegen Ende seiner Rede beschwor Lucien Thiel die Notwendigkeit, die Wirtschaft des Landes auf mehr Standbeine zu stellen. Der Ruf nach Diversifizierung darf in keiner Budgetrede fehlen.

Thiel wagt sich allerdings an bisherige Tabus und schlägt vor, Wohlhabende ins Großherzogtum zu locken. „Nicht weil sie Steuern hinterziehen wollen, sondern weil sie einen stabilen Finanzplatz suchen, der ihr Vermögen kompetent verwaltet.“ Auch Hedge Fonds sind für Thiel nicht vom Bösen, sondern bieten neue Entwickungsmöglichkeiten für den Finanzplatz.

Quelle: Luxemburger Wort, 2. Dezember 2009